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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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den von den Serben im Einverständniß mit dem Pascha von Belgrad bekämpft.
Nachdem sie aber besiegt und vertrieben waren, nahm die Pforte ihre Partei.
Die Dahl kehrten zurück; verstärkt durch Freunde aus Bosnien und Albanien,
schlugen sie die Gegner in mehren Gefechten, nöthigten sie in die Wälder zu
^ehen, spießten und köpften, wen sie betrafen, und plünderten die von ihren
Bewohnern verlassenen Gehöfte. Bald indeß erholten sich die Serben von
^)re,n Schrecken, jagten die Dahl abermals aus dem Lande und nahmen auch
Festungen ein. Vergeblich beauftragte Sultan Selim erst den Pascha von
N'sah, dann die Paschas von Skutari und Bosnien mit ihrer Unterwerfung,
'^ara Georg gewann den großen Sieg bei Schabalz, und als bald nachher
Rußland der Pforte den Krieg erklärte, kam zwischen dem Sultan und den
Serben ein Vertrag zum Abschluß, in welchem den letztern beinahe die volle
uMhärigigkeit, das Recht, die Festungen zu besehen und eine eigne Regie-
^'Ug zugestanden wurde. Ein jährlicher Tribut von 1800 Beuteln (400,000
v"-) und die Suzerünetät war alles, was der Unterhändler der Pforte dieser
^'behielt. Der Vertrag wurde in Konstantinopel zwar nicht ratificirt, aber
>e Serben wußten sich selbst zu helfen, und im Juni 1807 waren sie im
^sitz nicht blos des platten Landes, sondern auch aller Festungen des Pascha-
l'ks Belgrad.

Weniger glücklich war man mit der Aufgabe, dem Lande eine feste Or¬
ganisation zu geben. Kara Georg war thatsächlich Herrscher, außerdem gab
°s einen Senat, der aus Vertretern der zwölf Kreise des Landes bestand, und
^ure Wojwodenversammlung, die alljährlich zusammentrat, um über wichtigere
^'"gen ihre Stimme abzugeben. Aber die Eifersucht der Wojwoden weigerte
"H. Kara Georg als Fürsten anzuerkennen, und dieser wieder hielt sich nur
c>, wo er mußte, an den Willen der Landesvertretung. Ein Kriegszug nach
niam, den Kara Georg 1800 unternahm, lies unglücklich ab und würde
der Vernichtung des serbischen Heeres geendigt haben, wenn ihnen nicht
neuer russisch-türkischer Krieg zu Hilfe gekommen wäre. Der Friede vonBos
Mit
ein
Bukarest ordnete auch die serbische Frage: er verbürgte den Serben die we-
"uichstcu Forderungen innerer Unabhängigkeit, doch mußten sie sich beque¬
mn, in ihre Festungen türkische Garnisonen aufzunehmen.

> Wie früher war es der Druck Rußlands gewesen, der Serbien die Aner-
Ninung seiner Unabhängigkeit von Seiten der Pforte verschafft hatte. Als
'°ste Druck bei Napoleons Einrücken in Nußland aufhörte, bereute der Sul-
seine Nachgiebigkeit. Ein starkes Türk'cnhecr zog gegen Serbien heran,
nach einem viermonatlicher Kampfe war das ganze Land in seiner Ge-
"le. Die Wojwoden. auch Karn Georg, flohen auf östreichischen Boden;
einer blieb zurück, Milosch Obrenowitsch, der in der Folge die Erbschaft
lieu'n , ' " '
Georgs anzutreten bestimmt war.


^renzboten I. 1859, 25

den von den Serben im Einverständniß mit dem Pascha von Belgrad bekämpft.
Nachdem sie aber besiegt und vertrieben waren, nahm die Pforte ihre Partei.
Die Dahl kehrten zurück; verstärkt durch Freunde aus Bosnien und Albanien,
schlugen sie die Gegner in mehren Gefechten, nöthigten sie in die Wälder zu
^ehen, spießten und köpften, wen sie betrafen, und plünderten die von ihren
Bewohnern verlassenen Gehöfte. Bald indeß erholten sich die Serben von
^)re,n Schrecken, jagten die Dahl abermals aus dem Lande und nahmen auch
Festungen ein. Vergeblich beauftragte Sultan Selim erst den Pascha von
N'sah, dann die Paschas von Skutari und Bosnien mit ihrer Unterwerfung,
'^ara Georg gewann den großen Sieg bei Schabalz, und als bald nachher
Rußland der Pforte den Krieg erklärte, kam zwischen dem Sultan und den
Serben ein Vertrag zum Abschluß, in welchem den letztern beinahe die volle
uMhärigigkeit, das Recht, die Festungen zu besehen und eine eigne Regie-
^'Ug zugestanden wurde. Ein jährlicher Tribut von 1800 Beuteln (400,000
v"-) und die Suzerünetät war alles, was der Unterhändler der Pforte dieser
^'behielt. Der Vertrag wurde in Konstantinopel zwar nicht ratificirt, aber
>e Serben wußten sich selbst zu helfen, und im Juni 1807 waren sie im
^sitz nicht blos des platten Landes, sondern auch aller Festungen des Pascha-
l'ks Belgrad.

Weniger glücklich war man mit der Aufgabe, dem Lande eine feste Or¬
ganisation zu geben. Kara Georg war thatsächlich Herrscher, außerdem gab
°s einen Senat, der aus Vertretern der zwölf Kreise des Landes bestand, und
^ure Wojwodenversammlung, die alljährlich zusammentrat, um über wichtigere
^'"gen ihre Stimme abzugeben. Aber die Eifersucht der Wojwoden weigerte
"H. Kara Georg als Fürsten anzuerkennen, und dieser wieder hielt sich nur
c>, wo er mußte, an den Willen der Landesvertretung. Ein Kriegszug nach
niam, den Kara Georg 1800 unternahm, lies unglücklich ab und würde
der Vernichtung des serbischen Heeres geendigt haben, wenn ihnen nicht
neuer russisch-türkischer Krieg zu Hilfe gekommen wäre. Der Friede vonBos
Mit
ein
Bukarest ordnete auch die serbische Frage: er verbürgte den Serben die we-
"uichstcu Forderungen innerer Unabhängigkeit, doch mußten sie sich beque¬
mn, in ihre Festungen türkische Garnisonen aufzunehmen.

> Wie früher war es der Druck Rußlands gewesen, der Serbien die Aner-
Ninung seiner Unabhängigkeit von Seiten der Pforte verschafft hatte. Als
'°ste Druck bei Napoleons Einrücken in Nußland aufhörte, bereute der Sul-
seine Nachgiebigkeit. Ein starkes Türk'cnhecr zog gegen Serbien heran,
nach einem viermonatlicher Kampfe war das ganze Land in seiner Ge-
"le. Die Wojwoden. auch Karn Georg, flohen auf östreichischen Boden;
einer blieb zurück, Milosch Obrenowitsch, der in der Folge die Erbschaft
lieu'n , ' " '
Georgs anzutreten bestimmt war.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/203>, abgerufen am 24.07.2024.