Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und zeigten in ihren Grabkammern goldstrahlende Särge, in denen sich Gekrönte
aufrichteten. Ich blickte hinab nach den Pyramiden von Sakkarah und Da-
schur, und auch sie glühten von Auferstehungsfeuer. Ich sah wieder nach
der Cheopspyrcnnide. Der alte König hatte sich seiner Mumienhülle ent¬
wunden und saß auf seinem Sargdeckel. Vor ihm aber stand -- wahnwitzige
Komik des Traumgeistes, der uns Austern singen und Krokodille Walzer tan¬
zen lassen kann -- unser Romantiker und schenkte ihm in ein hohes Kelchglas
von dem in Giseh gekauften Champagner ein. Deutlich hörte ich den Pfropf
knallen.

Da wehte ein Windstoß, der den Vorhang der Höhle lüftete, das Wunder-
gespinnst hinweg. Ich rieb mir die Neste des Traumes von den Augen, und
trat hinaus, um mich vollends zu ermuntern. Es war der lebhafteste Traum
gewesen, den ich je geträumt. Vielleicht träumt man nur so in Gräbern,
in Mumiengrüsten, vielleicht hatte der alte Aegypter. der vor mir hier ge¬
ruht, in seinem Sarkophag ähnliche Wunder geträumt. Ich war in Schweiß geba¬
det, und das fast hörbar klopfende Herz bewies, daß es erst seit wenigen
Minuten wieder an der rechten Stelle saß. Draußen wars noch immer kalt,
und noch immer führten die Eulen und Schakale ihre gespenstische Sym¬
phonie auf.

Ich ging wieder auf mein Lager und suchte mir die Bilder des Traumes
zu fixiren. Es fiel mir ein, daß er weniger, als ich anfänglich geglaubt, ein
bloßes Gewebe der Einbildungskraft und der Erinnerung gewesen sein könne.
Ein Rest von Aberglauben, der sich vielleicht in vielen bei ähnlicher Lage geregt haben
würde, ließ mich aus dem Bilde des Romantikers vor dem Sarge des Königs
Cheops schließen, daß die Freunde in der Nähe seien. Der Donnerschuß,
den ich nach zweimaligem stillem Feuer gethan, selbst das Gebrüll des Mannlöwen
und das Knallen des Chamvagnerpsropfens konnte Wirklichkeit gewesen sein,
die Gefährten konnten ihren Weg hart an unserm Lager vorbeigenommen und
dabei wiederholt geschossen haben. So erhob ich mich nochmals, um durch
Rufen unsre Anwesenheit zu verkünden. Aber mein Halloh wurde vom Winde
verweht, niemand antwortete -- es war ein bloßer Traum gewesen.

Jetzt forderte die Natur energisch ihre Rechte, und ich fiel in einen Schlaf,
den Phantasie und Erinnerung mitschliefcn, und aus dem ich erst erwachte,
als die Gelegenheit, die Sonne vom Gipfel der Pyramide ausgehen zu sehen,
vorüber war.

Noch war aber das Abenteuer, in das der Romantiker uns gestürzt, nicht
ganz vorüber. Als ich hinaustrat, fand ich, daß wir mitten unter Todten¬
gebeinen unser Lager ausgeschlagen hatten. Die Erhöhung, von der ich des
Nachts den Schatten des kleinen Hundes aufgescheucht, war ein Haufen von
Menschenknochen und Schädeln, der kleine Hund ein Schakal gewesen. Unter


und zeigten in ihren Grabkammern goldstrahlende Särge, in denen sich Gekrönte
aufrichteten. Ich blickte hinab nach den Pyramiden von Sakkarah und Da-
schur, und auch sie glühten von Auferstehungsfeuer. Ich sah wieder nach
der Cheopspyrcnnide. Der alte König hatte sich seiner Mumienhülle ent¬
wunden und saß auf seinem Sargdeckel. Vor ihm aber stand — wahnwitzige
Komik des Traumgeistes, der uns Austern singen und Krokodille Walzer tan¬
zen lassen kann — unser Romantiker und schenkte ihm in ein hohes Kelchglas
von dem in Giseh gekauften Champagner ein. Deutlich hörte ich den Pfropf
knallen.

Da wehte ein Windstoß, der den Vorhang der Höhle lüftete, das Wunder-
gespinnst hinweg. Ich rieb mir die Neste des Traumes von den Augen, und
trat hinaus, um mich vollends zu ermuntern. Es war der lebhafteste Traum
gewesen, den ich je geträumt. Vielleicht träumt man nur so in Gräbern,
in Mumiengrüsten, vielleicht hatte der alte Aegypter. der vor mir hier ge¬
ruht, in seinem Sarkophag ähnliche Wunder geträumt. Ich war in Schweiß geba¬
det, und das fast hörbar klopfende Herz bewies, daß es erst seit wenigen
Minuten wieder an der rechten Stelle saß. Draußen wars noch immer kalt,
und noch immer führten die Eulen und Schakale ihre gespenstische Sym¬
phonie auf.

Ich ging wieder auf mein Lager und suchte mir die Bilder des Traumes
zu fixiren. Es fiel mir ein, daß er weniger, als ich anfänglich geglaubt, ein
bloßes Gewebe der Einbildungskraft und der Erinnerung gewesen sein könne.
Ein Rest von Aberglauben, der sich vielleicht in vielen bei ähnlicher Lage geregt haben
würde, ließ mich aus dem Bilde des Romantikers vor dem Sarge des Königs
Cheops schließen, daß die Freunde in der Nähe seien. Der Donnerschuß,
den ich nach zweimaligem stillem Feuer gethan, selbst das Gebrüll des Mannlöwen
und das Knallen des Chamvagnerpsropfens konnte Wirklichkeit gewesen sein,
die Gefährten konnten ihren Weg hart an unserm Lager vorbeigenommen und
dabei wiederholt geschossen haben. So erhob ich mich nochmals, um durch
Rufen unsre Anwesenheit zu verkünden. Aber mein Halloh wurde vom Winde
verweht, niemand antwortete — es war ein bloßer Traum gewesen.

Jetzt forderte die Natur energisch ihre Rechte, und ich fiel in einen Schlaf,
den Phantasie und Erinnerung mitschliefcn, und aus dem ich erst erwachte,
als die Gelegenheit, die Sonne vom Gipfel der Pyramide ausgehen zu sehen,
vorüber war.

Noch war aber das Abenteuer, in das der Romantiker uns gestürzt, nicht
ganz vorüber. Als ich hinaustrat, fand ich, daß wir mitten unter Todten¬
gebeinen unser Lager ausgeschlagen hatten. Die Erhöhung, von der ich des
Nachts den Schatten des kleinen Hundes aufgescheucht, war ein Haufen von
Menschenknochen und Schädeln, der kleine Hund ein Schakal gewesen. Unter


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0116" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187067"/>
          <p xml:id="ID_347" prev="#ID_346"> und zeigten in ihren Grabkammern goldstrahlende Särge, in denen sich Gekrönte<lb/>
aufrichteten. Ich blickte hinab nach den Pyramiden von Sakkarah und Da-<lb/>
schur, und auch sie glühten von Auferstehungsfeuer. Ich sah wieder nach<lb/>
der Cheopspyrcnnide. Der alte König hatte sich seiner Mumienhülle ent¬<lb/>
wunden und saß auf seinem Sargdeckel. Vor ihm aber stand &#x2014; wahnwitzige<lb/>
Komik des Traumgeistes, der uns Austern singen und Krokodille Walzer tan¬<lb/>
zen lassen kann &#x2014; unser Romantiker und schenkte ihm in ein hohes Kelchglas<lb/>
von dem in Giseh gekauften Champagner ein. Deutlich hörte ich den Pfropf<lb/>
knallen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_348"> Da wehte ein Windstoß, der den Vorhang der Höhle lüftete, das Wunder-<lb/>
gespinnst hinweg. Ich rieb mir die Neste des Traumes von den Augen, und<lb/>
trat hinaus, um mich vollends zu ermuntern. Es war der lebhafteste Traum<lb/>
gewesen, den ich je geträumt. Vielleicht träumt man nur so in Gräbern,<lb/>
in Mumiengrüsten, vielleicht hatte der alte Aegypter. der vor mir hier ge¬<lb/>
ruht, in seinem Sarkophag ähnliche Wunder geträumt. Ich war in Schweiß geba¬<lb/>
det, und das fast hörbar klopfende Herz bewies, daß es erst seit wenigen<lb/>
Minuten wieder an der rechten Stelle saß. Draußen wars noch immer kalt,<lb/>
und noch immer führten die Eulen und Schakale ihre gespenstische Sym¬<lb/>
phonie auf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_349"> Ich ging wieder auf mein Lager und suchte mir die Bilder des Traumes<lb/>
zu fixiren. Es fiel mir ein, daß er weniger, als ich anfänglich geglaubt, ein<lb/>
bloßes Gewebe der Einbildungskraft und der Erinnerung gewesen sein könne.<lb/>
Ein Rest von Aberglauben, der sich vielleicht in vielen bei ähnlicher Lage geregt haben<lb/>
würde, ließ mich aus dem Bilde des Romantikers vor dem Sarge des Königs<lb/>
Cheops schließen, daß die Freunde in der Nähe seien. Der Donnerschuß,<lb/>
den ich nach zweimaligem stillem Feuer gethan, selbst das Gebrüll des Mannlöwen<lb/>
und das Knallen des Chamvagnerpsropfens konnte Wirklichkeit gewesen sein,<lb/>
die Gefährten konnten ihren Weg hart an unserm Lager vorbeigenommen und<lb/>
dabei wiederholt geschossen haben. So erhob ich mich nochmals, um durch<lb/>
Rufen unsre Anwesenheit zu verkünden. Aber mein Halloh wurde vom Winde<lb/>
verweht, niemand antwortete &#x2014; es war ein bloßer Traum gewesen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_350"> Jetzt forderte die Natur energisch ihre Rechte, und ich fiel in einen Schlaf,<lb/>
den Phantasie und Erinnerung mitschliefcn, und aus dem ich erst erwachte,<lb/>
als die Gelegenheit, die Sonne vom Gipfel der Pyramide ausgehen zu sehen,<lb/>
vorüber war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_351" next="#ID_352"> Noch war aber das Abenteuer, in das der Romantiker uns gestürzt, nicht<lb/>
ganz vorüber. Als ich hinaustrat, fand ich, daß wir mitten unter Todten¬<lb/>
gebeinen unser Lager ausgeschlagen hatten. Die Erhöhung, von der ich des<lb/>
Nachts den Schatten des kleinen Hundes aufgescheucht, war ein Haufen von<lb/>
Menschenknochen und Schädeln, der kleine Hund ein Schakal gewesen. Unter</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0116] und zeigten in ihren Grabkammern goldstrahlende Särge, in denen sich Gekrönte aufrichteten. Ich blickte hinab nach den Pyramiden von Sakkarah und Da- schur, und auch sie glühten von Auferstehungsfeuer. Ich sah wieder nach der Cheopspyrcnnide. Der alte König hatte sich seiner Mumienhülle ent¬ wunden und saß auf seinem Sargdeckel. Vor ihm aber stand — wahnwitzige Komik des Traumgeistes, der uns Austern singen und Krokodille Walzer tan¬ zen lassen kann — unser Romantiker und schenkte ihm in ein hohes Kelchglas von dem in Giseh gekauften Champagner ein. Deutlich hörte ich den Pfropf knallen. Da wehte ein Windstoß, der den Vorhang der Höhle lüftete, das Wunder- gespinnst hinweg. Ich rieb mir die Neste des Traumes von den Augen, und trat hinaus, um mich vollends zu ermuntern. Es war der lebhafteste Traum gewesen, den ich je geträumt. Vielleicht träumt man nur so in Gräbern, in Mumiengrüsten, vielleicht hatte der alte Aegypter. der vor mir hier ge¬ ruht, in seinem Sarkophag ähnliche Wunder geträumt. Ich war in Schweiß geba¬ det, und das fast hörbar klopfende Herz bewies, daß es erst seit wenigen Minuten wieder an der rechten Stelle saß. Draußen wars noch immer kalt, und noch immer führten die Eulen und Schakale ihre gespenstische Sym¬ phonie auf. Ich ging wieder auf mein Lager und suchte mir die Bilder des Traumes zu fixiren. Es fiel mir ein, daß er weniger, als ich anfänglich geglaubt, ein bloßes Gewebe der Einbildungskraft und der Erinnerung gewesen sein könne. Ein Rest von Aberglauben, der sich vielleicht in vielen bei ähnlicher Lage geregt haben würde, ließ mich aus dem Bilde des Romantikers vor dem Sarge des Königs Cheops schließen, daß die Freunde in der Nähe seien. Der Donnerschuß, den ich nach zweimaligem stillem Feuer gethan, selbst das Gebrüll des Mannlöwen und das Knallen des Chamvagnerpsropfens konnte Wirklichkeit gewesen sein, die Gefährten konnten ihren Weg hart an unserm Lager vorbeigenommen und dabei wiederholt geschossen haben. So erhob ich mich nochmals, um durch Rufen unsre Anwesenheit zu verkünden. Aber mein Halloh wurde vom Winde verweht, niemand antwortete — es war ein bloßer Traum gewesen. Jetzt forderte die Natur energisch ihre Rechte, und ich fiel in einen Schlaf, den Phantasie und Erinnerung mitschliefcn, und aus dem ich erst erwachte, als die Gelegenheit, die Sonne vom Gipfel der Pyramide ausgehen zu sehen, vorüber war. Noch war aber das Abenteuer, in das der Romantiker uns gestürzt, nicht ganz vorüber. Als ich hinaustrat, fand ich, daß wir mitten unter Todten¬ gebeinen unser Lager ausgeschlagen hatten. Die Erhöhung, von der ich des Nachts den Schatten des kleinen Hundes aufgescheucht, war ein Haufen von Menschenknochen und Schädeln, der kleine Hund ein Schakal gewesen. Unter

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/116
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/116>, abgerufen am 24.07.2024.