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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Möchte mau vor dieser Heiligen nicht gleich anbetend niederfallen? Und
es geschieht in der That! -- Es war doch ein schönes Zeitalter, das Zeit¬
alter der schönen Seelen!

"Wie der Sklave, der seiner Ketten entledigt," kehrt sie jetzt zu ihren
frühern Beschäftigungen zurück; sie nimmt von den verschiedensten Seiten Hul¬
digungen um. prüft'und erwägt vielfach. "Ich kann nur das Unbehagliche
eines solchen Zustandes denken; die Seele nimmt darin nur schwankend und'
undeutlich die Umrisse der Gegenstande auf, die sich uns darstellen. Die
Gründe, welche unsere Handlungen bestimmen sollen, verschwinden mit den
wichtigsten Zweifeln; wir können uus aus die Wahrheit der Bilder, welche
dieser Spiegel zurückwirft, so wenig als auf die verlassen, die eine bewegte
Quelle uns zeigt." -- Ein gewisser Gerson, der Hingebcndste unter den
Anbetern, wird vorgezogen; aber auch ihn behandelt Elisabeth zweideutig.
-.Auch die besten Männer, schreibt Meta, verblendet der Egoismus in ihren
Forderungen, und die vorzüglichsten Menschen haben Seiten, die wir nicht
sur gegen sie selbst und noch weniger gegen andere berühren mögen. Indeß
hattest du ihm bei der jetzigen Lüge der Dinge die Eisersucht gegen einen an¬
dern lullig ersparen sollen. ' O meine Elisabeth, kannst auch du dich ganz
"an dem Tadel deines eignen Herzens freisprechen? Hast du. indem du blos
den Eingebungen einer schmerzlich errungenen Klugheit gefolgt, dir nicht viel¬
leicht das Ansehn der Ettelkeit. des Leichtsinns gegeben?" Der Bruch erfolgt,
"ber noch nach demselben schreibt Gerson an Elisabeth: "Werden Sie etwa
^ in eine Lage geworfen, in der Sie einen Freund brauchen, der Leben,
Glück und Ruhe für Sie aufzuopfern im Stande sein muß. so vergessen Sie
U'ehe, daß ich so lange meine unsterbliche Seele dauert, Sie höher schätze
"is Ehre, Glück und Leben." -- Mehr als die Ehre! Das ist der
Recht,,

Noch Einiges aus den Fragmenten.

..Es liegt in der menschlichen Seele, daß wir nur für das Interesse ge¬
winnen, wovon wir uns sagen können, es ist unser Werk. Ueberall aber for¬
dert der Mann, überall greift er unsern Einrichtungen vor; er denkt für uns
"ud oft ohne Erklärung.' warum er so und nicht anders denkt, verlangt er,
d"b wir seinem Willen den unsrigen unterwerfen. Die Herrschaft der Männer
ouest uns sorglos; außerdem lieben wir nie, wo wir beherrscht werden, (? ?)
hier, kann weder unsere Neigung noch unsere unterdrückte Ehrbegierde
^nten, und wir müßten mehr Philosophie haben, oder weniger als Menschen
^u- um unsere Pflichten mit Freudigkeit zu erfüllen."

..Warum sind so viele Frauen so wenig häuslich? Vielleicht wen sie -
^'"'n sie ihre Mäuner zu lieben fortführen - doch eine Zeit lang durch dle
^'Sießnngcn eines immer vollen Herzens so verwöhnt werden, daß sie spütcr-


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Möchte mau vor dieser Heiligen nicht gleich anbetend niederfallen? Und
es geschieht in der That! — Es war doch ein schönes Zeitalter, das Zeit¬
alter der schönen Seelen!

„Wie der Sklave, der seiner Ketten entledigt," kehrt sie jetzt zu ihren
frühern Beschäftigungen zurück; sie nimmt von den verschiedensten Seiten Hul¬
digungen um. prüft'und erwägt vielfach. „Ich kann nur das Unbehagliche
eines solchen Zustandes denken; die Seele nimmt darin nur schwankend und'
undeutlich die Umrisse der Gegenstande auf, die sich uns darstellen. Die
Gründe, welche unsere Handlungen bestimmen sollen, verschwinden mit den
wichtigsten Zweifeln; wir können uus aus die Wahrheit der Bilder, welche
dieser Spiegel zurückwirft, so wenig als auf die verlassen, die eine bewegte
Quelle uns zeigt." — Ein gewisser Gerson, der Hingebcndste unter den
Anbetern, wird vorgezogen; aber auch ihn behandelt Elisabeth zweideutig.
-.Auch die besten Männer, schreibt Meta, verblendet der Egoismus in ihren
Forderungen, und die vorzüglichsten Menschen haben Seiten, die wir nicht
sur gegen sie selbst und noch weniger gegen andere berühren mögen. Indeß
hattest du ihm bei der jetzigen Lüge der Dinge die Eisersucht gegen einen an¬
dern lullig ersparen sollen. ' O meine Elisabeth, kannst auch du dich ganz
"an dem Tadel deines eignen Herzens freisprechen? Hast du. indem du blos
den Eingebungen einer schmerzlich errungenen Klugheit gefolgt, dir nicht viel¬
leicht das Ansehn der Ettelkeit. des Leichtsinns gegeben?" Der Bruch erfolgt,
"ber noch nach demselben schreibt Gerson an Elisabeth: „Werden Sie etwa
^ in eine Lage geworfen, in der Sie einen Freund brauchen, der Leben,
Glück und Ruhe für Sie aufzuopfern im Stande sein muß. so vergessen Sie
U'ehe, daß ich so lange meine unsterbliche Seele dauert, Sie höher schätze
"is Ehre, Glück und Leben." — Mehr als die Ehre! Das ist der
Recht,,

Noch Einiges aus den Fragmenten.

..Es liegt in der menschlichen Seele, daß wir nur für das Interesse ge¬
winnen, wovon wir uns sagen können, es ist unser Werk. Ueberall aber for¬
dert der Mann, überall greift er unsern Einrichtungen vor; er denkt für uns
"ud oft ohne Erklärung.' warum er so und nicht anders denkt, verlangt er,
d"b wir seinem Willen den unsrigen unterwerfen. Die Herrschaft der Männer
ouest uns sorglos; außerdem lieben wir nie, wo wir beherrscht werden, (? ?)
hier, kann weder unsere Neigung noch unsere unterdrückte Ehrbegierde
^nten, und wir müßten mehr Philosophie haben, oder weniger als Menschen
^u- um unsere Pflichten mit Freudigkeit zu erfüllen."

..Warum sind so viele Frauen so wenig häuslich? Vielleicht wen sie -
^'"'n sie ihre Mäuner zu lieben fortführen - doch eine Zeit lang durch dle
^'Sießnngcn eines immer vollen Herzens so verwöhnt werden, daß sie spütcr-


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[0189] Möchte mau vor dieser Heiligen nicht gleich anbetend niederfallen? Und es geschieht in der That! — Es war doch ein schönes Zeitalter, das Zeit¬ alter der schönen Seelen! „Wie der Sklave, der seiner Ketten entledigt," kehrt sie jetzt zu ihren frühern Beschäftigungen zurück; sie nimmt von den verschiedensten Seiten Hul¬ digungen um. prüft'und erwägt vielfach. „Ich kann nur das Unbehagliche eines solchen Zustandes denken; die Seele nimmt darin nur schwankend und' undeutlich die Umrisse der Gegenstande auf, die sich uns darstellen. Die Gründe, welche unsere Handlungen bestimmen sollen, verschwinden mit den wichtigsten Zweifeln; wir können uus aus die Wahrheit der Bilder, welche dieser Spiegel zurückwirft, so wenig als auf die verlassen, die eine bewegte Quelle uns zeigt." — Ein gewisser Gerson, der Hingebcndste unter den Anbetern, wird vorgezogen; aber auch ihn behandelt Elisabeth zweideutig. -.Auch die besten Männer, schreibt Meta, verblendet der Egoismus in ihren Forderungen, und die vorzüglichsten Menschen haben Seiten, die wir nicht sur gegen sie selbst und noch weniger gegen andere berühren mögen. Indeß hattest du ihm bei der jetzigen Lüge der Dinge die Eisersucht gegen einen an¬ dern lullig ersparen sollen. ' O meine Elisabeth, kannst auch du dich ganz "an dem Tadel deines eignen Herzens freisprechen? Hast du. indem du blos den Eingebungen einer schmerzlich errungenen Klugheit gefolgt, dir nicht viel¬ leicht das Ansehn der Ettelkeit. des Leichtsinns gegeben?" Der Bruch erfolgt, "ber noch nach demselben schreibt Gerson an Elisabeth: „Werden Sie etwa ^ in eine Lage geworfen, in der Sie einen Freund brauchen, der Leben, Glück und Ruhe für Sie aufzuopfern im Stande sein muß. so vergessen Sie U'ehe, daß ich so lange meine unsterbliche Seele dauert, Sie höher schätze "is Ehre, Glück und Leben." — Mehr als die Ehre! Das ist der Recht,, Noch Einiges aus den Fragmenten. ..Es liegt in der menschlichen Seele, daß wir nur für das Interesse ge¬ winnen, wovon wir uns sagen können, es ist unser Werk. Ueberall aber for¬ dert der Mann, überall greift er unsern Einrichtungen vor; er denkt für uns "ud oft ohne Erklärung.' warum er so und nicht anders denkt, verlangt er, d"b wir seinem Willen den unsrigen unterwerfen. Die Herrschaft der Männer ouest uns sorglos; außerdem lieben wir nie, wo wir beherrscht werden, (? ?) hier, kann weder unsere Neigung noch unsere unterdrückte Ehrbegierde ^nten, und wir müßten mehr Philosophie haben, oder weniger als Menschen ^u- um unsere Pflichten mit Freudigkeit zu erfüllen." ..Warum sind so viele Frauen so wenig häuslich? Vielleicht wen sie - ^'"'n sie ihre Mäuner zu lieben fortführen - doch eine Zeit lang durch dle ^'Sießnngcn eines immer vollen Herzens so verwöhnt werden, daß sie spütcr- 23"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/189>, abgerufen am 24.07.2024.