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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Mhe. und richtete über den schlechten Zustand derselben (10, Jan. I8to)eine
Beschwerde an den General Gneisenau. infolge deren sie der Verleumdung
angeklagt und vor das Kriminalgericht citirt wurde. Sie ging (Febr. 181K)
nach Berlin, wo sie sehr kalt empfangen wurde -- wir es scheint, nicht blos
wegen ihres Processes, den T. A. Hoffmann führte, und in dem sie endlich
(Juli 1817) vollständig freigesprochen wurde. In Berlin verkehrte sie haupt¬
sachlich in dem Hoffmann-Hitzigsehen Kreise, und schrieb den Roman "Emmas
Prüfungen": "Ich hatte den stolzen Gedanken gehegt. Deutschland zu schildern,
wie die unsterbliche Swei in Corinna Italien geschildert." Ihre Gönnerin
War die Princeß Wilhelm, die sich später auch der Frau Paalzow so huldvoll
annahm.

7. Oct. 1817 siedelte Helmine nach Dresden über, wo sie von der roman¬
tischen Schule sehr ehrenvoll empfangen wurde: Louse Brachmann, Therese
aus-dem Winckel, Ernst v. Malsburg. Graf Loben, der sie schon 1814 auf
einer Rheinreise begleitet hatte: eine weiche Seele. Aristokrat aus Romantik.
Herrnhuter und zugleich Lobsänger der Jungfrau Maria. Graf Kalkreuth u. a.
Dazu kam der Liederkreis: K. M. v. Weber, Theodor Hell. Karl Förster.
Hr. Kind. A. Kühn, E. Gehe, Böttiger u. s. w. Es war eine seltsame
Reihe wohlwollender, sentimentaler und verkümmerter Persönlichkeiten. Später
kam Tieckdazu. "Im Gegensah zu Fr. Schlegel, der am liebsten das Gespräch
"uf politische und religiöse Zustände lenkte, blieb aus Tiecks Unterhaltungen
Religion und Politik weg. Sie enthielten nur Ansichten über Poesie und
^reratur, und zwar nicht von der ernsten Seite, sondern von der erheiternden
Und spöttischen. Ein Freund und Verehrer der Fraucnpoesie war er nicht.
^ hatte mit Fr. Schlegel gemein, daß er seine Opfer erbarmungslos schlachtete.
°hre ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen." -- In dieser mit Calderon
^schwängerten Atmosphäre wurde die Euryanthe gedichtet. Auch der alte
^eunt Jean Paul fand sich zuweilen ein. Doch wurde auch in Dresden Helmine
öUKtzt unruhig, sie ging 1823 nach Wien. Dort schrieb sie für Franz
Schubert die'Oper Rosamunde, die aber nicht durchdrang, weil der junge
^amponist durch die Webersche Partei angefeindet wurde, und das Lustspiel
"der Wunderquell". Auch ihr Sohn Wilhelm trat bereits als Dichter auf.
^ Von neuern ließ sich Helmine in Dinge ein, die ihr verdacht wurden: auf
ihren Reisen durch das Salzkammergut sammelte sie die Beschwerden der Be¬
wohner über die Verwaltung; man witterte demagogische Umtriebe und stellte
Untersuchung um. die indeß mit ihrer Freisprechung endete. Aber ihr
S°du Wilhelm hatte sich bei der Gelegenheit "von den Einflüsterungen ge¬
wissenloser Menschen hinreißen lassen, und sah die Sacke in einem schiefen
Licht an> Als sein Hauptversührer wird Spindler angegeben, der seine eigne
^"Wr in "Boa Constrictor" geschildert haben soll. Ein anderes seiner Opfer.


Mhe. und richtete über den schlechten Zustand derselben (10, Jan. I8to)eine
Beschwerde an den General Gneisenau. infolge deren sie der Verleumdung
angeklagt und vor das Kriminalgericht citirt wurde. Sie ging (Febr. 181K)
nach Berlin, wo sie sehr kalt empfangen wurde — wir es scheint, nicht blos
wegen ihres Processes, den T. A. Hoffmann führte, und in dem sie endlich
(Juli 1817) vollständig freigesprochen wurde. In Berlin verkehrte sie haupt¬
sachlich in dem Hoffmann-Hitzigsehen Kreise, und schrieb den Roman „Emmas
Prüfungen": „Ich hatte den stolzen Gedanken gehegt. Deutschland zu schildern,
wie die unsterbliche Swei in Corinna Italien geschildert." Ihre Gönnerin
War die Princeß Wilhelm, die sich später auch der Frau Paalzow so huldvoll
annahm.

7. Oct. 1817 siedelte Helmine nach Dresden über, wo sie von der roman¬
tischen Schule sehr ehrenvoll empfangen wurde: Louse Brachmann, Therese
aus-dem Winckel, Ernst v. Malsburg. Graf Loben, der sie schon 1814 auf
einer Rheinreise begleitet hatte: eine weiche Seele. Aristokrat aus Romantik.
Herrnhuter und zugleich Lobsänger der Jungfrau Maria. Graf Kalkreuth u. a.
Dazu kam der Liederkreis: K. M. v. Weber, Theodor Hell. Karl Förster.
Hr. Kind. A. Kühn, E. Gehe, Böttiger u. s. w. Es war eine seltsame
Reihe wohlwollender, sentimentaler und verkümmerter Persönlichkeiten. Später
kam Tieckdazu. „Im Gegensah zu Fr. Schlegel, der am liebsten das Gespräch
"uf politische und religiöse Zustände lenkte, blieb aus Tiecks Unterhaltungen
Religion und Politik weg. Sie enthielten nur Ansichten über Poesie und
^reratur, und zwar nicht von der ernsten Seite, sondern von der erheiternden
Und spöttischen. Ein Freund und Verehrer der Fraucnpoesie war er nicht.
^ hatte mit Fr. Schlegel gemein, daß er seine Opfer erbarmungslos schlachtete.
°hre ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen." — In dieser mit Calderon
^schwängerten Atmosphäre wurde die Euryanthe gedichtet. Auch der alte
^eunt Jean Paul fand sich zuweilen ein. Doch wurde auch in Dresden Helmine
öUKtzt unruhig, sie ging 1823 nach Wien. Dort schrieb sie für Franz
Schubert die'Oper Rosamunde, die aber nicht durchdrang, weil der junge
^amponist durch die Webersche Partei angefeindet wurde, und das Lustspiel
"der Wunderquell". Auch ihr Sohn Wilhelm trat bereits als Dichter auf.
^ Von neuern ließ sich Helmine in Dinge ein, die ihr verdacht wurden: auf
ihren Reisen durch das Salzkammergut sammelte sie die Beschwerden der Be¬
wohner über die Verwaltung; man witterte demagogische Umtriebe und stellte
Untersuchung um. die indeß mit ihrer Freisprechung endete. Aber ihr
S°du Wilhelm hatte sich bei der Gelegenheit „von den Einflüsterungen ge¬
wissenloser Menschen hinreißen lassen, und sah die Sacke in einem schiefen
Licht an> Als sein Hauptversührer wird Spindler angegeben, der seine eigne
^"Wr in „Boa Constrictor" geschildert haben soll. Ein anderes seiner Opfer.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/183>, abgerufen am 24.07.2024.