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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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schreiten gegen russische Agenten und überhaupt durch antirussische Gesinnung
unangenehm in Petersburg, und so mußte der Fürst ihm schon im März 1353
seine Entlassung geben. An seine Stelle trat Alexander Simitsch. Auch mit
diesem war, als bald darauf der russisch-türkische Krieg ausbrach, vom Für¬
sten nicht mehr, als eine strenge Neutralität zu erlangen, worüber der russische
^"nsul das Land verließ. Die Neutralität wurde energisch bewahrt und durch
ste eine Umgehung der Stellung Omer Paschas bei Wiodin verhindert. Das
Volk war entschieden auf Seiten der Russen, seine Führer aber mochten einer¬
seits fürchten, daß der alte Milosch, der unter den Augen der russischen Ge¬
nerale in der Walachei ein Freicorps gegen die Türken organisirte. damit zu¬
gleich die Wiedereroberung seines Fürstenstuhles in Belgrad beabsichtige,
andererseits, daß. sobald Serbien Front gegen die Pforte machte. Oestreich
°as Land besetzen und womöglich behalten werde. Letztere Macht zog im
Frühjahr eine so beträchtliche Streitkraft an der Donau und save zusammen,
die serbische Regierung sich veranlaßt fand, in einer an die Pforte ge¬
richteten Denkschrift zu erklären, sie werde einen Einmarsch der Oestreicher
N>ehe dulden, und zu gleicher Zeit die Mobilisirung des serbischen Volksheercs
Zuzuordnen. Da sich indeß die Russen jetzt aus der kleinen Walachei zurück-
ü°gen und Oestreich die Erklärung abgab, es werde nur in dem Falle einer
Körung der legitimen Ordnung in Serbien einrücken, so stellte man die Rü-
"ngen wieder ein. und es war fortan von diesem Theil der türkischen Lehns-
wndcr während des Kriegs nicht mehr die Rede.

Nach wiederhergestelltem Frieden begannen die Parteien im Innern wieder
Hr Spiel. Es gab eine Wojwodcnpartei. die ihr Organ im Senat fand
"ut nach Beschränkung des Fürsten durch den Willen der Aristokratie hin¬
arbeitete. Es gab eine nationale Partei, welche sich hauptsächlich gegen die
"Schwaben", d. h. die Deutschen im Lande kehrte. Es fanden sich ferner:
e>Ne Partei, die sich nach den Obrenowitschs nannte, eine russische, eine frau-
^l'sche, eine kleine östreichische Partei. Endlich hatte auch Fürst Alexander
°wige Anhänger. Eine wirklich patriotische Partei existirte nicht. Alle hatten
°s Vaterland und die Freiheit im Munde und sich, ihren Vortheil und ihren
"geiz im Sinne. Der erste Angriff auf den Fürsten ging von der Ovpo-
"'on im Senat aus. Die aristokratische Coterie, die hier das Wort führte,
Mr ihm einen Theil seiner Rechte und versuchte ihn dann durch einen Meu-
^elrnörder zu beseitigen. Der Plan wurde entdeckt, die Urheber bestraft.
Ad einen Augenblick schien es. der Fürst werde die ihm entzogenen Rechte
Machtvollkommenheiten sich wieder aneignen können. Der Senat indeß
^bee unter, Wutschitschs Führung mit solchem Geschick zu operiren. daß die
se? Organisation sej^. Körperschaft die Macht des Fürsten noch mehr be¬
dankte. Jetzt wurde der Ruf nach einer Skupschtina laut, zuerst im Senat.


schreiten gegen russische Agenten und überhaupt durch antirussische Gesinnung
unangenehm in Petersburg, und so mußte der Fürst ihm schon im März 1353
seine Entlassung geben. An seine Stelle trat Alexander Simitsch. Auch mit
diesem war, als bald darauf der russisch-türkische Krieg ausbrach, vom Für¬
sten nicht mehr, als eine strenge Neutralität zu erlangen, worüber der russische
^"nsul das Land verließ. Die Neutralität wurde energisch bewahrt und durch
ste eine Umgehung der Stellung Omer Paschas bei Wiodin verhindert. Das
Volk war entschieden auf Seiten der Russen, seine Führer aber mochten einer¬
seits fürchten, daß der alte Milosch, der unter den Augen der russischen Ge¬
nerale in der Walachei ein Freicorps gegen die Türken organisirte. damit zu¬
gleich die Wiedereroberung seines Fürstenstuhles in Belgrad beabsichtige,
andererseits, daß. sobald Serbien Front gegen die Pforte machte. Oestreich
°as Land besetzen und womöglich behalten werde. Letztere Macht zog im
Frühjahr eine so beträchtliche Streitkraft an der Donau und save zusammen,
die serbische Regierung sich veranlaßt fand, in einer an die Pforte ge¬
richteten Denkschrift zu erklären, sie werde einen Einmarsch der Oestreicher
N>ehe dulden, und zu gleicher Zeit die Mobilisirung des serbischen Volksheercs
Zuzuordnen. Da sich indeß die Russen jetzt aus der kleinen Walachei zurück-
ü°gen und Oestreich die Erklärung abgab, es werde nur in dem Falle einer
Körung der legitimen Ordnung in Serbien einrücken, so stellte man die Rü-
"ngen wieder ein. und es war fortan von diesem Theil der türkischen Lehns-
wndcr während des Kriegs nicht mehr die Rede.

Nach wiederhergestelltem Frieden begannen die Parteien im Innern wieder
Hr Spiel. Es gab eine Wojwodcnpartei. die ihr Organ im Senat fand
"ut nach Beschränkung des Fürsten durch den Willen der Aristokratie hin¬
arbeitete. Es gab eine nationale Partei, welche sich hauptsächlich gegen die
"Schwaben", d. h. die Deutschen im Lande kehrte. Es fanden sich ferner:
e>Ne Partei, die sich nach den Obrenowitschs nannte, eine russische, eine frau-
^l'sche, eine kleine östreichische Partei. Endlich hatte auch Fürst Alexander
°wige Anhänger. Eine wirklich patriotische Partei existirte nicht. Alle hatten
°s Vaterland und die Freiheit im Munde und sich, ihren Vortheil und ihren
"geiz im Sinne. Der erste Angriff auf den Fürsten ging von der Ovpo-
"'on im Senat aus. Die aristokratische Coterie, die hier das Wort führte,
Mr ihm einen Theil seiner Rechte und versuchte ihn dann durch einen Meu-
^elrnörder zu beseitigen. Der Plan wurde entdeckt, die Urheber bestraft.
Ad einen Augenblick schien es. der Fürst werde die ihm entzogenen Rechte
Machtvollkommenheiten sich wieder aneignen können. Der Senat indeß
^bee unter, Wutschitschs Führung mit solchem Geschick zu operiren. daß die
se? Organisation sej^. Körperschaft die Macht des Fürsten noch mehr be¬
dankte. Jetzt wurde der Ruf nach einer Skupschtina laut, zuerst im Senat.


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[0239] schreiten gegen russische Agenten und überhaupt durch antirussische Gesinnung unangenehm in Petersburg, und so mußte der Fürst ihm schon im März 1353 seine Entlassung geben. An seine Stelle trat Alexander Simitsch. Auch mit diesem war, als bald darauf der russisch-türkische Krieg ausbrach, vom Für¬ sten nicht mehr, als eine strenge Neutralität zu erlangen, worüber der russische ^"nsul das Land verließ. Die Neutralität wurde energisch bewahrt und durch ste eine Umgehung der Stellung Omer Paschas bei Wiodin verhindert. Das Volk war entschieden auf Seiten der Russen, seine Führer aber mochten einer¬ seits fürchten, daß der alte Milosch, der unter den Augen der russischen Ge¬ nerale in der Walachei ein Freicorps gegen die Türken organisirte. damit zu¬ gleich die Wiedereroberung seines Fürstenstuhles in Belgrad beabsichtige, andererseits, daß. sobald Serbien Front gegen die Pforte machte. Oestreich °as Land besetzen und womöglich behalten werde. Letztere Macht zog im Frühjahr eine so beträchtliche Streitkraft an der Donau und save zusammen, die serbische Regierung sich veranlaßt fand, in einer an die Pforte ge¬ richteten Denkschrift zu erklären, sie werde einen Einmarsch der Oestreicher N>ehe dulden, und zu gleicher Zeit die Mobilisirung des serbischen Volksheercs Zuzuordnen. Da sich indeß die Russen jetzt aus der kleinen Walachei zurück- ü°gen und Oestreich die Erklärung abgab, es werde nur in dem Falle einer Körung der legitimen Ordnung in Serbien einrücken, so stellte man die Rü- "ngen wieder ein. und es war fortan von diesem Theil der türkischen Lehns- wndcr während des Kriegs nicht mehr die Rede. Nach wiederhergestelltem Frieden begannen die Parteien im Innern wieder Hr Spiel. Es gab eine Wojwodcnpartei. die ihr Organ im Senat fand "ut nach Beschränkung des Fürsten durch den Willen der Aristokratie hin¬ arbeitete. Es gab eine nationale Partei, welche sich hauptsächlich gegen die "Schwaben", d. h. die Deutschen im Lande kehrte. Es fanden sich ferner: e>Ne Partei, die sich nach den Obrenowitschs nannte, eine russische, eine frau- ^l'sche, eine kleine östreichische Partei. Endlich hatte auch Fürst Alexander °wige Anhänger. Eine wirklich patriotische Partei existirte nicht. Alle hatten °s Vaterland und die Freiheit im Munde und sich, ihren Vortheil und ihren "geiz im Sinne. Der erste Angriff auf den Fürsten ging von der Ovpo- "'on im Senat aus. Die aristokratische Coterie, die hier das Wort führte, Mr ihm einen Theil seiner Rechte und versuchte ihn dann durch einen Meu- ^elrnörder zu beseitigen. Der Plan wurde entdeckt, die Urheber bestraft. Ad einen Augenblick schien es. der Fürst werde die ihm entzogenen Rechte Machtvollkommenheiten sich wieder aneignen können. Der Senat indeß ^bee unter, Wutschitschs Führung mit solchem Geschick zu operiren. daß die se? Organisation sej^. Körperschaft die Macht des Fürsten noch mehr be¬ dankte. Jetzt wurde der Ruf nach einer Skupschtina laut, zuerst im Senat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/239>, abgerufen am 24.07.2024.