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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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oder Schätzchen liegen zu müssen, ohne hinein zu dürfen. Indeß fanden sie
sich bald in dieses trübe Geschick, da sie wußten, daß es ihnen bei den Clw-
wadschi nichts geholfen hätte, wenn sie sich nicht hineingefunden hätten.
Allah ist groß und der Chowadschi freigebig -- mit Bakschisch, wenn er Ge¬
horsam, mit dem Kurbadsch, wenn er Ungehorsam findet. Mit dem Oel
dieser einfachen Philosophie ebneten sie die anfangs ziemlich hochgehenden
Wogen ihres Zornes und halfen uns und dem Dragoman bis nöthigen Vor¬
kehrungen zu möglichst bequemer Ausführung unsres Planes treffen. Zwei
von ihnen ruderten hinüber nach Altkairo, um Reit- und Packesel zu holen.
Andere trugen uns, nachdem diese gekommen, durch die seichte Flut, in der
das Schiff vor Giseh lag, aufs Trockne. Wieder andere schafften Betten,
Decken, Gewehre und Eßwaaren ans Ufer. Zum Mitgehen wollte sich an¬
fänglich keiner entschließen, ich vermuthe, weil sie die Pyramiden für Geister¬
wohnungen hielten und die Gespenster fürchteten, welche der Aberglaube der
Araber dort die Schätze Salomos hüten läßt. Endlich ließen sich zwei von
ihnen durch den Dragoman, dem das Unternehmen selbst nicht geheuer schien,
überreden, der Gefahr, von einem Dschin zerrissen zu werden. Trotz zu bieten,
holten aus dem Schiffsbauch die Prügel, mit denen bewaffnet die Matrosen
der Nilbarken an den Orten, wo angelegt wird, Nachtwache halten, und stellten
sich uns zur Verfügung. "Bismillah!" -- in Gottes Namen -- rief ihnen
der alte Steuermann nach, schüttelte den Kopf und breitete seinen Ueberwurf
zum Nachtgebet aus, in das er die thörichten Chowadschi schwerlich ein¬
geschlossen haben wird.

Es war nach neun Uhr Abends. Die Pyramiden liegen zwei starke
Stunden westlich von Giseh und zwar hart am Saume der Wüste. Der Weg
dahin ist für den, der dort gewesen ist und einiges Ortsgedüchtniß hat, leicht
wieder zu finden. Zudem war der Himmel wolkenlos, und es gab Mond¬
schein nicht blos im Kalender. Gefahren konnte die Unternehmung keine mit
sich bringen. Dragoman Hassan sprach zwar, da Geister bei uns nicht ver¬
fingen, von räuberischen Bidauis. und in der That wäre zehn Jahre vorher
Leuten, die es vorziehen, ihren Kopf zwischen den Schultern statt zwischen
den Beinen zu haben, eine nächtliche Tour nach den Pyramiden kaum zu
rathen gewesen. Jetzt war nichts zu befürchten. Der aufgeklärte Despotis¬
mus der Vicekönige. von den Consuln gelegentlich durch einen gelinden Rippen¬
stoß zu größerer Energie ermuntert, hält in Aegypten aus gute Polizei, die
Beduinen sind bei jeder Überschreitung ihres Wüstengebiets mit blutigen
Köpfen heimgeschickt worden, die Fellahin endlich, welche in den Dörfern
unter den Pyramiden wohnen, sind sicherlich keine Muster der Bescheidenheit
und Ehrlichkeit, aber friedfertiger Natur. Sie sind es schon deshalb, weil
Gewaltthaten an Europäern verübt, ihnen von Kairo her Bastonaden ohne


oder Schätzchen liegen zu müssen, ohne hinein zu dürfen. Indeß fanden sie
sich bald in dieses trübe Geschick, da sie wußten, daß es ihnen bei den Clw-
wadschi nichts geholfen hätte, wenn sie sich nicht hineingefunden hätten.
Allah ist groß und der Chowadschi freigebig — mit Bakschisch, wenn er Ge¬
horsam, mit dem Kurbadsch, wenn er Ungehorsam findet. Mit dem Oel
dieser einfachen Philosophie ebneten sie die anfangs ziemlich hochgehenden
Wogen ihres Zornes und halfen uns und dem Dragoman bis nöthigen Vor¬
kehrungen zu möglichst bequemer Ausführung unsres Planes treffen. Zwei
von ihnen ruderten hinüber nach Altkairo, um Reit- und Packesel zu holen.
Andere trugen uns, nachdem diese gekommen, durch die seichte Flut, in der
das Schiff vor Giseh lag, aufs Trockne. Wieder andere schafften Betten,
Decken, Gewehre und Eßwaaren ans Ufer. Zum Mitgehen wollte sich an¬
fänglich keiner entschließen, ich vermuthe, weil sie die Pyramiden für Geister¬
wohnungen hielten und die Gespenster fürchteten, welche der Aberglaube der
Araber dort die Schätze Salomos hüten läßt. Endlich ließen sich zwei von
ihnen durch den Dragoman, dem das Unternehmen selbst nicht geheuer schien,
überreden, der Gefahr, von einem Dschin zerrissen zu werden. Trotz zu bieten,
holten aus dem Schiffsbauch die Prügel, mit denen bewaffnet die Matrosen
der Nilbarken an den Orten, wo angelegt wird, Nachtwache halten, und stellten
sich uns zur Verfügung. „Bismillah!" — in Gottes Namen — rief ihnen
der alte Steuermann nach, schüttelte den Kopf und breitete seinen Ueberwurf
zum Nachtgebet aus, in das er die thörichten Chowadschi schwerlich ein¬
geschlossen haben wird.

Es war nach neun Uhr Abends. Die Pyramiden liegen zwei starke
Stunden westlich von Giseh und zwar hart am Saume der Wüste. Der Weg
dahin ist für den, der dort gewesen ist und einiges Ortsgedüchtniß hat, leicht
wieder zu finden. Zudem war der Himmel wolkenlos, und es gab Mond¬
schein nicht blos im Kalender. Gefahren konnte die Unternehmung keine mit
sich bringen. Dragoman Hassan sprach zwar, da Geister bei uns nicht ver¬
fingen, von räuberischen Bidauis. und in der That wäre zehn Jahre vorher
Leuten, die es vorziehen, ihren Kopf zwischen den Schultern statt zwischen
den Beinen zu haben, eine nächtliche Tour nach den Pyramiden kaum zu
rathen gewesen. Jetzt war nichts zu befürchten. Der aufgeklärte Despotis¬
mus der Vicekönige. von den Consuln gelegentlich durch einen gelinden Rippen¬
stoß zu größerer Energie ermuntert, hält in Aegypten aus gute Polizei, die
Beduinen sind bei jeder Überschreitung ihres Wüstengebiets mit blutigen
Köpfen heimgeschickt worden, die Fellahin endlich, welche in den Dörfern
unter den Pyramiden wohnen, sind sicherlich keine Muster der Bescheidenheit
und Ehrlichkeit, aber friedfertiger Natur. Sie sind es schon deshalb, weil
Gewaltthaten an Europäern verübt, ihnen von Kairo her Bastonaden ohne


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/108>, abgerufen am 24.07.2024.