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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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behalten, weil es eben daist, allein es ist ein werthloser Platz, selbst in Ver¬
bindung mit den drei vorhergenannten Festungen wenig brauchbar. Es gibt
wol einen gesicherten Uebergang über die Etsch, es kann jedoch ein solcher
eine Meile ober- oder unterhalb der Stadt mit der größten Leichtigkeit ge-
Wonnen und derselbe mittelst Feldschanzen zu einem Brückenkopf gestaltet wer¬
den, der sür die Dauer des Feldzugs bessere Dienste leistet als Legnago. Dieses
selbst ist einen kräftigen Angriff auszuhalten kaum im Stande; übrigens welcher
Feind könnte Mantua, so wie Verona bei Seite lassen, um Legnago zu nehmen-
Sind aber Mantua und Verona gefallen, so ist auch Legnago. sowie ganz
Italien verloren. Bei Verona ist also die Entscheidung über den Besitz Ober¬
italiens auszukämpfen; der Feind muß die östreichische Armee in dem ver¬
schanzten Lager vor Verona aufsuchen, diese dort schlagen, Verona und
Mantua nehmen -- eine für die piemontesische Armee gewiß nicht allzuleichte
Aufgabe.

Es erübrigt noch, den dritten, für die Behauptung der Stellung Oestreichs
in Italien jedenfalls gefährlichsten Fall zu betrachten, daß Oestreich in Italien
einem Volksaufstand, der nicht nur von Piemont, sondern auch von Frankreich
unterstützt würde, entgegenzutreten hätte. Es setzt dieser Fall, wie wir die
Dinge hier auffassen, einen allgemeinen europäischen Krieg voraus, in welchem
nicht blos Oestreich, sondern auch Deutschland gegen Frankreich stände. Es
hätte dann Oestreich in Deutschland die Aufgabe, das Donauthal zu behaupten,
während am Rhein Preußen die Hauptrolle zufiele, die Operationen der östreichische"
Armee in Oberitalien und in Deutschland müßten dann im Einklang erfolgen-
Bliebe Deutschland bei dieser Entwickelung der politischen Verhältnisse neutral,
so wäre Oestreich um so mehr darauf angewiesen und hätte auch mehr die
freie Hand hierzu, alle seine Kräfte in Italien zusammenzufassen. Es könnte dies,
da es nur hier mit Frankreich unmittelbar in Berührung kommen kann, und
sonach hier die Entscheidung des Kampfes erfolgen muß. Höchst kritisch wür¬
den sich die Verhältnisse sür Oestreich gestalten, wenn die Kriegserklärung
Frankreichs an Oestreich nicht nur die italienische Emigration mit Hoffnung^
erfüllte, sondern zugleich in den übrigen Provinzen der Monarchie oder auch nur
in Serbien und der Walachei revolutionäre Bewegungen hervorriefe,
dem es dann nothwendig sein würde nach allen diesen Seiten hin militärisch?
Vorsichtsmaßregeln anzuordnen, die nur durch Schwächung des italienisch^
Heeres zu ermöglichen wären.

Bei einem Kriege mit Frankreich hat Oestreich, da die Eröffnung desse^
den nicht so überraschend plötzlich erfolgen kann, zweifellos Zeit, seine militä¬
rischen Kräfte auf jenen höchsten Stand zu bringen, den die Verhältnisse dew
Ausland gegenüber und im Inlande gestatten. Einen von Sardinien
dem Eintreffen französischer Hilfe isolirt unternommenen Angriff, um die Lot"


behalten, weil es eben daist, allein es ist ein werthloser Platz, selbst in Ver¬
bindung mit den drei vorhergenannten Festungen wenig brauchbar. Es gibt
wol einen gesicherten Uebergang über die Etsch, es kann jedoch ein solcher
eine Meile ober- oder unterhalb der Stadt mit der größten Leichtigkeit ge-
Wonnen und derselbe mittelst Feldschanzen zu einem Brückenkopf gestaltet wer¬
den, der sür die Dauer des Feldzugs bessere Dienste leistet als Legnago. Dieses
selbst ist einen kräftigen Angriff auszuhalten kaum im Stande; übrigens welcher
Feind könnte Mantua, so wie Verona bei Seite lassen, um Legnago zu nehmen-
Sind aber Mantua und Verona gefallen, so ist auch Legnago. sowie ganz
Italien verloren. Bei Verona ist also die Entscheidung über den Besitz Ober¬
italiens auszukämpfen; der Feind muß die östreichische Armee in dem ver¬
schanzten Lager vor Verona aufsuchen, diese dort schlagen, Verona und
Mantua nehmen — eine für die piemontesische Armee gewiß nicht allzuleichte
Aufgabe.

Es erübrigt noch, den dritten, für die Behauptung der Stellung Oestreichs
in Italien jedenfalls gefährlichsten Fall zu betrachten, daß Oestreich in Italien
einem Volksaufstand, der nicht nur von Piemont, sondern auch von Frankreich
unterstützt würde, entgegenzutreten hätte. Es setzt dieser Fall, wie wir die
Dinge hier auffassen, einen allgemeinen europäischen Krieg voraus, in welchem
nicht blos Oestreich, sondern auch Deutschland gegen Frankreich stände. Es
hätte dann Oestreich in Deutschland die Aufgabe, das Donauthal zu behaupten,
während am Rhein Preußen die Hauptrolle zufiele, die Operationen der östreichische»
Armee in Oberitalien und in Deutschland müßten dann im Einklang erfolgen-
Bliebe Deutschland bei dieser Entwickelung der politischen Verhältnisse neutral,
so wäre Oestreich um so mehr darauf angewiesen und hätte auch mehr die
freie Hand hierzu, alle seine Kräfte in Italien zusammenzufassen. Es könnte dies,
da es nur hier mit Frankreich unmittelbar in Berührung kommen kann, und
sonach hier die Entscheidung des Kampfes erfolgen muß. Höchst kritisch wür¬
den sich die Verhältnisse sür Oestreich gestalten, wenn die Kriegserklärung
Frankreichs an Oestreich nicht nur die italienische Emigration mit Hoffnung^
erfüllte, sondern zugleich in den übrigen Provinzen der Monarchie oder auch nur
in Serbien und der Walachei revolutionäre Bewegungen hervorriefe,
dem es dann nothwendig sein würde nach allen diesen Seiten hin militärisch?
Vorsichtsmaßregeln anzuordnen, die nur durch Schwächung des italienisch^
Heeres zu ermöglichen wären.

Bei einem Kriege mit Frankreich hat Oestreich, da die Eröffnung desse^
den nicht so überraschend plötzlich erfolgen kann, zweifellos Zeit, seine militä¬
rischen Kräfte auf jenen höchsten Stand zu bringen, den die Verhältnisse dew
Ausland gegenüber und im Inlande gestatten. Einen von Sardinien
dem Eintreffen französischer Hilfe isolirt unternommenen Angriff, um die Lot"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/156>, abgerufen am 24.07.2024.