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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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konnten andere Verdienste für sich anführen, und wenn sie deren keine hatten,
>o hatten sie Dukaten, mit denen man in Slawen- und Türkentauber auch
^'nee noch erfolgreicher speculirt, als mit anderen Verdienst. Milosch hatte,
so weit er konnte, als Pascha regiert, die Verfassung, so lange er vermochte,
"vn sich fern gehalten, den Adel beschränkt, das Volk durch Monopole beein¬
trächtigt. In seiner Jugend Ochsenhändlerknccht, hatte er sich, als er ins
^'>l ging, ein Vermögen erübrigt, welches auf mindestens zwanzig Millionen
dulden veranschlagt wird -- alles Dinge, die nach unsern Begriffen einem
Staatsoberhaupt nicht wohl anstehn. serbische Begriffe aber sind ungleich
den Begriffen civilisirter Volker. Der slawische Geist, insbesondere der Geist
>e"er Halbwilden an der unterm Donau. welche Jahrhunderte unter türkischer
Zucht standen und dabei bis aus den Glauben und die Sprache zu Türken
wurden, empfindet ein Pascharegiment, wenn es von einem Glaubens- und
Stanungenosscn geübt wird, keineswegs übel, er findet es sogar in der Ord¬
nung, s^de nichts Unanständiges darin, wenn ein Machthaber sich "die
Hand vergolden läßt", nichts Ungehöriges, wenn er sie andern vergoldet.
^e"n gegen Willkür Opposition gemacht wird, so ist es nur aus persönlichen
Zünder, nur. um einen Pascha, einen Despoten dnrch einen andern zu er¬
setzen. Ci,^ Verfassung hat hier stets zur Folge einen polnischen Reichstag.
^ Bauer versteht sie nicht, mag sie nicht, mag sie so wenig wie vom Staat
^erhaltene Schulen und Spitäler und andere geldkostendc Neuerungen und
Störungen seiner primitiven.Existenz. Die Woiwoden betrachten sie lediglich
Mittel zur Anknüpfung und Forderung von Intriguen zu Zwecken der
' elbstsucht. Von der Bedeutung eines Staats, von Pflichten gegen denselben
^ß man so gut wie nichts, und so findet man auch an dem Bestreben eines
pursten sich zu bereichern nichts auszusetzen, es wäre denn, daß er allzu direct
^ gar zu tief in den Beutel des Volkes griffe. So war es im alten Po-
so im neuen Hellas, so im Numänenlande, so früher und bis heute in
Serbien.

her damit nur erklärt, weshalb die Serben dem alten Milosch seine frü-
Mißregierung "erziehn, oder weshalb sie ihm eigentlich nichts zu ver-
so kommt dazu noch ein anderes Moment. Milosch hat, nach-
. ^ die vom schwarzen Georg errungene Befreiung vom Türkenjoch wieder
man wordeu, dem Lande die Unabhängigkeit von neuem erkämpft. Er
^ nationale Held der Serben, die personificirte Türkenfeindschaft in den
^'gen des orthodox und national gesinnten gemeinen Volkes. In seinem
Uein"°" Nuhm. Es ist ihm, um Großes mit Klei-
SU vergleichen, in gewissem Sinn ergangen wie der Dynastie Napoleon.
^> nur die Maße sind kleiner, die Formen roher. Hier wie dort waren es
untern Classen, das allgemeine Stimmrecht, die Bauer", welche den Aus-


konnten andere Verdienste für sich anführen, und wenn sie deren keine hatten,
>o hatten sie Dukaten, mit denen man in Slawen- und Türkentauber auch
^'nee noch erfolgreicher speculirt, als mit anderen Verdienst. Milosch hatte,
so weit er konnte, als Pascha regiert, die Verfassung, so lange er vermochte,
"vn sich fern gehalten, den Adel beschränkt, das Volk durch Monopole beein¬
trächtigt. In seiner Jugend Ochsenhändlerknccht, hatte er sich, als er ins
^'>l ging, ein Vermögen erübrigt, welches auf mindestens zwanzig Millionen
dulden veranschlagt wird — alles Dinge, die nach unsern Begriffen einem
Staatsoberhaupt nicht wohl anstehn. serbische Begriffe aber sind ungleich
den Begriffen civilisirter Volker. Der slawische Geist, insbesondere der Geist
>e»er Halbwilden an der unterm Donau. welche Jahrhunderte unter türkischer
Zucht standen und dabei bis aus den Glauben und die Sprache zu Türken
wurden, empfindet ein Pascharegiment, wenn es von einem Glaubens- und
Stanungenosscn geübt wird, keineswegs übel, er findet es sogar in der Ord¬
nung, s^de nichts Unanständiges darin, wenn ein Machthaber sich „die
Hand vergolden läßt", nichts Ungehöriges, wenn er sie andern vergoldet.
^e»n gegen Willkür Opposition gemacht wird, so ist es nur aus persönlichen
Zünder, nur. um einen Pascha, einen Despoten dnrch einen andern zu er¬
setzen. Ci,^ Verfassung hat hier stets zur Folge einen polnischen Reichstag.
^ Bauer versteht sie nicht, mag sie nicht, mag sie so wenig wie vom Staat
^erhaltene Schulen und Spitäler und andere geldkostendc Neuerungen und
Störungen seiner primitiven.Existenz. Die Woiwoden betrachten sie lediglich
Mittel zur Anknüpfung und Forderung von Intriguen zu Zwecken der
' elbstsucht. Von der Bedeutung eines Staats, von Pflichten gegen denselben
^ß man so gut wie nichts, und so findet man auch an dem Bestreben eines
pursten sich zu bereichern nichts auszusetzen, es wäre denn, daß er allzu direct
^ gar zu tief in den Beutel des Volkes griffe. So war es im alten Po-
so im neuen Hellas, so im Numänenlande, so früher und bis heute in
Serbien.

her damit nur erklärt, weshalb die Serben dem alten Milosch seine frü-
Mißregierung »erziehn, oder weshalb sie ihm eigentlich nichts zu ver-
so kommt dazu noch ein anderes Moment. Milosch hat, nach-
. ^ die vom schwarzen Georg errungene Befreiung vom Türkenjoch wieder
man wordeu, dem Lande die Unabhängigkeit von neuem erkämpft. Er
^ nationale Held der Serben, die personificirte Türkenfeindschaft in den
^'gen des orthodox und national gesinnten gemeinen Volkes. In seinem
Uein"°" Nuhm. Es ist ihm, um Großes mit Klei-
SU vergleichen, in gewissem Sinn ergangen wie der Dynastie Napoleon.
^> nur die Maße sind kleiner, die Formen roher. Hier wie dort waren es
untern Classen, das allgemeine Stimmrecht, die Bauer», welche den Aus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/201>, abgerufen am 24.07.2024.