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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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liehen Baugedanken der antiken Formensprache zu vermählen. Diesen An¬
knüpfungspunkt bietet uns Italien im dreizehnten, vierzehnten und fünfzehnten
Jahrhundert.




Von der preußischen Grenze.

Der Landtag hat sich nun constituirt und, wenn wir die äußere Physiognomie
des Hauses der Abgeordneten ins Auge fassen, so könnten wir uns zu den schönsten
Hoffnungen berechtigt glauben. Die bisherige Opposition, bestehend aus dem Cen¬
trum, den Liberalen und den Katholiken, gebietet über eine ungeheure Majorität
des Hauses. Das Präsidium ist aus den drei Führern der drei Fraktionen zusam¬
mengesetzt, und zwar ist der Führer der Liberalen, Gras Schwerin, mit 274
Stimmen zum Präsidenten, der Führer der Katholiken, Reich ensp arger, mit 232
Stimmen zum ersten, der Führer des Centrums, Matthis, mit 217 Stimmen
zum zweiten Vicepräsidenten ernannt. Der Gcgcncandidat des Grafen Schwerin,
von Arnim-Heinrichsdorf, hat nur 39 Stimmen erhalten; aus diese Zahl ist
also die ehemalige Rechte reducirt, die im vorigen Jahr aus mehr als 20V Mit'
gliedern bestand! Das Zahlenverhältniß der drei verbündeten Fractionen ist su^
die liberale Partei sehr günstig. Wenn man die Katholiken davon aussondert, deren
Verbindung mit den übrigen eine mehr zufällige ist, so bleibt immer eine Zc>h>
von wenigstens 200 Abgeordneten übrig, die in den Principien zusammen gehören,
und die sich nur nach dem Grade der Selbstständigkeit voneinander unterscheiden,
welche sie dem neuen Ministerium gegenüber behaupten. Wenn unter den'VorsitzcN'
den der sieben Abtheilungen, in welche das Haus zerfällt, fünf der liberalen Partei,
einer den Katholiken und einer dem Centrum angehört, so drückt das wenigsten^
annäherungsweise die Stärke der verschiedenen Fractionen aus.

Wenn aber dieses Resultat allgemeine Befriedigung hervorruft, so halten w>c
es doch in politischen Dingen für nothwendig, sanguinische Hoffnungen zu bekäm¬
pfen. Die Geschichte unserer Ständeverfassung, obgleich sie erst acht Jahre umfaßt
ist doch im Ganzen wenig in das Bewußtsein des Volks eingedrungen und es dürste
daher nicht unzweckmäßig sein, aus einige Thatsachen der früheren Periode zurückzu¬
weisen. .
e

Wir lesen in den stenographischen Berichten vom 22. Novbr. 1850 folgend
Ergebniß der Präsidentenwahl. Graf Schwerin wurde mit 20!) Stimmen zu"'
Präsidenten, Simson mit 195 zum ersten, Leusing mit 197 Stimmen
zweiten Vicepräsidenten ernannt. Der Gegencandidat des Grasen Schwerin,
Arnim-Boitzenburg, erhielt 68 Stimmen, außerdem stimmten gegen ihn n^.
14 Katholiken. In seiner Antrittsrede sagte Graf Schwerin unter anderem:


liehen Baugedanken der antiken Formensprache zu vermählen. Diesen An¬
knüpfungspunkt bietet uns Italien im dreizehnten, vierzehnten und fünfzehnten
Jahrhundert.




Von der preußischen Grenze.

Der Landtag hat sich nun constituirt und, wenn wir die äußere Physiognomie
des Hauses der Abgeordneten ins Auge fassen, so könnten wir uns zu den schönsten
Hoffnungen berechtigt glauben. Die bisherige Opposition, bestehend aus dem Cen¬
trum, den Liberalen und den Katholiken, gebietet über eine ungeheure Majorität
des Hauses. Das Präsidium ist aus den drei Führern der drei Fraktionen zusam¬
mengesetzt, und zwar ist der Führer der Liberalen, Gras Schwerin, mit 274
Stimmen zum Präsidenten, der Führer der Katholiken, Reich ensp arger, mit 232
Stimmen zum ersten, der Führer des Centrums, Matthis, mit 217 Stimmen
zum zweiten Vicepräsidenten ernannt. Der Gcgcncandidat des Grafen Schwerin,
von Arnim-Heinrichsdorf, hat nur 39 Stimmen erhalten; aus diese Zahl ist
also die ehemalige Rechte reducirt, die im vorigen Jahr aus mehr als 20V Mit'
gliedern bestand! Das Zahlenverhältniß der drei verbündeten Fractionen ist su^
die liberale Partei sehr günstig. Wenn man die Katholiken davon aussondert, deren
Verbindung mit den übrigen eine mehr zufällige ist, so bleibt immer eine Zc>h>
von wenigstens 200 Abgeordneten übrig, die in den Principien zusammen gehören,
und die sich nur nach dem Grade der Selbstständigkeit voneinander unterscheiden,
welche sie dem neuen Ministerium gegenüber behaupten. Wenn unter den'VorsitzcN'
den der sieben Abtheilungen, in welche das Haus zerfällt, fünf der liberalen Partei,
einer den Katholiken und einer dem Centrum angehört, so drückt das wenigsten^
annäherungsweise die Stärke der verschiedenen Fractionen aus.

Wenn aber dieses Resultat allgemeine Befriedigung hervorruft, so halten w>c
es doch in politischen Dingen für nothwendig, sanguinische Hoffnungen zu bekäm¬
pfen. Die Geschichte unserer Ständeverfassung, obgleich sie erst acht Jahre umfaßt
ist doch im Ganzen wenig in das Bewußtsein des Volks eingedrungen und es dürste
daher nicht unzweckmäßig sein, aus einige Thatsachen der früheren Periode zurückzu¬
weisen. .
e

Wir lesen in den stenographischen Berichten vom 22. Novbr. 1850 folgend
Ergebniß der Präsidentenwahl. Graf Schwerin wurde mit 20!) Stimmen zu"'
Präsidenten, Simson mit 195 zum ersten, Leusing mit 197 Stimmen
zweiten Vicepräsidenten ernannt. Der Gegencandidat des Grasen Schwerin,
Arnim-Boitzenburg, erhielt 68 Stimmen, außerdem stimmten gegen ihn n^.
14 Katholiken. In seiner Antrittsrede sagte Graf Schwerin unter anderem:


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[0162] liehen Baugedanken der antiken Formensprache zu vermählen. Diesen An¬ knüpfungspunkt bietet uns Italien im dreizehnten, vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert. Von der preußischen Grenze. Der Landtag hat sich nun constituirt und, wenn wir die äußere Physiognomie des Hauses der Abgeordneten ins Auge fassen, so könnten wir uns zu den schönsten Hoffnungen berechtigt glauben. Die bisherige Opposition, bestehend aus dem Cen¬ trum, den Liberalen und den Katholiken, gebietet über eine ungeheure Majorität des Hauses. Das Präsidium ist aus den drei Führern der drei Fraktionen zusam¬ mengesetzt, und zwar ist der Führer der Liberalen, Gras Schwerin, mit 274 Stimmen zum Präsidenten, der Führer der Katholiken, Reich ensp arger, mit 232 Stimmen zum ersten, der Führer des Centrums, Matthis, mit 217 Stimmen zum zweiten Vicepräsidenten ernannt. Der Gcgcncandidat des Grafen Schwerin, von Arnim-Heinrichsdorf, hat nur 39 Stimmen erhalten; aus diese Zahl ist also die ehemalige Rechte reducirt, die im vorigen Jahr aus mehr als 20V Mit' gliedern bestand! Das Zahlenverhältniß der drei verbündeten Fractionen ist su^ die liberale Partei sehr günstig. Wenn man die Katholiken davon aussondert, deren Verbindung mit den übrigen eine mehr zufällige ist, so bleibt immer eine Zc>h> von wenigstens 200 Abgeordneten übrig, die in den Principien zusammen gehören, und die sich nur nach dem Grade der Selbstständigkeit voneinander unterscheiden, welche sie dem neuen Ministerium gegenüber behaupten. Wenn unter den'VorsitzcN' den der sieben Abtheilungen, in welche das Haus zerfällt, fünf der liberalen Partei, einer den Katholiken und einer dem Centrum angehört, so drückt das wenigsten^ annäherungsweise die Stärke der verschiedenen Fractionen aus. Wenn aber dieses Resultat allgemeine Befriedigung hervorruft, so halten w>c es doch in politischen Dingen für nothwendig, sanguinische Hoffnungen zu bekäm¬ pfen. Die Geschichte unserer Ständeverfassung, obgleich sie erst acht Jahre umfaßt ist doch im Ganzen wenig in das Bewußtsein des Volks eingedrungen und es dürste daher nicht unzweckmäßig sein, aus einige Thatsachen der früheren Periode zurückzu¬ weisen. . e Wir lesen in den stenographischen Berichten vom 22. Novbr. 1850 folgend Ergebniß der Präsidentenwahl. Graf Schwerin wurde mit 20!) Stimmen zu"' Präsidenten, Simson mit 195 zum ersten, Leusing mit 197 Stimmen zweiten Vicepräsidenten ernannt. Der Gegencandidat des Grasen Schwerin, Arnim-Boitzenburg, erhielt 68 Stimmen, außerdem stimmten gegen ihn n^. 14 Katholiken. In seiner Antrittsrede sagte Graf Schwerin unter anderem:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/162>, abgerufen am 24.07.2024.