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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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sang nach den Pyramiden hinauf und gewahrten bereits die schwarzen Höhlen¬
öffnungen in der Gräberwand, als der Esel erschöpft zusammenbrach. Meine
Araber schienen das als ein "bis hierher und nicht weiter" zu betrachten.
Emsig lösten sie dem Thiere die Stricke, welche die Last auf seinem Rücken
hielten, bauten mir ein Bett in den Sand und legten sich, unbekümmert um
meine Geberden, mit denen ich ihnen die Gräber wies und den Esel
wieder zu beladen befahl, neben das Granaden in den Wüstensand hin.
Mit Gewalt war hier nichts auszurichten, und so versuchte ichs im Wege
der Güte, gab jedem ein Brot und eine Orange, ließ sie eine Viertelstunde
essen und ausruhen und wiederholte dann meinen Befehl. Etwas willfähriger
gestimmt, gehorchten sie jetzt, weckten den Esel, der mit einem ungeheuren
lautschallenden Gähnen auffuhr, beluden ihn und folgten mir die noch übrigen
zweihundert Schritte nach den Grüften. In der ersten hatten, wie wir beim
Schimmer der Sterne sahen (der Mond war inzwischen in die Wüste hinter
den Pyramiden versunken) Reisende gekocht und der Boden war voll Kohlen.
Aber schon die zweite war ganz für meinen Zweck geeignet. Es war eine
schöne Doppclhöhle, hoch genug, um darin aufrecht zu stehen, und mit dem
feinsten, reinlichsten Sande bestreut. Rasch war die eine Kammer in ein
Schlafgemach für mich verwandelt, in der andern nahmen der Esel und meine
arabischen Begleiter Platz. Meister Burrito*), dem es klar geworden, daß
hier für heute seine Noth ein Ende nehmen sollte, stieß ein dankerfülltes
Uahaho-o-oh aus, welches von nachbarlich angesiedelten Eulen und Schakalen
mit schauerlichem Geheul und Gekreisch beantwortet wurde, und siel auf die
Seite. Die Araber baten noch um einen Trunk Wasser und schnarchten sich
dann gegenseitig in Schlaf.

Ich war ermüdet, aber nicht schläfrig, und so hörte ich noch geraume
Zeit das Concert der Käuze und Fledermäuse, welche bei den benachbarten
Grabgrotten aus und einschwirrten, und in deren Piepen und Kreischen sich
bisweilen ein Schakal mit seinem heisern Geheul mischte. Einmal kam das
Geheul näher, ich vernahm, wie etwas vor der Gruft trockne hohle Gegen¬
stände klappernd durcheinanderwarf, und als ich die Decke, die als Vorhang
diente, wegschob und hinaustrat, huschte von einer etwa drei Schritt ent¬
fernten Erhöhung des Bodens, wie es schien, einem Holzhaufen, ein Etwas
wie der Schatten eines kleinen Hundes weg. Die Nacht war bitter kalt ge-
worden, und ich dachte an die Möglichkeit, daß die Gefährten sich in der
Nähe befinden und sehnlich nach den Decken verlangen könnten. Eine Weile
horchte ich auf ein Signal. Dann beschloß ich, einen der Schutthügel über
unserm Lager zu besteigen, und durch Halloh meine Ankunft anzuzeigen.



") Name der Esel bei den Eselöbubeu Aegyptens, das arabische Wort ist Chamar.

sang nach den Pyramiden hinauf und gewahrten bereits die schwarzen Höhlen¬
öffnungen in der Gräberwand, als der Esel erschöpft zusammenbrach. Meine
Araber schienen das als ein „bis hierher und nicht weiter" zu betrachten.
Emsig lösten sie dem Thiere die Stricke, welche die Last auf seinem Rücken
hielten, bauten mir ein Bett in den Sand und legten sich, unbekümmert um
meine Geberden, mit denen ich ihnen die Gräber wies und den Esel
wieder zu beladen befahl, neben das Granaden in den Wüstensand hin.
Mit Gewalt war hier nichts auszurichten, und so versuchte ichs im Wege
der Güte, gab jedem ein Brot und eine Orange, ließ sie eine Viertelstunde
essen und ausruhen und wiederholte dann meinen Befehl. Etwas willfähriger
gestimmt, gehorchten sie jetzt, weckten den Esel, der mit einem ungeheuren
lautschallenden Gähnen auffuhr, beluden ihn und folgten mir die noch übrigen
zweihundert Schritte nach den Grüften. In der ersten hatten, wie wir beim
Schimmer der Sterne sahen (der Mond war inzwischen in die Wüste hinter
den Pyramiden versunken) Reisende gekocht und der Boden war voll Kohlen.
Aber schon die zweite war ganz für meinen Zweck geeignet. Es war eine
schöne Doppclhöhle, hoch genug, um darin aufrecht zu stehen, und mit dem
feinsten, reinlichsten Sande bestreut. Rasch war die eine Kammer in ein
Schlafgemach für mich verwandelt, in der andern nahmen der Esel und meine
arabischen Begleiter Platz. Meister Burrito*), dem es klar geworden, daß
hier für heute seine Noth ein Ende nehmen sollte, stieß ein dankerfülltes
Uahaho-o-oh aus, welches von nachbarlich angesiedelten Eulen und Schakalen
mit schauerlichem Geheul und Gekreisch beantwortet wurde, und siel auf die
Seite. Die Araber baten noch um einen Trunk Wasser und schnarchten sich
dann gegenseitig in Schlaf.

Ich war ermüdet, aber nicht schläfrig, und so hörte ich noch geraume
Zeit das Concert der Käuze und Fledermäuse, welche bei den benachbarten
Grabgrotten aus und einschwirrten, und in deren Piepen und Kreischen sich
bisweilen ein Schakal mit seinem heisern Geheul mischte. Einmal kam das
Geheul näher, ich vernahm, wie etwas vor der Gruft trockne hohle Gegen¬
stände klappernd durcheinanderwarf, und als ich die Decke, die als Vorhang
diente, wegschob und hinaustrat, huschte von einer etwa drei Schritt ent¬
fernten Erhöhung des Bodens, wie es schien, einem Holzhaufen, ein Etwas
wie der Schatten eines kleinen Hundes weg. Die Nacht war bitter kalt ge-
worden, und ich dachte an die Möglichkeit, daß die Gefährten sich in der
Nähe befinden und sehnlich nach den Decken verlangen könnten. Eine Weile
horchte ich auf ein Signal. Dann beschloß ich, einen der Schutthügel über
unserm Lager zu besteigen, und durch Halloh meine Ankunft anzuzeigen.



") Name der Esel bei den Eselöbubeu Aegyptens, das arabische Wort ist Chamar.
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[0114] sang nach den Pyramiden hinauf und gewahrten bereits die schwarzen Höhlen¬ öffnungen in der Gräberwand, als der Esel erschöpft zusammenbrach. Meine Araber schienen das als ein „bis hierher und nicht weiter" zu betrachten. Emsig lösten sie dem Thiere die Stricke, welche die Last auf seinem Rücken hielten, bauten mir ein Bett in den Sand und legten sich, unbekümmert um meine Geberden, mit denen ich ihnen die Gräber wies und den Esel wieder zu beladen befahl, neben das Granaden in den Wüstensand hin. Mit Gewalt war hier nichts auszurichten, und so versuchte ichs im Wege der Güte, gab jedem ein Brot und eine Orange, ließ sie eine Viertelstunde essen und ausruhen und wiederholte dann meinen Befehl. Etwas willfähriger gestimmt, gehorchten sie jetzt, weckten den Esel, der mit einem ungeheuren lautschallenden Gähnen auffuhr, beluden ihn und folgten mir die noch übrigen zweihundert Schritte nach den Grüften. In der ersten hatten, wie wir beim Schimmer der Sterne sahen (der Mond war inzwischen in die Wüste hinter den Pyramiden versunken) Reisende gekocht und der Boden war voll Kohlen. Aber schon die zweite war ganz für meinen Zweck geeignet. Es war eine schöne Doppclhöhle, hoch genug, um darin aufrecht zu stehen, und mit dem feinsten, reinlichsten Sande bestreut. Rasch war die eine Kammer in ein Schlafgemach für mich verwandelt, in der andern nahmen der Esel und meine arabischen Begleiter Platz. Meister Burrito*), dem es klar geworden, daß hier für heute seine Noth ein Ende nehmen sollte, stieß ein dankerfülltes Uahaho-o-oh aus, welches von nachbarlich angesiedelten Eulen und Schakalen mit schauerlichem Geheul und Gekreisch beantwortet wurde, und siel auf die Seite. Die Araber baten noch um einen Trunk Wasser und schnarchten sich dann gegenseitig in Schlaf. Ich war ermüdet, aber nicht schläfrig, und so hörte ich noch geraume Zeit das Concert der Käuze und Fledermäuse, welche bei den benachbarten Grabgrotten aus und einschwirrten, und in deren Piepen und Kreischen sich bisweilen ein Schakal mit seinem heisern Geheul mischte. Einmal kam das Geheul näher, ich vernahm, wie etwas vor der Gruft trockne hohle Gegen¬ stände klappernd durcheinanderwarf, und als ich die Decke, die als Vorhang diente, wegschob und hinaustrat, huschte von einer etwa drei Schritt ent¬ fernten Erhöhung des Bodens, wie es schien, einem Holzhaufen, ein Etwas wie der Schatten eines kleinen Hundes weg. Die Nacht war bitter kalt ge- worden, und ich dachte an die Möglichkeit, daß die Gefährten sich in der Nähe befinden und sehnlich nach den Decken verlangen könnten. Eine Weile horchte ich auf ein Signal. Dann beschloß ich, einen der Schutthügel über unserm Lager zu besteigen, und durch Halloh meine Ankunft anzuzeigen. ") Name der Esel bei den Eselöbubeu Aegyptens, das arabische Wort ist Chamar.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/114>, abgerufen am 24.07.2024.