Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.i- B. der alte Herr, der mit seiner Enkelin in der Welt umherzieht, wenn 27*
i- B. der alte Herr, der mit seiner Enkelin in der Welt umherzieht, wenn 27*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0221" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187173"/> <p xml:id="ID_649" prev="#ID_648"> i- B. der alte Herr, der mit seiner Enkelin in der Welt umherzieht, wenn<lb/> Jahrmarktsbuden und Aehnliches an bekannte Scenen aus Dickens er¬<lb/> innern, so haben wir in dem eigentlichen Helden des Romans (Lionel ist<lb/> nur eine Figur zweiter Classe, wie man sie allenfalls auch in W. Scotts so¬<lb/> genannten Romanhelden wiederfindet) das alte Ideal des Dichters. Guy<lb/> Darrell ist wiederum Maltravers im höheren Alter, ja fast in dem Alter<lb/> seines Dichters; aber ebenso jugendkräftig, liebcsfähig, und stolz als Mal-<lb/> Xavers in seiner aristokratischen und menschenfeindlichen Periode; seine Um¬<lb/> gebungen zittern ebenso vor ihm als vor seinem Vorgänger und seine Men¬<lb/> schenscheu ist ebenso eine Folge versetzter Sentimentalität. I asper L osely<lb/> 'se Lord Vargravc in einer niedern Sphäre; wiederum vortrefflich gezeichnet<lb/> und ein Bild, das sich der Einbildungskraft einprägt, ebenso wie seine lie¬<lb/> gende Verfolgerin, die dämonische Arabella. Ganz verfehlt ist dagegen<lb/> der „gemischte Charakter", Jaspcrs Vater, von dem eine Reihe der wider¬<lb/> sprechendsten Charakterzüge mitgetheilt werden, ohne daß man auch nur eine<lb/> Ahnung erhält, wie sie untereinander zusammenhängen. Der neue Roman<lb/> bestätigt also den Eindruck, den eine unbefangene Lectüre der frühern Werke<lb/> hervorbringt: Bulwer hat seinem eigentlichen Talent durch seine Doctrin und<lb/> durch sxjn Haschen nach geistreicher Paradoxie sehr geschadet. Sein Talent ist<lb/> g''oß in dem Entwurf einseitiger Naturen, seine Beobachtung scharf in Bezug<lb/> ^uf die gemeine Welt. Wäre er also bei seinen Charakterproblemen von ein¬<lb/> gehen Charakterbestimmungcn ausgegangen, und hätte dieselben durch den<lb/> ^abthun des Lebens, so wie durch durchgreifende Bildung zu vertiefen ge¬<lb/> weht, s„ mare es ihm besser gelungen als jetzt, wo er schon über sein eig¬<lb/> nes Problem erstaunt und dasselbe durch noch erstaunlichere Motive zu erklä¬<lb/> rn sucht. Wie er nun aber wirklich vor uns steht, gibt er uns das Bild<lb/> e>ner skeptischen Periode, welche die drei Culturvölker gleichzeitig durchgemacht<lb/> ^ben, einer Periode, die wir hoffentlich bald überwunden haben werden,<lb/> , ^ sich aber aus unserem Bildungsgang nicht wegwischen läßt, und der daher<lb/> der Literatur eine Vertretung gebührt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 27*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0221]
i- B. der alte Herr, der mit seiner Enkelin in der Welt umherzieht, wenn
Jahrmarktsbuden und Aehnliches an bekannte Scenen aus Dickens er¬
innern, so haben wir in dem eigentlichen Helden des Romans (Lionel ist
nur eine Figur zweiter Classe, wie man sie allenfalls auch in W. Scotts so¬
genannten Romanhelden wiederfindet) das alte Ideal des Dichters. Guy
Darrell ist wiederum Maltravers im höheren Alter, ja fast in dem Alter
seines Dichters; aber ebenso jugendkräftig, liebcsfähig, und stolz als Mal-
Xavers in seiner aristokratischen und menschenfeindlichen Periode; seine Um¬
gebungen zittern ebenso vor ihm als vor seinem Vorgänger und seine Men¬
schenscheu ist ebenso eine Folge versetzter Sentimentalität. I asper L osely
'se Lord Vargravc in einer niedern Sphäre; wiederum vortrefflich gezeichnet
und ein Bild, das sich der Einbildungskraft einprägt, ebenso wie seine lie¬
gende Verfolgerin, die dämonische Arabella. Ganz verfehlt ist dagegen
der „gemischte Charakter", Jaspcrs Vater, von dem eine Reihe der wider¬
sprechendsten Charakterzüge mitgetheilt werden, ohne daß man auch nur eine
Ahnung erhält, wie sie untereinander zusammenhängen. Der neue Roman
bestätigt also den Eindruck, den eine unbefangene Lectüre der frühern Werke
hervorbringt: Bulwer hat seinem eigentlichen Talent durch seine Doctrin und
durch sxjn Haschen nach geistreicher Paradoxie sehr geschadet. Sein Talent ist
g''oß in dem Entwurf einseitiger Naturen, seine Beobachtung scharf in Bezug
^uf die gemeine Welt. Wäre er also bei seinen Charakterproblemen von ein¬
gehen Charakterbestimmungcn ausgegangen, und hätte dieselben durch den
^abthun des Lebens, so wie durch durchgreifende Bildung zu vertiefen ge¬
weht, s„ mare es ihm besser gelungen als jetzt, wo er schon über sein eig¬
nes Problem erstaunt und dasselbe durch noch erstaunlichere Motive zu erklä¬
rn sucht. Wie er nun aber wirklich vor uns steht, gibt er uns das Bild
e>ner skeptischen Periode, welche die drei Culturvölker gleichzeitig durchgemacht
^ben, einer Periode, die wir hoffentlich bald überwunden haben werden,
, ^ sich aber aus unserem Bildungsgang nicht wegwischen läßt, und der daher
der Literatur eine Vertretung gebührt.
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