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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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praktisch anerkannt wird. Was der Unterrichtsminister und der Präsident
Miklosich in ihren Reden andeuteten, was Halm in seinem Toast auf die
östreichischen Seminare aussprach, wirkte unwillkürlich auch als Triebfeder
in dem Eifer, mit dem man in den Sitzungen Proben einer methodischen
Behandlung der Schriftsteller zu geben suchte.

So begreiflich dies ist. so lag doch darin eine Einseitigkeit. Me die
Verhandlungen waren, ruhten sie auf der mehr oder minder bewußten Vor¬
aussetzung, daß bei der erstrebten Gemeinsamkeit Oestreich einzig der empfan-
Mide° das philologisch geschulte Deutschland der gebende Theil sei. und es
sollte uns nicht wundern wenn das hier und da verletzt hätte. Die Festrede
des Grafen Thun ließ die Sache mehr im Lichte der Gegenseitigkeit erscheinen,
'ndem sie auf die noch ""ausgebeuteten Schätze römischer Alterthümer in
Siebenbürgen, Ungarn. Dalmatien. Jstrien hinwies, welche Oestreich neben
seinem Sprachenreichthum der Philologie gleichsam als Aequivalent biete.
Trifft auch der Begriff eines Aequivalents nicht durchaus zu. so ist der
no.unnentale Reichthum des östreichische" Bodens jedenfalls ein Moment,
das schon um des daran sich knüpfenden Interesses der Bewohner willen n.ehe
"ußer Auge" gesetzt werden darf, wenn das Ziel erreicht werden soll; aber
für die wiener Sitzungen war er nicht vorhanden. Und doch kam es auch
Halms Bericht zur Erwähnung, welche Erweiterung die Kenntniß des la¬
unische" Sprachschatzes vo" Ritschls und Mommsens bald vollendeten epi-
graphischen Arbeiten'zu erwarte" liabe. u"d Mommsen hatte ror weniger
"is Jahresfrist einen großen Theil des Kaiserstaats durchwandert, um Ju¬
risten zu sammeln. Sollte außerdem die hier n"d da gemachte Beobach¬
tung, daß Süddeutsche vermöge der in ihnen stärker wirkenden Anschauung
v°'hältnißmüßig einen lebhafteren Zug zu archäologischer Beschäftigung haben
norddeutsche, nicht vielleicht auch ans die Oestreicher Anwendung finden?
Und wenn, läge dann nicht auch darin ein Mittel, das selbstthätige Studium
d°s Alterthums bei ihnen zu wecken? Wir wünschen auf das dringendste.
im Lause ctuiger Jahre einmal wieder in ni"er östreichischen Stadt eine
Philvlogenversammlung sich vereinigt und das auf der vorigen mit so vieler
?arn,e hingestellte Ideal der Verwirklichung um einen Schritt näher gerückt
s'ndet: als ein erfreuliches Zeichen davon würden wir es begrüßen, wenn
^"n "eben geschulten Erklärern alter Schriftsteller aus beiden Ländern ge¬
borene Oestreichs aufträten. die im wissenschaftlichen Geiste von den Museen
Ungarns, den Inschriften Siebenbürgens oder den architektonischen Resten
Salonas und Polas berichteten.




praktisch anerkannt wird. Was der Unterrichtsminister und der Präsident
Miklosich in ihren Reden andeuteten, was Halm in seinem Toast auf die
östreichischen Seminare aussprach, wirkte unwillkürlich auch als Triebfeder
in dem Eifer, mit dem man in den Sitzungen Proben einer methodischen
Behandlung der Schriftsteller zu geben suchte.

So begreiflich dies ist. so lag doch darin eine Einseitigkeit. Me die
Verhandlungen waren, ruhten sie auf der mehr oder minder bewußten Vor¬
aussetzung, daß bei der erstrebten Gemeinsamkeit Oestreich einzig der empfan-
Mide° das philologisch geschulte Deutschland der gebende Theil sei. und es
sollte uns nicht wundern wenn das hier und da verletzt hätte. Die Festrede
des Grafen Thun ließ die Sache mehr im Lichte der Gegenseitigkeit erscheinen,
'ndem sie auf die noch »»ausgebeuteten Schätze römischer Alterthümer in
Siebenbürgen, Ungarn. Dalmatien. Jstrien hinwies, welche Oestreich neben
seinem Sprachenreichthum der Philologie gleichsam als Aequivalent biete.
Trifft auch der Begriff eines Aequivalents nicht durchaus zu. so ist der
no.unnentale Reichthum des östreichische« Bodens jedenfalls ein Moment,
das schon um des daran sich knüpfenden Interesses der Bewohner willen n.ehe
"ußer Auge» gesetzt werden darf, wenn das Ziel erreicht werden soll; aber
für die wiener Sitzungen war er nicht vorhanden. Und doch kam es auch
Halms Bericht zur Erwähnung, welche Erweiterung die Kenntniß des la¬
unische» Sprachschatzes vo» Ritschls und Mommsens bald vollendeten epi-
graphischen Arbeiten'zu erwarte» liabe. u»d Mommsen hatte ror weniger
"is Jahresfrist einen großen Theil des Kaiserstaats durchwandert, um Ju¬
risten zu sammeln. Sollte außerdem die hier n»d da gemachte Beobach¬
tung, daß Süddeutsche vermöge der in ihnen stärker wirkenden Anschauung
v°'hältnißmüßig einen lebhafteren Zug zu archäologischer Beschäftigung haben
norddeutsche, nicht vielleicht auch ans die Oestreicher Anwendung finden?
Und wenn, läge dann nicht auch darin ein Mittel, das selbstthätige Studium
d°s Alterthums bei ihnen zu wecken? Wir wünschen auf das dringendste.
im Lause ctuiger Jahre einmal wieder in ni»er östreichischen Stadt eine
Philvlogenversammlung sich vereinigt und das auf der vorigen mit so vieler
?arn,e hingestellte Ideal der Verwirklichung um einen Schritt näher gerückt
s'ndet: als ein erfreuliches Zeichen davon würden wir es begrüßen, wenn
^"n »eben geschulten Erklärern alter Schriftsteller aus beiden Ländern ge¬
borene Oestreichs aufträten. die im wissenschaftlichen Geiste von den Museen
Ungarns, den Inschriften Siebenbürgens oder den architektonischen Resten
Salonas und Polas berichteten.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/199>, abgerufen am 24.07.2024.