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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Gothen schon die Durchbrechung eines Bogens von jeder Wasserleitung
genügte. -- Nachdem Totila im Jahr 54L Rom erobert hatte, beschloß er die
gänzliche Zerstörung der Stadt; zwar schreckte er vor der Ausführung seines
Vorhabens zurück, und vielleicht mag ein noch erhaltenes Schreiben Belisars,
Worin dieser ihn warnt, sich nicht durch die Vertilgung der Königin der
Städte zum Fluch der kommenden Geschlechter zu machen, nicht ohne Einfluß
auf die Entschließung des Gothenkönigs geblieben sein. Doch damit die
Feinde sich nicht wieder in Rom festsetzen könnten, ließ der Gothenfürst die
Stadtmauern an vielen Stellen niederreißen, ungefähr den dritten Theil der¬
selben. Während dieser verschiedenen Belagerungen wütheten außerdem auch
Pest und Hungersnoth in Rom, und am Ende dieses Krieges mag die Stadt
schon in hohem Grade entvölkert und verwüstet gewesen sein.

Neben diesen Zerstörungen durch die nordischen germanischen Eroberer
Roms laust gleichzeitig in der ersten Zeit des christlichen Roms eine andere
Art der Verwüstung, die nicht in einzelnen großen Ereignissen hervortritt,
aber durch ihre Dauer um so wirksamer gewesen ist, nämlich eine Ver¬
wüstung durch das Christenthum. Der Hauptgrund war nicht ein frommer Eifer
Segen die Denkmäler des heidnischen Götterdienstes. In der Regel begnügte
wan sich, die Statuen aus den Tempeln zu entfernen und sie der öffentlichen
Verehrung zu entziehen, dagegen benutzte man sie als Verzierung der öffent¬
lichen Plätze und Gebäude. Allein die alten Christen zerstörten die antiken
Gebäude, zwar nicht weil sie zu zerstören wünschten, wol aber aus Bedürf¬
niß' weil sie Baumaterial, namentlich Säulen und architektonische Ornamente
hauchten. Dazu wenige Worte über die Geschichte des ältesten christlichen
Kirchenbaues.

Versteht man unter Kirchen Gebäude, die in einem eigenthümlichen, durch
Disciplin und Liturgie bestimmten Stil erbaut waren, an welche die Ver¬
achtung des Gottesdienstes mit innerer Nothwendigkeit geknüpft war. und
d'e deshalb als dem Herrn geweihte Stätten betrachtet wurden, so muß man
verneinen, daß es vor Konstantin in Rom Kirchen gegeben habe. Denn es
s^)lec der christlichen Gemeinde die Ruhe und Sicherheit, die zur Entwicklung
°mer eigenthümlichen Bauform nothwendig ist. Auch kann von den römischen
Kirchen keine einzige urkundlich hoher hinauf verfolgt werden. Mit Konstan¬
tin aber beginnt die Periode des eigentlichen Kirchenbaues, und eine Reihe
bedeutendsten Kirchenbauten füllt der ursprünglichen Anlage nach bereits
'u seine Zeit, so S. Giovanni in Laterans, S. Pietro in Vaticano (natür¬
lich die alte Peterskirche; die jetzige ist aus dem 16. Jahrhundert), S. Paolo fuori
^ aum. S. Croce in Gerusalemme, S. Lorenzo fuori le aura. S. Maria
^ Trastevere und andere. Als nun nach der Einführung des Christenthums
"is Staatsreligion das Bedürfniß, gottesdienstliche Gebäude zu besitzen, sich


^"Njbotn, I. 1859. 28

Gothen schon die Durchbrechung eines Bogens von jeder Wasserleitung
genügte. — Nachdem Totila im Jahr 54L Rom erobert hatte, beschloß er die
gänzliche Zerstörung der Stadt; zwar schreckte er vor der Ausführung seines
Vorhabens zurück, und vielleicht mag ein noch erhaltenes Schreiben Belisars,
Worin dieser ihn warnt, sich nicht durch die Vertilgung der Königin der
Städte zum Fluch der kommenden Geschlechter zu machen, nicht ohne Einfluß
auf die Entschließung des Gothenkönigs geblieben sein. Doch damit die
Feinde sich nicht wieder in Rom festsetzen könnten, ließ der Gothenfürst die
Stadtmauern an vielen Stellen niederreißen, ungefähr den dritten Theil der¬
selben. Während dieser verschiedenen Belagerungen wütheten außerdem auch
Pest und Hungersnoth in Rom, und am Ende dieses Krieges mag die Stadt
schon in hohem Grade entvölkert und verwüstet gewesen sein.

Neben diesen Zerstörungen durch die nordischen germanischen Eroberer
Roms laust gleichzeitig in der ersten Zeit des christlichen Roms eine andere
Art der Verwüstung, die nicht in einzelnen großen Ereignissen hervortritt,
aber durch ihre Dauer um so wirksamer gewesen ist, nämlich eine Ver¬
wüstung durch das Christenthum. Der Hauptgrund war nicht ein frommer Eifer
Segen die Denkmäler des heidnischen Götterdienstes. In der Regel begnügte
wan sich, die Statuen aus den Tempeln zu entfernen und sie der öffentlichen
Verehrung zu entziehen, dagegen benutzte man sie als Verzierung der öffent¬
lichen Plätze und Gebäude. Allein die alten Christen zerstörten die antiken
Gebäude, zwar nicht weil sie zu zerstören wünschten, wol aber aus Bedürf¬
niß' weil sie Baumaterial, namentlich Säulen und architektonische Ornamente
hauchten. Dazu wenige Worte über die Geschichte des ältesten christlichen
Kirchenbaues.

Versteht man unter Kirchen Gebäude, die in einem eigenthümlichen, durch
Disciplin und Liturgie bestimmten Stil erbaut waren, an welche die Ver¬
achtung des Gottesdienstes mit innerer Nothwendigkeit geknüpft war. und
d'e deshalb als dem Herrn geweihte Stätten betrachtet wurden, so muß man
verneinen, daß es vor Konstantin in Rom Kirchen gegeben habe. Denn es
s^)lec der christlichen Gemeinde die Ruhe und Sicherheit, die zur Entwicklung
°mer eigenthümlichen Bauform nothwendig ist. Auch kann von den römischen
Kirchen keine einzige urkundlich hoher hinauf verfolgt werden. Mit Konstan¬
tin aber beginnt die Periode des eigentlichen Kirchenbaues, und eine Reihe
bedeutendsten Kirchenbauten füllt der ursprünglichen Anlage nach bereits
'u seine Zeit, so S. Giovanni in Laterans, S. Pietro in Vaticano (natür¬
lich die alte Peterskirche; die jetzige ist aus dem 16. Jahrhundert), S. Paolo fuori
^ aum. S. Croce in Gerusalemme, S. Lorenzo fuori le aura. S. Maria
^ Trastevere und andere. Als nun nach der Einführung des Christenthums
"is Staatsreligion das Bedürfniß, gottesdienstliche Gebäude zu besitzen, sich


^"Njbotn, I. 1859. 28
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[0227] Gothen schon die Durchbrechung eines Bogens von jeder Wasserleitung genügte. — Nachdem Totila im Jahr 54L Rom erobert hatte, beschloß er die gänzliche Zerstörung der Stadt; zwar schreckte er vor der Ausführung seines Vorhabens zurück, und vielleicht mag ein noch erhaltenes Schreiben Belisars, Worin dieser ihn warnt, sich nicht durch die Vertilgung der Königin der Städte zum Fluch der kommenden Geschlechter zu machen, nicht ohne Einfluß auf die Entschließung des Gothenkönigs geblieben sein. Doch damit die Feinde sich nicht wieder in Rom festsetzen könnten, ließ der Gothenfürst die Stadtmauern an vielen Stellen niederreißen, ungefähr den dritten Theil der¬ selben. Während dieser verschiedenen Belagerungen wütheten außerdem auch Pest und Hungersnoth in Rom, und am Ende dieses Krieges mag die Stadt schon in hohem Grade entvölkert und verwüstet gewesen sein. Neben diesen Zerstörungen durch die nordischen germanischen Eroberer Roms laust gleichzeitig in der ersten Zeit des christlichen Roms eine andere Art der Verwüstung, die nicht in einzelnen großen Ereignissen hervortritt, aber durch ihre Dauer um so wirksamer gewesen ist, nämlich eine Ver¬ wüstung durch das Christenthum. Der Hauptgrund war nicht ein frommer Eifer Segen die Denkmäler des heidnischen Götterdienstes. In der Regel begnügte wan sich, die Statuen aus den Tempeln zu entfernen und sie der öffentlichen Verehrung zu entziehen, dagegen benutzte man sie als Verzierung der öffent¬ lichen Plätze und Gebäude. Allein die alten Christen zerstörten die antiken Gebäude, zwar nicht weil sie zu zerstören wünschten, wol aber aus Bedürf¬ niß' weil sie Baumaterial, namentlich Säulen und architektonische Ornamente hauchten. Dazu wenige Worte über die Geschichte des ältesten christlichen Kirchenbaues. Versteht man unter Kirchen Gebäude, die in einem eigenthümlichen, durch Disciplin und Liturgie bestimmten Stil erbaut waren, an welche die Ver¬ achtung des Gottesdienstes mit innerer Nothwendigkeit geknüpft war. und d'e deshalb als dem Herrn geweihte Stätten betrachtet wurden, so muß man verneinen, daß es vor Konstantin in Rom Kirchen gegeben habe. Denn es s^)lec der christlichen Gemeinde die Ruhe und Sicherheit, die zur Entwicklung °mer eigenthümlichen Bauform nothwendig ist. Auch kann von den römischen Kirchen keine einzige urkundlich hoher hinauf verfolgt werden. Mit Konstan¬ tin aber beginnt die Periode des eigentlichen Kirchenbaues, und eine Reihe bedeutendsten Kirchenbauten füllt der ursprünglichen Anlage nach bereits 'u seine Zeit, so S. Giovanni in Laterans, S. Pietro in Vaticano (natür¬ lich die alte Peterskirche; die jetzige ist aus dem 16. Jahrhundert), S. Paolo fuori ^ aum. S. Croce in Gerusalemme, S. Lorenzo fuori le aura. S. Maria ^ Trastevere und andere. Als nun nach der Einführung des Christenthums "is Staatsreligion das Bedürfniß, gottesdienstliche Gebäude zu besitzen, sich ^"Njbotn, I. 1859. 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/227>, abgerufen am 24.07.2024.