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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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auch nach dieser Seite hin mit Preußen zu rivnlisiren. Oestreich schloß sich
den Absichten Preußens an, von Seite" des Bundestags den einzelnen Staa¬
ten das Recht zur Einführung der Preßfreiheit zuzugestehn. Zugleich sprach
Metternich im Februar 1847 in der Staatsconsercnz offen die Ueberzeugung
aus, daß Oestreich dringende Veranlassung habe, nunmehr auch in Verfassung-
angelcgenheitcn dem Beispiel Preußens zu folgen. Er legte zwei von
ihm selbst entworfene Pläne vor. die beide darauf Ausgingen, sowol die neckte
der schon seit Jahrhunderten bestehenden Ständeversammlungen der deutschen
Provinzen als die der italienischen Congrcgativncn von 1815, und besonders
ihre innere Selbstverwaltung nach einem allgemeinen System auszudehnen, um
dadurch die Grundlagen zu erhallen, auf denen in einer spätern Periode eine
allgemeine Reichsverfassung sich aufbauen lasse. Vom finanziellen Standpunkt
unterstütze Kübeck diese Anträge; sein Verlangen ging dahin, sämmtliche Pro-
vinzialstände aufzufordern, aus ihrer Mitte Deputirte nach Wien zu senden,
um dort über den Zustand der Finanzen die vollständigste Aufklärung zu er¬
halten, und mit der Finanzverwaltung die Mittel und Wege zu berathen,
welche zur Herstellung des Gleichgewichts zwischen den Einnahmen und Aus¬
üben führen dürsten. -- Diese Borschläge fanden bei der Staatsconserenz
^inen Anklang; Erzherzog Ludwig wies nach, daß Reform und Revolution
Bundesgenossen seien, und Metternich -- fügte sich.

Die Bemühungen der Kirche, die Josephinische Gesetzgebung zu beseitigen,
scheiterten an Metternichs Widerstand. siegte er aber im Princip, so war
" zu schwach, an allen Consequenzen desselben festzuhalten. Vielmehr war
^ bedacht, die principielle Entfremdung durch ein Entgegenkommen in der
Pwxis abzustumpfen, die Spannung zwischen ihm und der Gegenpartei durch
Concessionen bei bestimmten Anlässen nach Möglichkeit zu lösen. Die Jesuiten
wurden, freilich unter sehr drückenden Bedingungen, zugelassen, und Mute
^'i5 mürbe ihnen selbst die Concurrenz in den Erziehungsanstalten geöffnet.
Der Widerspruch seines conservativen Princips gegen seinen Jesnitenhaß trat
'n bedenMcher Weise in den schweizer Sonderbundsangelcgenheiten hervor.

Im Princip war Metternich entschieden auf Seiten des Sonderbunds,
""d suchte alle Großmächte zu einer gemeinsamen Einwirkung auf die Eid¬
genossenschaft zu vermögen, um diese zu verhindern, auf gesetzlichem Wege
Ü°gar die rennenden Cantone einzuschreiten. Es war ihm auch gelungen, bis
Berufung der Jesuiten nach Lucern erfolgte. Vergebens suchte er nach
allen Seiten hin abzumahnen; die Jesuiten bestanden auf ihrem Recht, und
"ach langem, sehr ernstlichem Schwanken, auf welche Seite er sich wenden solle,
'^schloß er sich endlich, dem conservativen Princip zu Liebe die Jesuiten mit
den .Kauf zu nehmen (20. Mai 1845). Aber es gelang ihm nicht, Eng-
l"ut und Frankreich mit fortzureißen, und zwischen Drohungen und Nach-


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auch nach dieser Seite hin mit Preußen zu rivnlisiren. Oestreich schloß sich
den Absichten Preußens an, von Seite» des Bundestags den einzelnen Staa¬
ten das Recht zur Einführung der Preßfreiheit zuzugestehn. Zugleich sprach
Metternich im Februar 1847 in der Staatsconsercnz offen die Ueberzeugung
aus, daß Oestreich dringende Veranlassung habe, nunmehr auch in Verfassung-
angelcgenheitcn dem Beispiel Preußens zu folgen. Er legte zwei von
ihm selbst entworfene Pläne vor. die beide darauf Ausgingen, sowol die neckte
der schon seit Jahrhunderten bestehenden Ständeversammlungen der deutschen
Provinzen als die der italienischen Congrcgativncn von 1815, und besonders
ihre innere Selbstverwaltung nach einem allgemeinen System auszudehnen, um
dadurch die Grundlagen zu erhallen, auf denen in einer spätern Periode eine
allgemeine Reichsverfassung sich aufbauen lasse. Vom finanziellen Standpunkt
unterstütze Kübeck diese Anträge; sein Verlangen ging dahin, sämmtliche Pro-
vinzialstände aufzufordern, aus ihrer Mitte Deputirte nach Wien zu senden,
um dort über den Zustand der Finanzen die vollständigste Aufklärung zu er¬
halten, und mit der Finanzverwaltung die Mittel und Wege zu berathen,
welche zur Herstellung des Gleichgewichts zwischen den Einnahmen und Aus¬
üben führen dürsten. — Diese Borschläge fanden bei der Staatsconserenz
^inen Anklang; Erzherzog Ludwig wies nach, daß Reform und Revolution
Bundesgenossen seien, und Metternich — fügte sich.

Die Bemühungen der Kirche, die Josephinische Gesetzgebung zu beseitigen,
scheiterten an Metternichs Widerstand. siegte er aber im Princip, so war
" zu schwach, an allen Consequenzen desselben festzuhalten. Vielmehr war
^ bedacht, die principielle Entfremdung durch ein Entgegenkommen in der
Pwxis abzustumpfen, die Spannung zwischen ihm und der Gegenpartei durch
Concessionen bei bestimmten Anlässen nach Möglichkeit zu lösen. Die Jesuiten
wurden, freilich unter sehr drückenden Bedingungen, zugelassen, und Mute
^'i5 mürbe ihnen selbst die Concurrenz in den Erziehungsanstalten geöffnet.
Der Widerspruch seines conservativen Princips gegen seinen Jesnitenhaß trat
'n bedenMcher Weise in den schweizer Sonderbundsangelcgenheiten hervor.

Im Princip war Metternich entschieden auf Seiten des Sonderbunds,
""d suchte alle Großmächte zu einer gemeinsamen Einwirkung auf die Eid¬
genossenschaft zu vermögen, um diese zu verhindern, auf gesetzlichem Wege
Ü°gar die rennenden Cantone einzuschreiten. Es war ihm auch gelungen, bis
Berufung der Jesuiten nach Lucern erfolgte. Vergebens suchte er nach
allen Seiten hin abzumahnen; die Jesuiten bestanden auf ihrem Recht, und
"ach langem, sehr ernstlichem Schwanken, auf welche Seite er sich wenden solle,
'^schloß er sich endlich, dem conservativen Princip zu Liebe die Jesuiten mit
den .Kauf zu nehmen (20. Mai 1845). Aber es gelang ihm nicht, Eng-
l"ut und Frankreich mit fortzureißen, und zwischen Drohungen und Nach-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/141>, abgerufen am 24.07.2024.