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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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"Was meine Plane betrifft, so muß ich Ihnen bekennen, daß ich gar keine
habe . . . Was die Gründe betrifft, warum Graun immer noch meine Herüber-
°unse (nach Berlin) verzögert, so glaube ich, sind die hauptsächlichsten -- Ca¬
price gegen seine Mutter und die Idee, bei seinen jetzigen Einkünften kein
Haus etabliren zu können -- wenigstens find diese allein in seinen Briefen,
vielleicht handelt er nach seiner besten Erkenntniß -- ungeachtet es freilich
schlimm ist, daß er so sieht und nicht anders. Rochefoucauld sagt u. s. w."

Aus den Reminiscenzen dieser Ehe, vielleicht zum Theil aus den wirk¬
lichen Briefen, ging 1799 das vorliegende Buch hervor. Die vollständigen
Briefe können es (Gott sei Dank!) nicht sein, denn die Hauptmnstände sind
anders, obgleich die drei Hanptanbeter kenntlich genng gezeichnet sein
wogen. Der Titel ist von Huber, dem Elisabeth 1804 das Manuscript zur
iheilwcisen Benutzung mittheilte; ihre "Fragmente" erschienen schon 1800.
Vollständig wurden die "Erinnerungen" erst nach Slngemanns Tod 1846 von
^orow herausgegeben.

Es ist (Gott sei Dank!) nur ein Roman; obgleich eine Masse persönlicher
^uspiclungen, die für das Nomaninteresse werthlos sind, sich erhalten haben,
"und Namen oder Chiffern, die nur auftraten, um wieder zu verschwinden.
^ sind zerstreute Papiere, hingeworsne Seibstbetrachtungcn im Reich der
Möglichkeit. Die wirkliche Elisabeth hatte keine Freundin: "und so schuf
s'es meine Phantasie ein Wesen, dem ich meine innersten Empfindungen und
^danken mittheilen konnte. Ich suchte Dichtung und Wahrheit, so gut sichs thun
^iZ. in der Unterhaltung mit ihr zu verschmelzen, und fand eine sonderbare
^fnedigung darin, über meine Gefühle mich aussprechen zu können, ohne
mir selbst zu reden." "Ich lebte in meiner erdichteten Welt, und ließ
^ Freundin, welche meine Phantasie sich schuf, oft die Stimme der Vernunft
."ihren, während ich mich ganz den Eingebungen und Ergießungen meines
Httzens überließ." -- Mit Recht können wir daher annehmen, daß die wirk¬
te Elisabeth besser war, als die Elisabeth des Buchs.

"Ich ward frühe vor dem Egoismus der Männer gewarnt, ihre Anbetung
annee mir kein Vertrauen, ihre Bemühungen keine Liebe einflößen; dennoch
Glossen sie sich mir an, und ich konnte mich dem Antheil'und Einfluß, den
auf mein Leben hatten, nicht entziehn." "Ich ward Gattin und Mutter,
^et die Thätigkeit in einem idealischen Wirkungskreise blieb immer noch Be¬
dürfniß fin meinen Geist, der zwischen seiner selbstgeschaffenen Welt und den
"orderungen, die nun in der Wirklichkeit von allen Seiten auf ihn eindrangen,
^ Art von Vergleich zu stiften hoffte; denn ich konnte meine gewohnten
^chästjgungen nicht entbehren und auch die Grenze nicht finden zwischen
was ick lassen müßte und was ich mir zugestehn dürfte. Ich quälte
ich in einem vergeblichen Streit meiner Kräfte und Neigungen."


^"Njbvten 1. 1859, 23

»Was meine Plane betrifft, so muß ich Ihnen bekennen, daß ich gar keine
habe . . . Was die Gründe betrifft, warum Graun immer noch meine Herüber-
°unse (nach Berlin) verzögert, so glaube ich, sind die hauptsächlichsten — Ca¬
price gegen seine Mutter und die Idee, bei seinen jetzigen Einkünften kein
Haus etabliren zu können — wenigstens find diese allein in seinen Briefen,
vielleicht handelt er nach seiner besten Erkenntniß — ungeachtet es freilich
schlimm ist, daß er so sieht und nicht anders. Rochefoucauld sagt u. s. w."

Aus den Reminiscenzen dieser Ehe, vielleicht zum Theil aus den wirk¬
lichen Briefen, ging 1799 das vorliegende Buch hervor. Die vollständigen
Briefe können es (Gott sei Dank!) nicht sein, denn die Hauptmnstände sind
anders, obgleich die drei Hanptanbeter kenntlich genng gezeichnet sein
wogen. Der Titel ist von Huber, dem Elisabeth 1804 das Manuscript zur
iheilwcisen Benutzung mittheilte; ihre „Fragmente" erschienen schon 1800.
Vollständig wurden die „Erinnerungen" erst nach Slngemanns Tod 1846 von
^orow herausgegeben.

Es ist (Gott sei Dank!) nur ein Roman; obgleich eine Masse persönlicher
^uspiclungen, die für das Nomaninteresse werthlos sind, sich erhalten haben,
"und Namen oder Chiffern, die nur auftraten, um wieder zu verschwinden.
^ sind zerstreute Papiere, hingeworsne Seibstbetrachtungcn im Reich der
Möglichkeit. Die wirkliche Elisabeth hatte keine Freundin: „und so schuf
s'es meine Phantasie ein Wesen, dem ich meine innersten Empfindungen und
^danken mittheilen konnte. Ich suchte Dichtung und Wahrheit, so gut sichs thun
^iZ. in der Unterhaltung mit ihr zu verschmelzen, und fand eine sonderbare
^fnedigung darin, über meine Gefühle mich aussprechen zu können, ohne
mir selbst zu reden." „Ich lebte in meiner erdichteten Welt, und ließ
^ Freundin, welche meine Phantasie sich schuf, oft die Stimme der Vernunft
."ihren, während ich mich ganz den Eingebungen und Ergießungen meines
Httzens überließ." — Mit Recht können wir daher annehmen, daß die wirk¬
te Elisabeth besser war, als die Elisabeth des Buchs.

»Ich ward frühe vor dem Egoismus der Männer gewarnt, ihre Anbetung
annee mir kein Vertrauen, ihre Bemühungen keine Liebe einflößen; dennoch
Glossen sie sich mir an, und ich konnte mich dem Antheil'und Einfluß, den
auf mein Leben hatten, nicht entziehn." „Ich ward Gattin und Mutter,
^et die Thätigkeit in einem idealischen Wirkungskreise blieb immer noch Be¬
dürfniß fin meinen Geist, der zwischen seiner selbstgeschaffenen Welt und den
»orderungen, die nun in der Wirklichkeit von allen Seiten auf ihn eindrangen,
^ Art von Vergleich zu stiften hoffte; denn ich konnte meine gewohnten
^chästjgungen nicht entbehren und auch die Grenze nicht finden zwischen
was ick lassen müßte und was ich mir zugestehn dürfte. Ich quälte
ich in einem vergeblichen Streit meiner Kräfte und Neigungen."


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[0187] »Was meine Plane betrifft, so muß ich Ihnen bekennen, daß ich gar keine habe . . . Was die Gründe betrifft, warum Graun immer noch meine Herüber- °unse (nach Berlin) verzögert, so glaube ich, sind die hauptsächlichsten — Ca¬ price gegen seine Mutter und die Idee, bei seinen jetzigen Einkünften kein Haus etabliren zu können — wenigstens find diese allein in seinen Briefen, vielleicht handelt er nach seiner besten Erkenntniß — ungeachtet es freilich schlimm ist, daß er so sieht und nicht anders. Rochefoucauld sagt u. s. w." Aus den Reminiscenzen dieser Ehe, vielleicht zum Theil aus den wirk¬ lichen Briefen, ging 1799 das vorliegende Buch hervor. Die vollständigen Briefe können es (Gott sei Dank!) nicht sein, denn die Hauptmnstände sind anders, obgleich die drei Hanptanbeter kenntlich genng gezeichnet sein wogen. Der Titel ist von Huber, dem Elisabeth 1804 das Manuscript zur iheilwcisen Benutzung mittheilte; ihre „Fragmente" erschienen schon 1800. Vollständig wurden die „Erinnerungen" erst nach Slngemanns Tod 1846 von ^orow herausgegeben. Es ist (Gott sei Dank!) nur ein Roman; obgleich eine Masse persönlicher ^uspiclungen, die für das Nomaninteresse werthlos sind, sich erhalten haben, "und Namen oder Chiffern, die nur auftraten, um wieder zu verschwinden. ^ sind zerstreute Papiere, hingeworsne Seibstbetrachtungcn im Reich der Möglichkeit. Die wirkliche Elisabeth hatte keine Freundin: „und so schuf s'es meine Phantasie ein Wesen, dem ich meine innersten Empfindungen und ^danken mittheilen konnte. Ich suchte Dichtung und Wahrheit, so gut sichs thun ^iZ. in der Unterhaltung mit ihr zu verschmelzen, und fand eine sonderbare ^fnedigung darin, über meine Gefühle mich aussprechen zu können, ohne mir selbst zu reden." „Ich lebte in meiner erdichteten Welt, und ließ ^ Freundin, welche meine Phantasie sich schuf, oft die Stimme der Vernunft ."ihren, während ich mich ganz den Eingebungen und Ergießungen meines Httzens überließ." — Mit Recht können wir daher annehmen, daß die wirk¬ te Elisabeth besser war, als die Elisabeth des Buchs. »Ich ward frühe vor dem Egoismus der Männer gewarnt, ihre Anbetung annee mir kein Vertrauen, ihre Bemühungen keine Liebe einflößen; dennoch Glossen sie sich mir an, und ich konnte mich dem Antheil'und Einfluß, den auf mein Leben hatten, nicht entziehn." „Ich ward Gattin und Mutter, ^et die Thätigkeit in einem idealischen Wirkungskreise blieb immer noch Be¬ dürfniß fin meinen Geist, der zwischen seiner selbstgeschaffenen Welt und den »orderungen, die nun in der Wirklichkeit von allen Seiten auf ihn eindrangen, ^ Art von Vergleich zu stiften hoffte; denn ich konnte meine gewohnten ^chästjgungen nicht entbehren und auch die Grenze nicht finden zwischen was ick lassen müßte und was ich mir zugestehn dürfte. Ich quälte ich in einem vergeblichen Streit meiner Kräfte und Neigungen." ^«Njbvten 1. 1859, 23

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/187>, abgerufen am 24.07.2024.