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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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sie es doch um zur Kirchthumspolitik. Danach ermißt sich der Werth der fol¬
genden Bemerkung: "Weit entfernt, daß es wünschenswert!) wäre, den bureau¬
kratischen Centralismus des preußischen Systems über das übrige Deutsch¬
land auszubreiten, wird es vielmehr die Aufgabe der kleinern deutschen Staaten
werden müssen, durch ihren Geist deccntralisirend und örtliche Selbstregierung
befördernd (örtliche Selbstregierung in Flachsenfingen!!), auf Preußen einzu¬
wirken."

Aber die Aufgabe dieser Gruppe geht noch weiter. "Einzeln den beiden
deutschen Großstaaten gegenübergestellt, machen die Mittel- und Kleinstaaten
jede zweckmäßige Organisation des Ganzen unmöglich." "Für sie muß also
eine andere Sicherung des Bestandes und der Unabhängigkeit gefunden werden,
als die in der jetzigen Bundesverfassung enthalten, eine Sicherung, durch die
sie in das richtige Verhältniß nicht nur des R echtes, sondern auch der Macht
Mit den beiden deutschen Großstaaten treten. Dieser Zweck wird erreicht,
wenn die deutschen Mittel- und Kleinstaaten (sammt und sonders) unter sich
zu einem engern Bunde zusammentreten, der sich nach eignem Interesse und
Gutdünken zur dritten deutschen Macht organisirt, und als solche mit
Oestreich und Preußen ebenbürtig zu einer deutschen Dreihcrrschaft zusammen¬
tritt. An diese dritte deutsche Macht dürfte von Seiten der beiden andern
keine die innere Organisation beschränkende Anforderung gestellt werden, außer
daß sie sich, in welcher Form es auch sei (vielleicht wieder ein Kleinkaiserthum?)
eine die Einheit und Kraft der Action nach außen zulassende Bundesgewalt
schaffen, die im Stande sei. den Souveränen von Oestreich und
Preußen würdig an die Seite zu treten. Von abgesonderten Heer-
Wesen und abgesonderten diplomatischem Verkehr der einzelnen Staaten im
^gern Bunde der kleinen dürfte nicht die Rede sein, aber der deutsche Klein¬
staatenbund würde dadurch als Ganzes eine politische Stellung gewinnen,
deren Ehre und Macht auf jedes, auch das kleinste seiner Glieder (Waldeck
"ad Lippe-Detmold) zurücksiele." "Dem diplomatischen Verkehr -- und dies
wäre eine Lebensfrage -- müßte eine Organisation gegeben werden, die eine
Reiche- und gemeinsame Betheiligung der drei Glieder der deutschen Drei-
berrschaft bedingt und sicherte."

Zunächst füllt auf. daß die Schwierigkeiten, diesen engsten Bundesstaat
gründen, nicht kleiner sein dürften als diejenigen, die der preußischen
^nion im Wege stehn. Vor allen Dingen wäre doch wol freiwillige Ein¬
stimmung der Betheiligten nöthig. Ob nun aber die vier Mittelstaaten sich
^ju versteh" werden, einem unter ihnen oder einer andern durch Volksver¬
tretung controlirten Centralgewalt ihre Armeen und ihre Diplomaten abzutreten?
^'r meinen, das Fröbelsche Project wird niemand so lächerlich vorkommen,
"is den Regierungen der Mittelstaaten selbst, auch wenn sie es, um anderweitigen


sie es doch um zur Kirchthumspolitik. Danach ermißt sich der Werth der fol¬
genden Bemerkung: „Weit entfernt, daß es wünschenswert!) wäre, den bureau¬
kratischen Centralismus des preußischen Systems über das übrige Deutsch¬
land auszubreiten, wird es vielmehr die Aufgabe der kleinern deutschen Staaten
werden müssen, durch ihren Geist deccntralisirend und örtliche Selbstregierung
befördernd (örtliche Selbstregierung in Flachsenfingen!!), auf Preußen einzu¬
wirken."

Aber die Aufgabe dieser Gruppe geht noch weiter. „Einzeln den beiden
deutschen Großstaaten gegenübergestellt, machen die Mittel- und Kleinstaaten
jede zweckmäßige Organisation des Ganzen unmöglich." „Für sie muß also
eine andere Sicherung des Bestandes und der Unabhängigkeit gefunden werden,
als die in der jetzigen Bundesverfassung enthalten, eine Sicherung, durch die
sie in das richtige Verhältniß nicht nur des R echtes, sondern auch der Macht
Mit den beiden deutschen Großstaaten treten. Dieser Zweck wird erreicht,
wenn die deutschen Mittel- und Kleinstaaten (sammt und sonders) unter sich
zu einem engern Bunde zusammentreten, der sich nach eignem Interesse und
Gutdünken zur dritten deutschen Macht organisirt, und als solche mit
Oestreich und Preußen ebenbürtig zu einer deutschen Dreihcrrschaft zusammen¬
tritt. An diese dritte deutsche Macht dürfte von Seiten der beiden andern
keine die innere Organisation beschränkende Anforderung gestellt werden, außer
daß sie sich, in welcher Form es auch sei (vielleicht wieder ein Kleinkaiserthum?)
eine die Einheit und Kraft der Action nach außen zulassende Bundesgewalt
schaffen, die im Stande sei. den Souveränen von Oestreich und
Preußen würdig an die Seite zu treten. Von abgesonderten Heer-
Wesen und abgesonderten diplomatischem Verkehr der einzelnen Staaten im
^gern Bunde der kleinen dürfte nicht die Rede sein, aber der deutsche Klein¬
staatenbund würde dadurch als Ganzes eine politische Stellung gewinnen,
deren Ehre und Macht auf jedes, auch das kleinste seiner Glieder (Waldeck
"ad Lippe-Detmold) zurücksiele." „Dem diplomatischen Verkehr — und dies
wäre eine Lebensfrage — müßte eine Organisation gegeben werden, die eine
Reiche- und gemeinsame Betheiligung der drei Glieder der deutschen Drei-
berrschaft bedingt und sicherte."

Zunächst füllt auf. daß die Schwierigkeiten, diesen engsten Bundesstaat
gründen, nicht kleiner sein dürften als diejenigen, die der preußischen
^nion im Wege stehn. Vor allen Dingen wäre doch wol freiwillige Ein¬
stimmung der Betheiligten nöthig. Ob nun aber die vier Mittelstaaten sich
^ju versteh» werden, einem unter ihnen oder einer andern durch Volksver¬
tretung controlirten Centralgewalt ihre Armeen und ihre Diplomaten abzutreten?
^'r meinen, das Fröbelsche Project wird niemand so lächerlich vorkommen,
"is den Regierungen der Mittelstaaten selbst, auch wenn sie es, um anderweitigen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/99>, abgerufen am 27.08.2024.