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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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beobachtet worden sind, die Haarquallen, haben zwei Fuß im Durchmesser
und Fühlfäden von achtzehn Fuß Länge.

Unter dem zahlreichen Gewürm, das auf dem Watt herumspaziert, zeich¬
net sich die vier Zoll lange und zwei Zoll breite Seemaus oder Glanzraupe
aus, die in den herrlichsten Negenbogenfarben schimmert. Welche seltsame
Kostgänger der liebe Gott an seiner großen Tasel sitzen hat, davon legen die
verschiedenen Krebsgeschlechter, denen man hier begegnet, ein recht auf¬
fallendes Zeugniß ab -- von dem Flohkrebs an, der nur einen halben Zoll
mißt, bis zum Hummer, der einen Fuß lang ist, ja, wenn es hoch kommt, die
Größe von drei Fuß und ein Gewicht von zwölf Pfund erreicht. Der kleine
Flohkrebs schwimmt auf dem Rücken und schlüpft mit seinen vier Scheren und
zehn Füßchen den Fischen in die Kiemen hinein, wo er schlimme Geschwüre
verursacht. Außerordentlich ist die Kraft, die der Hummer in seinen Scheren
hat; wie mit einer großen Beißzange zwickt er damit einen Finger durch.
Der Hauptfundort dieses Thieres, das bekanntlich weit und breit als Lecker¬
bissen verschickt wird, sind die Felsenritzen der Scheren Norwegens; für beson¬
ders schmackhaft gelten die Weibchen. Das zarteste Krebsfleisch liefert die
Garnele. Die Garnele, auch Gamal oder Gemal genannt, kommt an den
Küsten von Deutschland, England und Frankreich in ungeheurer Menge vor;
besonders reich im Oldenburgischen ist der Jahdebusen. Kinder und Weiber
fangen sie auf dem Watt mit einem besondern Garn, das auf Wanger-Oge
Phuuk genannt wird. Dies Krebschen erreicht kaum die Größe eines kleinen
Fingers; die Schale ist ganz weich', die Fühler länger als das Thier selbst;
der Schwanz besitzt eine außerordentliche Muskelkraft. Dieser Theil wird allein
gegessen; denn die Scheren sind wenig entwickelt- Die Garnelen werden, wie
die Krebse überhaupt, in den Monaten, die kein N enthalten, genossen.
Gekocht sehen sie blaßroth aus und sind mit Recht eine Lieblingskost der
Oldenburger. Einen komischen Anblick gewährt der zur Familie der Krabben
gehörige Taschenkrebs, auch Tasche genannt, dessen markiges Fleisch ebenfalls
genossen wird. Er sieht eher wie eine gepanzerte Riesenspinne als wie ein
Krebs aus, erreicht die Breite einer Spanne und das Gewicht von fünf Pfun¬
den und kann sehr behende vorwärts, seitwärts und rückwärts laufen. Die
Strandkrabbe oder gemeine Krabbe, welche denselben lächerlichen Gang hat
und ebenfalls eßbar ist, kommt an der Küste Wanger-Oges außerordentlich
häufig vor. Im August wechseln sie die Schale. Da der neue Panzer noch
sehr weich ist, sind sie in Gefahr, von ihren Kameraden gefressen zu werden;
weshalb sie sich auf einige Tage verkriechen. Bei diesem Schalenwechsel wird
der alte Magen gegen einen neuen vertauscht; der alte Magen ist die erste
Kost, die der neue verdaut. Die Strandkrabben sind wahre Kannibalen, die
sich gegenseitig mit großem Appetit verzehren. Ost sieht man zwei größere


beobachtet worden sind, die Haarquallen, haben zwei Fuß im Durchmesser
und Fühlfäden von achtzehn Fuß Länge.

Unter dem zahlreichen Gewürm, das auf dem Watt herumspaziert, zeich¬
net sich die vier Zoll lange und zwei Zoll breite Seemaus oder Glanzraupe
aus, die in den herrlichsten Negenbogenfarben schimmert. Welche seltsame
Kostgänger der liebe Gott an seiner großen Tasel sitzen hat, davon legen die
verschiedenen Krebsgeschlechter, denen man hier begegnet, ein recht auf¬
fallendes Zeugniß ab — von dem Flohkrebs an, der nur einen halben Zoll
mißt, bis zum Hummer, der einen Fuß lang ist, ja, wenn es hoch kommt, die
Größe von drei Fuß und ein Gewicht von zwölf Pfund erreicht. Der kleine
Flohkrebs schwimmt auf dem Rücken und schlüpft mit seinen vier Scheren und
zehn Füßchen den Fischen in die Kiemen hinein, wo er schlimme Geschwüre
verursacht. Außerordentlich ist die Kraft, die der Hummer in seinen Scheren
hat; wie mit einer großen Beißzange zwickt er damit einen Finger durch.
Der Hauptfundort dieses Thieres, das bekanntlich weit und breit als Lecker¬
bissen verschickt wird, sind die Felsenritzen der Scheren Norwegens; für beson¬
ders schmackhaft gelten die Weibchen. Das zarteste Krebsfleisch liefert die
Garnele. Die Garnele, auch Gamal oder Gemal genannt, kommt an den
Küsten von Deutschland, England und Frankreich in ungeheurer Menge vor;
besonders reich im Oldenburgischen ist der Jahdebusen. Kinder und Weiber
fangen sie auf dem Watt mit einem besondern Garn, das auf Wanger-Oge
Phuuk genannt wird. Dies Krebschen erreicht kaum die Größe eines kleinen
Fingers; die Schale ist ganz weich', die Fühler länger als das Thier selbst;
der Schwanz besitzt eine außerordentliche Muskelkraft. Dieser Theil wird allein
gegessen; denn die Scheren sind wenig entwickelt- Die Garnelen werden, wie
die Krebse überhaupt, in den Monaten, die kein N enthalten, genossen.
Gekocht sehen sie blaßroth aus und sind mit Recht eine Lieblingskost der
Oldenburger. Einen komischen Anblick gewährt der zur Familie der Krabben
gehörige Taschenkrebs, auch Tasche genannt, dessen markiges Fleisch ebenfalls
genossen wird. Er sieht eher wie eine gepanzerte Riesenspinne als wie ein
Krebs aus, erreicht die Breite einer Spanne und das Gewicht von fünf Pfun¬
den und kann sehr behende vorwärts, seitwärts und rückwärts laufen. Die
Strandkrabbe oder gemeine Krabbe, welche denselben lächerlichen Gang hat
und ebenfalls eßbar ist, kommt an der Küste Wanger-Oges außerordentlich
häufig vor. Im August wechseln sie die Schale. Da der neue Panzer noch
sehr weich ist, sind sie in Gefahr, von ihren Kameraden gefressen zu werden;
weshalb sie sich auf einige Tage verkriechen. Bei diesem Schalenwechsel wird
der alte Magen gegen einen neuen vertauscht; der alte Magen ist die erste
Kost, die der neue verdaut. Die Strandkrabben sind wahre Kannibalen, die
sich gegenseitig mit großem Appetit verzehren. Ost sieht man zwei größere


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/70>, abgerufen am 22.07.2024.