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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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zer diplomatische Correspondenz, wenn man Montbels Bericht damit ver¬
gleicht, beachtenswerthe Aufschlüsse. -- Der Zweck des östreichischen Cabinets
war, den Sohn Napoleons als östreichischen Prinzen, vielleicht als künftigen
Eugen zu erziehn. Er zeigte entschieden kriegerische Neigungen; der Ruhm
seines Vaters war der Leitstern seines Lebens. Als man ihn vor den Um¬
trieben der Bonapartisten warnte, erwiederte er: "Niemals kann der Sohn
Napoleons zur verächtlichen Rolle eines Abenteurers herabsteigen." Die alten
Generale Napoleons wagten es, selbst mit Metternich zu unterhandeln; sie leg¬
ten ein Programm des projectirten Kaiserreichs vor, das ungefähr der Wirk¬
lichkeit von 1852, durchaus aber nicht den offnen Verheißungen der Partei
entsprach. Metternich hörte sie an, ging aber nicht darauf ein. "Ohne Bo¬
naparte Bonapartismus machen, ist eine durchaus falsche Idee . . . Gebleir
det durch die Stetigkeit seiner Triumphe, glaubte Napoleon an sich selbst;
aber eine derartige Gewalt konnte nur vorübergehend sein, eben weil sie durch
die Beständigkeit der Erfolge bedingt war." Der Herzog von Neichswdt.
von Unruhe und Ehrgeiz verzehrt, versuchte vergebens bei dem Ausbruch
der italienischen Unruhen ein Kommando zu erhalten, man ließ ihn nicht aus
Wien. Als er am 21. Juli 1332 starb, war der schweizer Artillenecapitän,
der Verfasser der "politischen Träumereien", Chef der Familie Bonaparte.

Mit besonderer Wachsamkeit verfolgte Metternich alle Nationalitäts- und
Einheitsideen; ein Staat schien ihm um so sicherer und mächtiger, je schwä¬
cher seine Nachbarn. -- Sehr geistvoll seht A. Schmidt diese Ideen weiter
auseinander. -- Wo sich große staatliche Massen in antagonistischer Stellung
entwickeln, da waltet immer die Tendenz, zwischen sich, an den Kanten und
Ecken, schwächere Schöpfungen liegen zu lassen oder zu bilden, die als terri¬
toriale Brücket, als staatliches Geröll, als weiches Geschiebe die Zwecke der
Fütterung oder der Polsterung versehn und die harten Zusammenstöße der
großen Massen verhindern oder abstumpfen sollen. Darum bedauerte Oese'
reich von jeher die Beseitigung des polnischen Polsters; darumwar es immer
gegen eine Zusammenschließung des staatlichen Gerölls an der Donau zu
einem compacten und kräftigen Dasein; darum schien ihm nichts erwünschter,
als daß in Deutschland die Lockerheit der territorialen Bröckel, in der Schweiz
das weiche cantonale Geschiebe aufrecht erhalten bleibe. Dort oder hier eine
größere Centralisation zulassen, galt sür Oestreich als eine doppelte Beein¬
trächtigung seiner Sicherheit und seines Einflusses, und Metternich war ent¬
schlossen, wie den deutschen Einheitsbestrebungen so auch den schweizerisch^
die wiener Verträge als unwandelbare Normen entgegenzuhalten. Der Schweiz
gegenüber machte er in einer Circularnote vom 5. Juni 1832 an die Groß'
machte diese Ansichten geltend; um diejenigen Cantone. welche gegen die
herrschenden Centralisationsbestrebungen auf Erhaltung der alten Bundes'


zer diplomatische Correspondenz, wenn man Montbels Bericht damit ver¬
gleicht, beachtenswerthe Aufschlüsse. — Der Zweck des östreichischen Cabinets
war, den Sohn Napoleons als östreichischen Prinzen, vielleicht als künftigen
Eugen zu erziehn. Er zeigte entschieden kriegerische Neigungen; der Ruhm
seines Vaters war der Leitstern seines Lebens. Als man ihn vor den Um¬
trieben der Bonapartisten warnte, erwiederte er: „Niemals kann der Sohn
Napoleons zur verächtlichen Rolle eines Abenteurers herabsteigen." Die alten
Generale Napoleons wagten es, selbst mit Metternich zu unterhandeln; sie leg¬
ten ein Programm des projectirten Kaiserreichs vor, das ungefähr der Wirk¬
lichkeit von 1852, durchaus aber nicht den offnen Verheißungen der Partei
entsprach. Metternich hörte sie an, ging aber nicht darauf ein. „Ohne Bo¬
naparte Bonapartismus machen, ist eine durchaus falsche Idee . . . Gebleir
det durch die Stetigkeit seiner Triumphe, glaubte Napoleon an sich selbst;
aber eine derartige Gewalt konnte nur vorübergehend sein, eben weil sie durch
die Beständigkeit der Erfolge bedingt war." Der Herzog von Neichswdt.
von Unruhe und Ehrgeiz verzehrt, versuchte vergebens bei dem Ausbruch
der italienischen Unruhen ein Kommando zu erhalten, man ließ ihn nicht aus
Wien. Als er am 21. Juli 1332 starb, war der schweizer Artillenecapitän,
der Verfasser der „politischen Träumereien", Chef der Familie Bonaparte.

Mit besonderer Wachsamkeit verfolgte Metternich alle Nationalitäts- und
Einheitsideen; ein Staat schien ihm um so sicherer und mächtiger, je schwä¬
cher seine Nachbarn. — Sehr geistvoll seht A. Schmidt diese Ideen weiter
auseinander. — Wo sich große staatliche Massen in antagonistischer Stellung
entwickeln, da waltet immer die Tendenz, zwischen sich, an den Kanten und
Ecken, schwächere Schöpfungen liegen zu lassen oder zu bilden, die als terri¬
toriale Brücket, als staatliches Geröll, als weiches Geschiebe die Zwecke der
Fütterung oder der Polsterung versehn und die harten Zusammenstöße der
großen Massen verhindern oder abstumpfen sollen. Darum bedauerte Oese'
reich von jeher die Beseitigung des polnischen Polsters; darumwar es immer
gegen eine Zusammenschließung des staatlichen Gerölls an der Donau zu
einem compacten und kräftigen Dasein; darum schien ihm nichts erwünschter,
als daß in Deutschland die Lockerheit der territorialen Bröckel, in der Schweiz
das weiche cantonale Geschiebe aufrecht erhalten bleibe. Dort oder hier eine
größere Centralisation zulassen, galt sür Oestreich als eine doppelte Beein¬
trächtigung seiner Sicherheit und seines Einflusses, und Metternich war ent¬
schlossen, wie den deutschen Einheitsbestrebungen so auch den schweizerisch^
die wiener Verträge als unwandelbare Normen entgegenzuhalten. Der Schweiz
gegenüber machte er in einer Circularnote vom 5. Juni 1832 an die Groß'
machte diese Ansichten geltend; um diejenigen Cantone. welche gegen die
herrschenden Centralisationsbestrebungen auf Erhaltung der alten Bundes'


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/134>, abgerufen am 24.07.2024.