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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Milosch, der Sohn eines Tagelöhners Tescho im Dorfe Dobrinje und
einer Frau Wischnja, die früher mit dem Bauer Ohren verheirathet gewesen,
wurde im Jahre 1779 oder 178U geboren. Als Knabe mußte er sich mit
seinen Brüdern Jefrem und Jowan sein Brot durch Viehhüten erwerben.
Später diente er bei seinem Stiefbruder Milan Obrenowitsch als Knecht. und
als dieser, ein wohlhabender Ochsenhändler, beim Ausbruch des Kampfs
mit den Dahl den Befehl über einige Kreise erhielt, folgte ihm Milosch ins
Feld, wo er sich bald durch Klugheit und Tapferkeit einen Namen macht"-''
Milan scheint eine friedlichere Natur und wenig zum Kriegshandwerk' geeignet
gewesen zu sein, und so ging seine militärische Stelle in kurzer Zeit an
loses über, und als der Bruder 1810 im russischen Lager, wohin er als Un¬
terhändler gegangen, starb, wurde Milosch, der inzwischen Wojwode gcworde"
war und nun den Namen Obrenowitsch annahm, auch der nichtmilitäriM
Theil der Geschäfte des Verstorbenen übertragen. Im Jahre 1311 entzweit
er sich mit Kara Georg, und da er sich, vermuthlich im Vertrauen auf d>c
mit dem Türken Aschin Bej geschlossene Bundesbrüderschaft, die beide vel'
pflichtete, sich gegenseitig zu warnen, vielleicht auch in der Hoffnung, durch
Vergolden der Hände des Pascha von Belgrad Amnestie zu erlangen, ziemlich
sicher wußte, so flüchtete er 1812 nicht mit nach Oestreich, sondern legte nach
kurzem Widerstand beim Flecken Nawanje die Waffen nieder. Die TürkeN-
die durch einen Vertrag mit ihm das Land rascher beruhigen zu können glaub'
ten, nahmen seine Unterwerfung an und ließen ihm selbst seine Stelle
zweifelsohne mit dem stillen Vorbehalt, ihm bei passender Gelegenheit doch
noch den Kopf zu nehmen, wogegen Milosch sich vorbehalten mochte, ilM"
zu geeigneter Zeit das Prävenire zu spielen. Diese Zeit trat bald ein.
Türken verübten in dem eroberten Lande zahlreiche Greuel: sie führten
Maßregeln der früheren Bedrückung wieder ein, hohe Steuern, schwere Froh"'
dienste, köpften, pfählten, brieten gelegentlich den einen oder den andern
dächtigen am Bratspieß, mißhandelten die Frauen und jagten eine große Ä"'
zahl vermögender Leute von Haus und Hof in die Wälder, wo sie Rau^
wurden. Milosch wartete noch seine Zeit ab, hielt es offen mit den Tink'c"'
heimlich mit den Serben, versuchte scheinbar eine Versöhnung zwischen beide"
zu vermitteln und schritt sogar einmal mit den Waffen gegen seine Lar^'
lente ein. Endlich sah er aber ein, daß auch für ihn der Säbel oder d^
Pfahl bereit war, und so erhob er Ostern 1815 von neuem die Fahne ^
Aufstandes. Derselbe war von Erfolg begleitet. Die Türken waren uneiiNil'
ihre Paschas bestechlich. Milosch wußte beides klug zu benutzen. Er verso"
es, sich bei den Gegnern einen Rest von Vertrauen zu bewahren, ließ
chen Türken, den er hätte todten können, lentschlüpfcn. Wo es sein
nicht that, that es sein Beutel, der durch den Pacht von Steuern und


Milosch, der Sohn eines Tagelöhners Tescho im Dorfe Dobrinje und
einer Frau Wischnja, die früher mit dem Bauer Ohren verheirathet gewesen,
wurde im Jahre 1779 oder 178U geboren. Als Knabe mußte er sich mit
seinen Brüdern Jefrem und Jowan sein Brot durch Viehhüten erwerben.
Später diente er bei seinem Stiefbruder Milan Obrenowitsch als Knecht. und
als dieser, ein wohlhabender Ochsenhändler, beim Ausbruch des Kampfs
mit den Dahl den Befehl über einige Kreise erhielt, folgte ihm Milosch ins
Feld, wo er sich bald durch Klugheit und Tapferkeit einen Namen macht«-''
Milan scheint eine friedlichere Natur und wenig zum Kriegshandwerk' geeignet
gewesen zu sein, und so ging seine militärische Stelle in kurzer Zeit an
loses über, und als der Bruder 1810 im russischen Lager, wohin er als Un¬
terhändler gegangen, starb, wurde Milosch, der inzwischen Wojwode gcworde»
war und nun den Namen Obrenowitsch annahm, auch der nichtmilitäriM
Theil der Geschäfte des Verstorbenen übertragen. Im Jahre 1311 entzweit
er sich mit Kara Georg, und da er sich, vermuthlich im Vertrauen auf d>c
mit dem Türken Aschin Bej geschlossene Bundesbrüderschaft, die beide vel'
pflichtete, sich gegenseitig zu warnen, vielleicht auch in der Hoffnung, durch
Vergolden der Hände des Pascha von Belgrad Amnestie zu erlangen, ziemlich
sicher wußte, so flüchtete er 1812 nicht mit nach Oestreich, sondern legte nach
kurzem Widerstand beim Flecken Nawanje die Waffen nieder. Die TürkeN-
die durch einen Vertrag mit ihm das Land rascher beruhigen zu können glaub'
ten, nahmen seine Unterwerfung an und ließen ihm selbst seine Stelle
zweifelsohne mit dem stillen Vorbehalt, ihm bei passender Gelegenheit doch
noch den Kopf zu nehmen, wogegen Milosch sich vorbehalten mochte, ilM"
zu geeigneter Zeit das Prävenire zu spielen. Diese Zeit trat bald ein.
Türken verübten in dem eroberten Lande zahlreiche Greuel: sie führten
Maßregeln der früheren Bedrückung wieder ein, hohe Steuern, schwere Froh»'
dienste, köpften, pfählten, brieten gelegentlich den einen oder den andern
dächtigen am Bratspieß, mißhandelten die Frauen und jagten eine große Ä»'
zahl vermögender Leute von Haus und Hof in die Wälder, wo sie Rau^
wurden. Milosch wartete noch seine Zeit ab, hielt es offen mit den Tink'c"'
heimlich mit den Serben, versuchte scheinbar eine Versöhnung zwischen beide"
zu vermitteln und schritt sogar einmal mit den Waffen gegen seine Lar^'
lente ein. Endlich sah er aber ein, daß auch für ihn der Säbel oder d^
Pfahl bereit war, und so erhob er Ostern 1815 von neuem die Fahne ^
Aufstandes. Derselbe war von Erfolg begleitet. Die Türken waren uneiiNil'
ihre Paschas bestechlich. Milosch wußte beides klug zu benutzen. Er verso"
es, sich bei den Gegnern einen Rest von Vertrauen zu bewahren, ließ
chen Türken, den er hätte todten können, lentschlüpfcn. Wo es sein
nicht that, that es sein Beutel, der durch den Pacht von Steuern und


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[0204] Milosch, der Sohn eines Tagelöhners Tescho im Dorfe Dobrinje und einer Frau Wischnja, die früher mit dem Bauer Ohren verheirathet gewesen, wurde im Jahre 1779 oder 178U geboren. Als Knabe mußte er sich mit seinen Brüdern Jefrem und Jowan sein Brot durch Viehhüten erwerben. Später diente er bei seinem Stiefbruder Milan Obrenowitsch als Knecht. und als dieser, ein wohlhabender Ochsenhändler, beim Ausbruch des Kampfs mit den Dahl den Befehl über einige Kreise erhielt, folgte ihm Milosch ins Feld, wo er sich bald durch Klugheit und Tapferkeit einen Namen macht«-'' Milan scheint eine friedlichere Natur und wenig zum Kriegshandwerk' geeignet gewesen zu sein, und so ging seine militärische Stelle in kurzer Zeit an loses über, und als der Bruder 1810 im russischen Lager, wohin er als Un¬ terhändler gegangen, starb, wurde Milosch, der inzwischen Wojwode gcworde» war und nun den Namen Obrenowitsch annahm, auch der nichtmilitäriM Theil der Geschäfte des Verstorbenen übertragen. Im Jahre 1311 entzweit er sich mit Kara Georg, und da er sich, vermuthlich im Vertrauen auf d>c mit dem Türken Aschin Bej geschlossene Bundesbrüderschaft, die beide vel' pflichtete, sich gegenseitig zu warnen, vielleicht auch in der Hoffnung, durch Vergolden der Hände des Pascha von Belgrad Amnestie zu erlangen, ziemlich sicher wußte, so flüchtete er 1812 nicht mit nach Oestreich, sondern legte nach kurzem Widerstand beim Flecken Nawanje die Waffen nieder. Die TürkeN- die durch einen Vertrag mit ihm das Land rascher beruhigen zu können glaub' ten, nahmen seine Unterwerfung an und ließen ihm selbst seine Stelle zweifelsohne mit dem stillen Vorbehalt, ihm bei passender Gelegenheit doch noch den Kopf zu nehmen, wogegen Milosch sich vorbehalten mochte, ilM" zu geeigneter Zeit das Prävenire zu spielen. Diese Zeit trat bald ein. Türken verübten in dem eroberten Lande zahlreiche Greuel: sie führten Maßregeln der früheren Bedrückung wieder ein, hohe Steuern, schwere Froh»' dienste, köpften, pfählten, brieten gelegentlich den einen oder den andern dächtigen am Bratspieß, mißhandelten die Frauen und jagten eine große Ä»' zahl vermögender Leute von Haus und Hof in die Wälder, wo sie Rau^ wurden. Milosch wartete noch seine Zeit ab, hielt es offen mit den Tink'c"' heimlich mit den Serben, versuchte scheinbar eine Versöhnung zwischen beide" zu vermitteln und schritt sogar einmal mit den Waffen gegen seine Lar^' lente ein. Endlich sah er aber ein, daß auch für ihn der Säbel oder d^ Pfahl bereit war, und so erhob er Ostern 1815 von neuem die Fahne ^ Aufstandes. Derselbe war von Erfolg begleitet. Die Türken waren uneiiNil' ihre Paschas bestechlich. Milosch wußte beides klug zu benutzen. Er verso" es, sich bei den Gegnern einen Rest von Vertrauen zu bewahren, ließ chen Türken, den er hätte todten können, lentschlüpfcn. Wo es sein nicht that, that es sein Beutel, der durch den Pacht von Steuern und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/204>, abgerufen am 24.07.2024.