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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Umgestaltung; doch läßt sich durch eine Vergleichung der einzelnen basiliken-
artigen Kirchen und durch Combination der einzeln in ihnen erhaltenen alter¬
thümlichen Bestandtheile mit ziemlicher Genauigkeit und Vollständigkeit der
älteste christliche Basilikenstil wieder herstellen. -- Nun aber entlehnte man
von den antiken Gebäuden nicht allein den Baustil, sondern auch das Bau¬
material. Die Staatskasse, der Hof und die Privatpersonen waren bei weitem
nicht mehr reich genug, Süulcnmarmor über das Meer herkommen zu lassen;
abgesehn davon war die schöpferische künstlerische Kraft und auch die künst¬
lerische Technik in Konstantins Zeit bereits fast völlig verloren gegangen. und
sank natürlich immer mehr in den folgenden Jahrhunderten. Also man hatte
nicht die Mittel sich Marmor zu verschaffen, und man war nicht mehr im
Stande, aus dem Marmor Säulen und architektonische Ornamente zu bilden.
Es war daher nichts natürlicher, als daß man die jetzt verlassenen Tempel
als herrenloses Gut betrachtete, und den in ihnen befindlichen Baustoff für
die Kirchen verwendete. Schon im Zeitalter Konstantins war es in Gebrauch
^kommen, vorhandene Gebäude zu zerstören, um mit den Ornamenten der¬
selben neue Gebäude zu zieren. Der schlagendste uns noch vor Augen liegende
beweis dafür ist der Triumphbogen des Konstantin selbst, errichtet nach sei¬
nem Sieg über den Maxentius, zu welchem die zahlreichen schönen Reliefs
von dem Bogen des Trajan genommen sind (auch beziehen sie sich aus Tra-
j<ins dänische Feldzüge und andere Ereignisse aus dem Leben dieses Kaisers),
Während die wenigen, aus Konstantins eigner Zeit herrührenden Sculpturen
an diesem Bogen von unglaublicher Rohheit der Arbeit sind. Um so mehr
Mußte diese Praxis herrschend werden, als man bei den ältesten Kirchenbauten
wünschte, den Gotteshäusern der neuen Religion eine den Tempeln der alten
ahnliche Pracht zu verleihe". Die Zahl der antiken Säulen, welche zu diesen
bauten gebraucht ward, ist ganz unglaublich groß; fast alle alten basiliken-
"Algen Kirchen Roms sind angefüllt mit antiken Säulen; alle Beschreibungen der
un Jahr 1823 abgebrannten alten Basilika S. Paul sprechen mit Bewunderung
von dem Snulenwald dieser herrlichen Kirche; von den noch jetzt stehenden Kir-
^n will ich nur nennen S. Maria Mnggiore, S. Maria in Trastevere.
S- Sabina auf dem Aventin. S. Agnese fuori le aura. S. Lorenzo und viele
andere. Zuweilen sind die sämmtlichen Säulen einer Kirche von gleicher Form
und Arbeit, und sind daher ohne Zweifel von demselben antiken Gebäude
SMommen. So ruht z. B. in>S. Sabina das Mittelschiff auf 24 schönen
cannelirten Säulen von parischem Marmor, alle von gleicher Form und Ar-
beit. Ebenso wird in S. Maria Maggiore das Mittelschiff von 12 schönen
K"nz gleichen Säulen von ionischer Ordnung getragen. Dagegen in andern
hundelt hat man von verschiedenen alten Gebäuden ganz unzusammengehörigc
^anstücke ohne allen Sinn für Symmetrie zusammengerafft. So sind z. B.


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Umgestaltung; doch läßt sich durch eine Vergleichung der einzelnen basiliken-
artigen Kirchen und durch Combination der einzeln in ihnen erhaltenen alter¬
thümlichen Bestandtheile mit ziemlicher Genauigkeit und Vollständigkeit der
älteste christliche Basilikenstil wieder herstellen. — Nun aber entlehnte man
von den antiken Gebäuden nicht allein den Baustil, sondern auch das Bau¬
material. Die Staatskasse, der Hof und die Privatpersonen waren bei weitem
nicht mehr reich genug, Süulcnmarmor über das Meer herkommen zu lassen;
abgesehn davon war die schöpferische künstlerische Kraft und auch die künst¬
lerische Technik in Konstantins Zeit bereits fast völlig verloren gegangen. und
sank natürlich immer mehr in den folgenden Jahrhunderten. Also man hatte
nicht die Mittel sich Marmor zu verschaffen, und man war nicht mehr im
Stande, aus dem Marmor Säulen und architektonische Ornamente zu bilden.
Es war daher nichts natürlicher, als daß man die jetzt verlassenen Tempel
als herrenloses Gut betrachtete, und den in ihnen befindlichen Baustoff für
die Kirchen verwendete. Schon im Zeitalter Konstantins war es in Gebrauch
^kommen, vorhandene Gebäude zu zerstören, um mit den Ornamenten der¬
selben neue Gebäude zu zieren. Der schlagendste uns noch vor Augen liegende
beweis dafür ist der Triumphbogen des Konstantin selbst, errichtet nach sei¬
nem Sieg über den Maxentius, zu welchem die zahlreichen schönen Reliefs
von dem Bogen des Trajan genommen sind (auch beziehen sie sich aus Tra-
j<ins dänische Feldzüge und andere Ereignisse aus dem Leben dieses Kaisers),
Während die wenigen, aus Konstantins eigner Zeit herrührenden Sculpturen
an diesem Bogen von unglaublicher Rohheit der Arbeit sind. Um so mehr
Mußte diese Praxis herrschend werden, als man bei den ältesten Kirchenbauten
wünschte, den Gotteshäusern der neuen Religion eine den Tempeln der alten
ahnliche Pracht zu verleihe«. Die Zahl der antiken Säulen, welche zu diesen
bauten gebraucht ward, ist ganz unglaublich groß; fast alle alten basiliken-
"Algen Kirchen Roms sind angefüllt mit antiken Säulen; alle Beschreibungen der
un Jahr 1823 abgebrannten alten Basilika S. Paul sprechen mit Bewunderung
von dem Snulenwald dieser herrlichen Kirche; von den noch jetzt stehenden Kir-
^n will ich nur nennen S. Maria Mnggiore, S. Maria in Trastevere.
S- Sabina auf dem Aventin. S. Agnese fuori le aura. S. Lorenzo und viele
andere. Zuweilen sind die sämmtlichen Säulen einer Kirche von gleicher Form
und Arbeit, und sind daher ohne Zweifel von demselben antiken Gebäude
SMommen. So ruht z. B. in>S. Sabina das Mittelschiff auf 24 schönen
cannelirten Säulen von parischem Marmor, alle von gleicher Form und Ar-
beit. Ebenso wird in S. Maria Maggiore das Mittelschiff von 12 schönen
K"nz gleichen Säulen von ionischer Ordnung getragen. Dagegen in andern
hundelt hat man von verschiedenen alten Gebäuden ganz unzusammengehörigc
^anstücke ohne allen Sinn für Symmetrie zusammengerafft. So sind z. B.


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[0229] Umgestaltung; doch läßt sich durch eine Vergleichung der einzelnen basiliken- artigen Kirchen und durch Combination der einzeln in ihnen erhaltenen alter¬ thümlichen Bestandtheile mit ziemlicher Genauigkeit und Vollständigkeit der älteste christliche Basilikenstil wieder herstellen. — Nun aber entlehnte man von den antiken Gebäuden nicht allein den Baustil, sondern auch das Bau¬ material. Die Staatskasse, der Hof und die Privatpersonen waren bei weitem nicht mehr reich genug, Süulcnmarmor über das Meer herkommen zu lassen; abgesehn davon war die schöpferische künstlerische Kraft und auch die künst¬ lerische Technik in Konstantins Zeit bereits fast völlig verloren gegangen. und sank natürlich immer mehr in den folgenden Jahrhunderten. Also man hatte nicht die Mittel sich Marmor zu verschaffen, und man war nicht mehr im Stande, aus dem Marmor Säulen und architektonische Ornamente zu bilden. Es war daher nichts natürlicher, als daß man die jetzt verlassenen Tempel als herrenloses Gut betrachtete, und den in ihnen befindlichen Baustoff für die Kirchen verwendete. Schon im Zeitalter Konstantins war es in Gebrauch ^kommen, vorhandene Gebäude zu zerstören, um mit den Ornamenten der¬ selben neue Gebäude zu zieren. Der schlagendste uns noch vor Augen liegende beweis dafür ist der Triumphbogen des Konstantin selbst, errichtet nach sei¬ nem Sieg über den Maxentius, zu welchem die zahlreichen schönen Reliefs von dem Bogen des Trajan genommen sind (auch beziehen sie sich aus Tra- j<ins dänische Feldzüge und andere Ereignisse aus dem Leben dieses Kaisers), Während die wenigen, aus Konstantins eigner Zeit herrührenden Sculpturen an diesem Bogen von unglaublicher Rohheit der Arbeit sind. Um so mehr Mußte diese Praxis herrschend werden, als man bei den ältesten Kirchenbauten wünschte, den Gotteshäusern der neuen Religion eine den Tempeln der alten ahnliche Pracht zu verleihe«. Die Zahl der antiken Säulen, welche zu diesen bauten gebraucht ward, ist ganz unglaublich groß; fast alle alten basiliken- "Algen Kirchen Roms sind angefüllt mit antiken Säulen; alle Beschreibungen der un Jahr 1823 abgebrannten alten Basilika S. Paul sprechen mit Bewunderung von dem Snulenwald dieser herrlichen Kirche; von den noch jetzt stehenden Kir- ^n will ich nur nennen S. Maria Mnggiore, S. Maria in Trastevere. S- Sabina auf dem Aventin. S. Agnese fuori le aura. S. Lorenzo und viele andere. Zuweilen sind die sämmtlichen Säulen einer Kirche von gleicher Form und Arbeit, und sind daher ohne Zweifel von demselben antiken Gebäude SMommen. So ruht z. B. in>S. Sabina das Mittelschiff auf 24 schönen cannelirten Säulen von parischem Marmor, alle von gleicher Form und Ar- beit. Ebenso wird in S. Maria Maggiore das Mittelschiff von 12 schönen K"nz gleichen Säulen von ionischer Ordnung getragen. Dagegen in andern hundelt hat man von verschiedenen alten Gebäuden ganz unzusammengehörigc ^anstücke ohne allen Sinn für Symmetrie zusammengerafft. So sind z. B. 28*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/229>, abgerufen am 25.07.2024.