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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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selben Local gehalten, welches 1848 unter dem Namen der wiener Aula eine
s" eigenthümliche Berühmtheit erhalten hat. dem gegenwärtigen Festsaal der
Akademie der Wissenschaften: Graf Thun wohnte ihnen von Anfang bis Ende
bei. Die Eröffnungsrede des Präsidenten, des rühmlichst bekannten Slawistcn
Miklosich. bewegte'sich um das Verhältniß der classischen Philologie zu den
modernen Philologien und hob den reichen Gewinn hervor, welchen die erstere
mit ihrer fest ausgeprägten kritisch - hermeneutischcn Methode ihren jüngeren
Schwestern bringe. Hierauf berichtete Halm aus München über den 'NresÄU-
i'us Imgu^a l^til^v, der unter der Oberleitung eines aus ihm. Ritschl und
Fleckeisen bestehenden Comites von Franz Bücheler herausgegeben werden soll.
Die Gründung eines auf neuer selbstständiger Durchforschung der Schriftsteller
^ruhenden, den ganzen lateinischen Sprachschatz von den ältesten Zeiten bis
"uf die Mitte des sechsten Jahrhunderts nach Christus umfassenden Lexikons
ist längst ein Bedürfniß der fortgeschrittenen Wissenschaft; jedoch sind, um es
"u erfüllen, große Geldmittel und ausgedehnte Vorarbeiten vieler erforderlich.
Augenblicklich ist die Beschaffung der erster" wenigstens in so weit gesichert,
daß der Versuchter Ausführung gemacht werben kann, indem der regierende
König von Baiern eine Summe von zehntausend Gulden dafür aus seiner
Cabinctskasse angewiesen hat und die Gewinnung eines thätigen Verlegers
in Aussicht steht;' daß die letzteren zu Stande kommen, muß vor allem durch
"ne nichtige Theilung der Arbeit unter den Fachgenossen erreicht werden. Auf
SpcciallcM zu wichtigeren Schriftstellern. Auszüge aus minder wichtigen
kommt es zunächst an; für manche sind auch noch kritisch berichtigte Texte her¬
zustellen. Dergleichen theils selbst zu übernehmen, theils nach Möglichkeit an¬
legen und zu fördern, damit das große Ganze gelinge, legte der Redner
^'n Versammelten dringend an das Herz und verband damit den sehr berech¬
nen Wunsch, daß auch das Beispiel des Königs von Baiern anderweitig in
Agierenden Kreisen Nachahmung finden möge. Ohne Zweifel verspricht dieses
^ert. wenn es dem gemachten Plane gemäß zur Ausführung gelangt, das
bedeutendste Denkmal zu werden, das die deutsche Philologie des 19. Jahr¬
hunderts sich stiftet; ohne Zweifel war seine Empfehlung der weitaus wich¬
tigste Gegenstand, der einem Philologencongreß vorgelegt werden konnte, um
^ mehr da dabei an eiuer gut geregelten Vereinigung der Kräfte nicht we¬
niger als alles gelegen ist. Nichts natürlicher daher, als daß das Präsidium
der Zeitfolge diesem vor allen andern den Vorrang gab; und dennoch
Mitten wir fast gewünscht, es wäre nicht geschehn. Wenn schon alle Ver¬
sammlungen einer gewissen Zeit bedürfen, um die erste Sprödigkeit zu über¬
winden und Gcmeinsamkeitsgefühl und Empfänglichkeit in sich auszubilden,
'° war dies, wie schou hinsichtlich der Geselligkeit erwähnt wurde, bei einer
'° bunt gemischten ganz besonders der Fall. Wir meinen nicht, daß die su-


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selben Local gehalten, welches 1848 unter dem Namen der wiener Aula eine
s" eigenthümliche Berühmtheit erhalten hat. dem gegenwärtigen Festsaal der
Akademie der Wissenschaften: Graf Thun wohnte ihnen von Anfang bis Ende
bei. Die Eröffnungsrede des Präsidenten, des rühmlichst bekannten Slawistcn
Miklosich. bewegte'sich um das Verhältniß der classischen Philologie zu den
modernen Philologien und hob den reichen Gewinn hervor, welchen die erstere
mit ihrer fest ausgeprägten kritisch - hermeneutischcn Methode ihren jüngeren
Schwestern bringe. Hierauf berichtete Halm aus München über den 'NresÄU-
i'us Imgu^a l^til^v, der unter der Oberleitung eines aus ihm. Ritschl und
Fleckeisen bestehenden Comites von Franz Bücheler herausgegeben werden soll.
Die Gründung eines auf neuer selbstständiger Durchforschung der Schriftsteller
^ruhenden, den ganzen lateinischen Sprachschatz von den ältesten Zeiten bis
"uf die Mitte des sechsten Jahrhunderts nach Christus umfassenden Lexikons
ist längst ein Bedürfniß der fortgeschrittenen Wissenschaft; jedoch sind, um es
»u erfüllen, große Geldmittel und ausgedehnte Vorarbeiten vieler erforderlich.
Augenblicklich ist die Beschaffung der erster» wenigstens in so weit gesichert,
daß der Versuchter Ausführung gemacht werben kann, indem der regierende
König von Baiern eine Summe von zehntausend Gulden dafür aus seiner
Cabinctskasse angewiesen hat und die Gewinnung eines thätigen Verlegers
in Aussicht steht;' daß die letzteren zu Stande kommen, muß vor allem durch
"ne nichtige Theilung der Arbeit unter den Fachgenossen erreicht werden. Auf
SpcciallcM zu wichtigeren Schriftstellern. Auszüge aus minder wichtigen
kommt es zunächst an; für manche sind auch noch kritisch berichtigte Texte her¬
zustellen. Dergleichen theils selbst zu übernehmen, theils nach Möglichkeit an¬
legen und zu fördern, damit das große Ganze gelinge, legte der Redner
^'n Versammelten dringend an das Herz und verband damit den sehr berech¬
nen Wunsch, daß auch das Beispiel des Königs von Baiern anderweitig in
Agierenden Kreisen Nachahmung finden möge. Ohne Zweifel verspricht dieses
^ert. wenn es dem gemachten Plane gemäß zur Ausführung gelangt, das
bedeutendste Denkmal zu werden, das die deutsche Philologie des 19. Jahr¬
hunderts sich stiftet; ohne Zweifel war seine Empfehlung der weitaus wich¬
tigste Gegenstand, der einem Philologencongreß vorgelegt werden konnte, um
^ mehr da dabei an eiuer gut geregelten Vereinigung der Kräfte nicht we¬
niger als alles gelegen ist. Nichts natürlicher daher, als daß das Präsidium
der Zeitfolge diesem vor allen andern den Vorrang gab; und dennoch
Mitten wir fast gewünscht, es wäre nicht geschehn. Wenn schon alle Ver¬
sammlungen einer gewissen Zeit bedürfen, um die erste Sprödigkeit zu über¬
winden und Gcmeinsamkeitsgefühl und Empfänglichkeit in sich auszubilden,
'° war dies, wie schou hinsichtlich der Geselligkeit erwähnt wurde, bei einer
'° bunt gemischten ganz besonders der Fall. Wir meinen nicht, daß die su-


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[0197] selben Local gehalten, welches 1848 unter dem Namen der wiener Aula eine s" eigenthümliche Berühmtheit erhalten hat. dem gegenwärtigen Festsaal der Akademie der Wissenschaften: Graf Thun wohnte ihnen von Anfang bis Ende bei. Die Eröffnungsrede des Präsidenten, des rühmlichst bekannten Slawistcn Miklosich. bewegte'sich um das Verhältniß der classischen Philologie zu den modernen Philologien und hob den reichen Gewinn hervor, welchen die erstere mit ihrer fest ausgeprägten kritisch - hermeneutischcn Methode ihren jüngeren Schwestern bringe. Hierauf berichtete Halm aus München über den 'NresÄU- i'us Imgu^a l^til^v, der unter der Oberleitung eines aus ihm. Ritschl und Fleckeisen bestehenden Comites von Franz Bücheler herausgegeben werden soll. Die Gründung eines auf neuer selbstständiger Durchforschung der Schriftsteller ^ruhenden, den ganzen lateinischen Sprachschatz von den ältesten Zeiten bis "uf die Mitte des sechsten Jahrhunderts nach Christus umfassenden Lexikons ist längst ein Bedürfniß der fortgeschrittenen Wissenschaft; jedoch sind, um es »u erfüllen, große Geldmittel und ausgedehnte Vorarbeiten vieler erforderlich. Augenblicklich ist die Beschaffung der erster» wenigstens in so weit gesichert, daß der Versuchter Ausführung gemacht werben kann, indem der regierende König von Baiern eine Summe von zehntausend Gulden dafür aus seiner Cabinctskasse angewiesen hat und die Gewinnung eines thätigen Verlegers in Aussicht steht;' daß die letzteren zu Stande kommen, muß vor allem durch "ne nichtige Theilung der Arbeit unter den Fachgenossen erreicht werden. Auf SpcciallcM zu wichtigeren Schriftstellern. Auszüge aus minder wichtigen kommt es zunächst an; für manche sind auch noch kritisch berichtigte Texte her¬ zustellen. Dergleichen theils selbst zu übernehmen, theils nach Möglichkeit an¬ legen und zu fördern, damit das große Ganze gelinge, legte der Redner ^'n Versammelten dringend an das Herz und verband damit den sehr berech¬ nen Wunsch, daß auch das Beispiel des Königs von Baiern anderweitig in Agierenden Kreisen Nachahmung finden möge. Ohne Zweifel verspricht dieses ^ert. wenn es dem gemachten Plane gemäß zur Ausführung gelangt, das bedeutendste Denkmal zu werden, das die deutsche Philologie des 19. Jahr¬ hunderts sich stiftet; ohne Zweifel war seine Empfehlung der weitaus wich¬ tigste Gegenstand, der einem Philologencongreß vorgelegt werden konnte, um ^ mehr da dabei an eiuer gut geregelten Vereinigung der Kräfte nicht we¬ niger als alles gelegen ist. Nichts natürlicher daher, als daß das Präsidium der Zeitfolge diesem vor allen andern den Vorrang gab; und dennoch Mitten wir fast gewünscht, es wäre nicht geschehn. Wenn schon alle Ver¬ sammlungen einer gewissen Zeit bedürfen, um die erste Sprödigkeit zu über¬ winden und Gcmeinsamkeitsgefühl und Empfänglichkeit in sich auszubilden, '° war dies, wie schou hinsichtlich der Geselligkeit erwähnt wurde, bei einer '° bunt gemischten ganz besonders der Fall. Wir meinen nicht, daß die su- 24*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/197>, abgerufen am 24.07.2024.