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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Für den Verdruß, den diese unersättliche Bettelei verursachte, entschädigte
die Aussicht von der Höhe, die man uns endlich, nachdem wir die immer-
wiedcrkehrcnden Quälgeister jeder ein halb Dutzend Mal zum Teufel gehn ge¬
heißen, zu genießen gestattete. Man überblickt im Osten zunächst eine grüne
Ebene, zwischen deren Feldern und Palmenhainen großen Ameisenhaufen gleich
graue Fellahdörfer liegen -- das Siegcsseld der Schlacht, in welcher der Ge¬
neral Bonaparte am 21. Juli 1798 den glänzenden Triumph erfocht, der
das Heer der Mameluken vernichtete. Jenseit des Nil. den man nur in
der Zeit der Überschwemmung sieht, zieht sich fast geradlinig die gelbe Wand
des Mokattamgebirgs unter dem Blau des Horizonts hin. zeigt sich neben
dem röthlich schimmernden Dschebel Achmar die Citadellenmoschee mit ihren
Kuppeln und ihren nadeldünnen Minarets, leuchtet unten mit seinen dreihun¬
dert Moscheen das weiße Kairo. Flußaufwärts, auf diesseitigen Ufer begeg¬
nen dem Auge des Nundschauers die dunklen Palmenhaine der Stätte, wo
Memphis stand. Mehr nach Süden erheben'sich gleich den Dächern ver-
sunkener Thürme einer Niesenzeit die Pyramidengruppen von Sakkarah,
Abusir und Daschur. Unmittelbar zu unsern Füßen streckt sich die große
Trümmerstätte hin, zwischen deren Schutthügeln sich im Süden Kopf und
Rücken des Sphinx, im Südwesten die Pyramide des Chephren und hinter
dieser die des Mykerinos Herodots erheben, während sich ringsum aus der
nut Sand und Steinen bedeckten Felsenplatte die Grabmale der Hofbeamten
aneinanderreihen, welche nicht in den weiter nach Osten gelegenen Felsen-
gruften beigesetzt wurden. Es sind gestreckte, aus mächtigen Quadern zusammen¬
gefügte Gebäude mit plattem Dach und pyramidal geneigten Wanden, bald
Stößer, bald kleiner, alle selderweis geordnet. Westwärts endlich schweift der
^n'et über eine in Rostbraun und Gelb gekleidete, von allem Pflanzenwuchs
entblößte Einöde, den Anfang der lybischen Wüste.

Von fern gesehen, erscheinen die Pyramiden so ungeheuer, wie sie wirk¬
tet) sind. Näher kommend und nun gewahrend, daß man zuerst ihre natür-
lche Unterlage mit veranschlagt hat, die sich etwa hundert Fuß über die Nil-
ne erhebt, glaubt man sich getäuscht zu haben. Hart vor und noch mehr
"uf ihnen wird man staunend wieder inne, welche Riesenwerke sie sind. Die
genauen Maße mag der geneigte Leser im Conversationslexikon nachschlagen.
genüge hier, zu bemerken, daß wir, wie man uns gerathen, den Versuch
nrachten, von oben einen Stein nach dem Fuß der Pyramide zu werfen, und
aß derselbe, obwol wir nicht zu den Schwächsten zählten, bereits auf dem
in " ^ Stufen niederfiel; daß ferner der Thurm des Straßburger Münsters
^tels Innere der Pyramide gesetzt, mit seiner äußersten Spitze noch nicht
Zu dem Plateau gereicht haben würde, auf dem wir standen; daß die
S valtige Peterskirche Roms im Kern der Pyramide vollkommen Platz fände;


Für den Verdruß, den diese unersättliche Bettelei verursachte, entschädigte
die Aussicht von der Höhe, die man uns endlich, nachdem wir die immer-
wiedcrkehrcnden Quälgeister jeder ein halb Dutzend Mal zum Teufel gehn ge¬
heißen, zu genießen gestattete. Man überblickt im Osten zunächst eine grüne
Ebene, zwischen deren Feldern und Palmenhainen großen Ameisenhaufen gleich
graue Fellahdörfer liegen — das Siegcsseld der Schlacht, in welcher der Ge¬
neral Bonaparte am 21. Juli 1798 den glänzenden Triumph erfocht, der
das Heer der Mameluken vernichtete. Jenseit des Nil. den man nur in
der Zeit der Überschwemmung sieht, zieht sich fast geradlinig die gelbe Wand
des Mokattamgebirgs unter dem Blau des Horizonts hin. zeigt sich neben
dem röthlich schimmernden Dschebel Achmar die Citadellenmoschee mit ihren
Kuppeln und ihren nadeldünnen Minarets, leuchtet unten mit seinen dreihun¬
dert Moscheen das weiße Kairo. Flußaufwärts, auf diesseitigen Ufer begeg¬
nen dem Auge des Nundschauers die dunklen Palmenhaine der Stätte, wo
Memphis stand. Mehr nach Süden erheben'sich gleich den Dächern ver-
sunkener Thürme einer Niesenzeit die Pyramidengruppen von Sakkarah,
Abusir und Daschur. Unmittelbar zu unsern Füßen streckt sich die große
Trümmerstätte hin, zwischen deren Schutthügeln sich im Süden Kopf und
Rücken des Sphinx, im Südwesten die Pyramide des Chephren und hinter
dieser die des Mykerinos Herodots erheben, während sich ringsum aus der
nut Sand und Steinen bedeckten Felsenplatte die Grabmale der Hofbeamten
aneinanderreihen, welche nicht in den weiter nach Osten gelegenen Felsen-
gruften beigesetzt wurden. Es sind gestreckte, aus mächtigen Quadern zusammen¬
gefügte Gebäude mit plattem Dach und pyramidal geneigten Wanden, bald
Stößer, bald kleiner, alle selderweis geordnet. Westwärts endlich schweift der
^n'et über eine in Rostbraun und Gelb gekleidete, von allem Pflanzenwuchs
entblößte Einöde, den Anfang der lybischen Wüste.

Von fern gesehen, erscheinen die Pyramiden so ungeheuer, wie sie wirk¬
tet) sind. Näher kommend und nun gewahrend, daß man zuerst ihre natür-
lche Unterlage mit veranschlagt hat, die sich etwa hundert Fuß über die Nil-
ne erhebt, glaubt man sich getäuscht zu haben. Hart vor und noch mehr
"uf ihnen wird man staunend wieder inne, welche Riesenwerke sie sind. Die
genauen Maße mag der geneigte Leser im Conversationslexikon nachschlagen.
genüge hier, zu bemerken, daß wir, wie man uns gerathen, den Versuch
nrachten, von oben einen Stein nach dem Fuß der Pyramide zu werfen, und
aß derselbe, obwol wir nicht zu den Schwächsten zählten, bereits auf dem
in " ^ Stufen niederfiel; daß ferner der Thurm des Straßburger Münsters
^tels Innere der Pyramide gesetzt, mit seiner äußersten Spitze noch nicht
Zu dem Plateau gereicht haben würde, auf dem wir standen; daß die
S valtige Peterskirche Roms im Kern der Pyramide vollkommen Platz fände;


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[0119] Für den Verdruß, den diese unersättliche Bettelei verursachte, entschädigte die Aussicht von der Höhe, die man uns endlich, nachdem wir die immer- wiedcrkehrcnden Quälgeister jeder ein halb Dutzend Mal zum Teufel gehn ge¬ heißen, zu genießen gestattete. Man überblickt im Osten zunächst eine grüne Ebene, zwischen deren Feldern und Palmenhainen großen Ameisenhaufen gleich graue Fellahdörfer liegen — das Siegcsseld der Schlacht, in welcher der Ge¬ neral Bonaparte am 21. Juli 1798 den glänzenden Triumph erfocht, der das Heer der Mameluken vernichtete. Jenseit des Nil. den man nur in der Zeit der Überschwemmung sieht, zieht sich fast geradlinig die gelbe Wand des Mokattamgebirgs unter dem Blau des Horizonts hin. zeigt sich neben dem röthlich schimmernden Dschebel Achmar die Citadellenmoschee mit ihren Kuppeln und ihren nadeldünnen Minarets, leuchtet unten mit seinen dreihun¬ dert Moscheen das weiße Kairo. Flußaufwärts, auf diesseitigen Ufer begeg¬ nen dem Auge des Nundschauers die dunklen Palmenhaine der Stätte, wo Memphis stand. Mehr nach Süden erheben'sich gleich den Dächern ver- sunkener Thürme einer Niesenzeit die Pyramidengruppen von Sakkarah, Abusir und Daschur. Unmittelbar zu unsern Füßen streckt sich die große Trümmerstätte hin, zwischen deren Schutthügeln sich im Süden Kopf und Rücken des Sphinx, im Südwesten die Pyramide des Chephren und hinter dieser die des Mykerinos Herodots erheben, während sich ringsum aus der nut Sand und Steinen bedeckten Felsenplatte die Grabmale der Hofbeamten aneinanderreihen, welche nicht in den weiter nach Osten gelegenen Felsen- gruften beigesetzt wurden. Es sind gestreckte, aus mächtigen Quadern zusammen¬ gefügte Gebäude mit plattem Dach und pyramidal geneigten Wanden, bald Stößer, bald kleiner, alle selderweis geordnet. Westwärts endlich schweift der ^n'et über eine in Rostbraun und Gelb gekleidete, von allem Pflanzenwuchs entblößte Einöde, den Anfang der lybischen Wüste. Von fern gesehen, erscheinen die Pyramiden so ungeheuer, wie sie wirk¬ tet) sind. Näher kommend und nun gewahrend, daß man zuerst ihre natür- lche Unterlage mit veranschlagt hat, die sich etwa hundert Fuß über die Nil- ne erhebt, glaubt man sich getäuscht zu haben. Hart vor und noch mehr "uf ihnen wird man staunend wieder inne, welche Riesenwerke sie sind. Die genauen Maße mag der geneigte Leser im Conversationslexikon nachschlagen. genüge hier, zu bemerken, daß wir, wie man uns gerathen, den Versuch nrachten, von oben einen Stein nach dem Fuß der Pyramide zu werfen, und aß derselbe, obwol wir nicht zu den Schwächsten zählten, bereits auf dem in " ^ Stufen niederfiel; daß ferner der Thurm des Straßburger Münsters ^tels Innere der Pyramide gesetzt, mit seiner äußersten Spitze noch nicht Zu dem Plateau gereicht haben würde, auf dem wir standen; daß die S valtige Peterskirche Roms im Kern der Pyramide vollkommen Platz fände;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/119>, abgerufen am 24.07.2024.