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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Metternich gestanden hatten. Ihr Wortführer. Erzherzog Franz. eröffnete
Unterhandlungen mit der ständischen Opposition, und als ihre Meinung im
Familienrat!) nicht durchdrang. wurde schon am 6. März, gemeinschaftlich mit
jener Opposition, eine Adresse entworfen, die einem Mißtrauensvotum gleich¬
em. Aus dem Ständesaal pflanzte sich die Bewegung auf die Straße fort,
und Metternich war schwach genug, sich am 1,2. März zu Concessionen, und
Zwar zu ungenügenden zu verstehn. Eine Nachgiebigfeit folgte der andern;
aber sein Sturz war beschlossen -- nicht blos auf der Straße! Er
schied mit den Worten: "Ich sehe voraus, daß sich die falsche Mei¬
nung verbreiten werde, ich hätte die Monarchie mit mir davongetragen.
Dagegen lege ich feierlichen Protest ein, Weder ich noch irgend jemand hat
Schultern breit genug, um einen Staat davonzutragen. Verschwinden Reiche,
s" geschieht es nur. wenn sie sich selbst aufgeben." Er schied mit der
Haltung eines vollkommnen Gentleman, ünßcrlich gefaßt und noch das Lächeln
"uf seinen feinen Lippen; aber innerlich gebrochen, denn er hatte seine Rolle
"icht zu Ende gespielt.




Oestreichs militärische Stellung in Italien.

Indem wir im Folgenden eine Mittheilung geben, welche uns ans dem
östreichischen Feldlager in Mailand zuging, bemerken wir. daß dieselbe aus
^ Feder eines Offiziers dieses Lagers stammt. Wie weit wu> und den poli¬
tischen Ansichten des ^Verfassers übereinstimmen, wie weit etwa nicht, brauchen
den Lesern der ..Grenzboten" nicht auseinanderzusetzen. Wir glaubten
s" nicht weglassen zu dürfen, weil sie zeigen, wie sich der eine und der andere
denkende Militär im Heere des Kaiserstaates zu der vom wiener Cabinet in
^'n letzten Jahrhunderten innegehaltenen Politik verhält, wie der eine und der
^"dere bei aller Loyalität und allein Eiser für die Erhaltung des nun einmal
feststehenden der Meinung sein kann, diese Politik hätte von Anfang an einen
andern Weg einschlagen sollen.

Unser Correspondent glaubt. Oestreich hätte, statt nach Erweiterung se.nes
^nflusses und Besikes im Süden zu streben, vielmehr seinen Beruf darin er-
^'Acker sollen, sich nach Osten hin auszudehnen. Werfen wir. sagt er un Ver-


Metternich gestanden hatten. Ihr Wortführer. Erzherzog Franz. eröffnete
Unterhandlungen mit der ständischen Opposition, und als ihre Meinung im
Familienrat!) nicht durchdrang. wurde schon am 6. März, gemeinschaftlich mit
jener Opposition, eine Adresse entworfen, die einem Mißtrauensvotum gleich¬
em. Aus dem Ständesaal pflanzte sich die Bewegung auf die Straße fort,
und Metternich war schwach genug, sich am 1,2. März zu Concessionen, und
Zwar zu ungenügenden zu verstehn. Eine Nachgiebigfeit folgte der andern;
aber sein Sturz war beschlossen — nicht blos auf der Straße! Er
schied mit den Worten: „Ich sehe voraus, daß sich die falsche Mei¬
nung verbreiten werde, ich hätte die Monarchie mit mir davongetragen.
Dagegen lege ich feierlichen Protest ein, Weder ich noch irgend jemand hat
Schultern breit genug, um einen Staat davonzutragen. Verschwinden Reiche,
s" geschieht es nur. wenn sie sich selbst aufgeben." Er schied mit der
Haltung eines vollkommnen Gentleman, ünßcrlich gefaßt und noch das Lächeln
"uf seinen feinen Lippen; aber innerlich gebrochen, denn er hatte seine Rolle
"icht zu Ende gespielt.




Oestreichs militärische Stellung in Italien.

Indem wir im Folgenden eine Mittheilung geben, welche uns ans dem
östreichischen Feldlager in Mailand zuging, bemerken wir. daß dieselbe aus
^ Feder eines Offiziers dieses Lagers stammt. Wie weit wu> und den poli¬
tischen Ansichten des ^Verfassers übereinstimmen, wie weit etwa nicht, brauchen
den Lesern der ..Grenzboten" nicht auseinanderzusetzen. Wir glaubten
s" nicht weglassen zu dürfen, weil sie zeigen, wie sich der eine und der andere
denkende Militär im Heere des Kaiserstaates zu der vom wiener Cabinet in
^'n letzten Jahrhunderten innegehaltenen Politik verhält, wie der eine und der
^"dere bei aller Loyalität und allein Eiser für die Erhaltung des nun einmal
feststehenden der Meinung sein kann, diese Politik hätte von Anfang an einen
andern Weg einschlagen sollen.

Unser Correspondent glaubt. Oestreich hätte, statt nach Erweiterung se.nes
^nflusses und Besikes im Süden zu streben, vielmehr seinen Beruf darin er-
^'Acker sollen, sich nach Osten hin auszudehnen. Werfen wir. sagt er un Ver-


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[0143] Metternich gestanden hatten. Ihr Wortführer. Erzherzog Franz. eröffnete Unterhandlungen mit der ständischen Opposition, und als ihre Meinung im Familienrat!) nicht durchdrang. wurde schon am 6. März, gemeinschaftlich mit jener Opposition, eine Adresse entworfen, die einem Mißtrauensvotum gleich¬ em. Aus dem Ständesaal pflanzte sich die Bewegung auf die Straße fort, und Metternich war schwach genug, sich am 1,2. März zu Concessionen, und Zwar zu ungenügenden zu verstehn. Eine Nachgiebigfeit folgte der andern; aber sein Sturz war beschlossen — nicht blos auf der Straße! Er schied mit den Worten: „Ich sehe voraus, daß sich die falsche Mei¬ nung verbreiten werde, ich hätte die Monarchie mit mir davongetragen. Dagegen lege ich feierlichen Protest ein, Weder ich noch irgend jemand hat Schultern breit genug, um einen Staat davonzutragen. Verschwinden Reiche, s" geschieht es nur. wenn sie sich selbst aufgeben." Er schied mit der Haltung eines vollkommnen Gentleman, ünßcrlich gefaßt und noch das Lächeln "uf seinen feinen Lippen; aber innerlich gebrochen, denn er hatte seine Rolle "icht zu Ende gespielt. Oestreichs militärische Stellung in Italien. Indem wir im Folgenden eine Mittheilung geben, welche uns ans dem östreichischen Feldlager in Mailand zuging, bemerken wir. daß dieselbe aus ^ Feder eines Offiziers dieses Lagers stammt. Wie weit wu> und den poli¬ tischen Ansichten des ^Verfassers übereinstimmen, wie weit etwa nicht, brauchen den Lesern der ..Grenzboten" nicht auseinanderzusetzen. Wir glaubten s" nicht weglassen zu dürfen, weil sie zeigen, wie sich der eine und der andere denkende Militär im Heere des Kaiserstaates zu der vom wiener Cabinet in ^'n letzten Jahrhunderten innegehaltenen Politik verhält, wie der eine und der ^"dere bei aller Loyalität und allein Eiser für die Erhaltung des nun einmal feststehenden der Meinung sein kann, diese Politik hätte von Anfang an einen andern Weg einschlagen sollen. Unser Correspondent glaubt. Oestreich hätte, statt nach Erweiterung se.nes ^nflusses und Besikes im Süden zu streben, vielmehr seinen Beruf darin er- ^'Acker sollen, sich nach Osten hin auszudehnen. Werfen wir. sagt er un Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/143>, abgerufen am 24.07.2024.