Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

An dem nördlichen Strande von Wanger-Oge findet man bisweilen Bern¬
stein, und zwar in Verbindung mit Braunkohle, die ja für dessen ursprüng¬
liche Lagerstätte gilt.

An Vögeln ist aus unsrer Insel kein Mangel. Der unvermeidliche Spatz
findet sich natürlich auch hier; Hänfling und Rothkehlchen lassen ihren Gesang
hören; aber die Nachtigall, welche sonst in außerordentlicher Menge über das
Land verbreitet ist, bleibt fern, weil ihr das Gebüsch fehlt. Andere Wander¬
vögel, wie Schwalben, Bachstelzen -- im Oldenburgischen Quicksteert*) genannt
-- und Lerchen besuchen die Insel. Ein schncpfenartiger Vogel mit rothem
Kopf und Schnabel: der Kampfhahn (aus der Gattung der Strandläufer)
gibt einen guten Braten. Die Männchen kämpfen um die Weibchen mit großer
Heftigkeit, indem sie ihren hohen Federkragen aufstellen, und mit dem langen,
spitzen Schnabel wie mit einem Degen aufeinanderstoßen. Die besondere Auf¬
merksamkeit des Fremden aus dem Binnenland erregen die Schwimmvögel.
Von Tauchern kommen hier vor der Troll- und der Papageitaucher. Ihre
Füße stehen, wie bei ihrem größern Vetter, dem Pinguin, ganz nach hinten,
so daß sie auf dem Lande sich bald senkrecht erheben, bald, zusammenfallend,
auf Brust und Bauch fortrutschen, wobei sie ihre zum Fliegen ganz unbrauch¬
baren kleinen Flügelstummel wie Arme gebrauchen, um sich weiter zu helfen.
Wenn sie bei der Ebbe sich verspätet haben,,kann man sie auf diese Weise
manövriren sehen, und es ist dann nicht schwer, die tölpischen Vögel zu haschen.
Ihr Flaumenpelz wird gleich den Eiderdunen geschätzt. Möven und See-
schwalben gibt es in großer Anzahl. Ein überaus niedliches Thier ist die
kleine Möve von der Größe einer Lerche, mit zart bläulichgrauen Flügeldecken und
Unterhals. blendendweißen Kopf und Leib, glänzendschwarzer Kopfplatte und
zinnoberrothen Schwimmfüßchen. Sie fliegt schnell und in beträchtlicher Höhe.
Wie ein Raubvogel auf einer Stelle in der Luft sich haltend, schießt sie dann
.plötzlich auf ihre Beute ins Wpsser nieder. Die Möven fliegen oft, besonders
bei drohendem Sturm, die Flüsse hinauf und erscheinen dann auch im Binnen¬
land. So habe ich sie wiederholt in der Nähe Mannheims über dem Rhein
gesehn und mich jedesmal ihrer Erscheinung gefreut. Sie schienen mir Grüße
vom Meer zu bringen, mit dem ich doppelt, vom Süden und vom Norden
her, befreundet bin, und nach welchem jeder, der es kennen gelernt und ver¬
loren hat, Heimweh empfinden muß. Wer sich übrigens mit dem ganzen
Vogelreichthum Wanger-Oges bekannt machen will, muß die Insel in der käk-.
tern Jahreszeit besuchen; dann stellen sich auch wilde Schwane, wilde Gänse,
wilde Enten, Eidergänse, Sammtenten und Sägetaucher ein.

Der Strand Wanger-Oges ist mit vielen Muscheln bedeckt, wenn auch
die Nordsee die Mannigfaltigkeit und Schönheit der Schalthiere nicht aufzu-



") Von quick, lebendig, und Steert, Hwtcrtheil,

An dem nördlichen Strande von Wanger-Oge findet man bisweilen Bern¬
stein, und zwar in Verbindung mit Braunkohle, die ja für dessen ursprüng¬
liche Lagerstätte gilt.

An Vögeln ist aus unsrer Insel kein Mangel. Der unvermeidliche Spatz
findet sich natürlich auch hier; Hänfling und Rothkehlchen lassen ihren Gesang
hören; aber die Nachtigall, welche sonst in außerordentlicher Menge über das
Land verbreitet ist, bleibt fern, weil ihr das Gebüsch fehlt. Andere Wander¬
vögel, wie Schwalben, Bachstelzen — im Oldenburgischen Quicksteert*) genannt
— und Lerchen besuchen die Insel. Ein schncpfenartiger Vogel mit rothem
Kopf und Schnabel: der Kampfhahn (aus der Gattung der Strandläufer)
gibt einen guten Braten. Die Männchen kämpfen um die Weibchen mit großer
Heftigkeit, indem sie ihren hohen Federkragen aufstellen, und mit dem langen,
spitzen Schnabel wie mit einem Degen aufeinanderstoßen. Die besondere Auf¬
merksamkeit des Fremden aus dem Binnenland erregen die Schwimmvögel.
Von Tauchern kommen hier vor der Troll- und der Papageitaucher. Ihre
Füße stehen, wie bei ihrem größern Vetter, dem Pinguin, ganz nach hinten,
so daß sie auf dem Lande sich bald senkrecht erheben, bald, zusammenfallend,
auf Brust und Bauch fortrutschen, wobei sie ihre zum Fliegen ganz unbrauch¬
baren kleinen Flügelstummel wie Arme gebrauchen, um sich weiter zu helfen.
Wenn sie bei der Ebbe sich verspätet haben,,kann man sie auf diese Weise
manövriren sehen, und es ist dann nicht schwer, die tölpischen Vögel zu haschen.
Ihr Flaumenpelz wird gleich den Eiderdunen geschätzt. Möven und See-
schwalben gibt es in großer Anzahl. Ein überaus niedliches Thier ist die
kleine Möve von der Größe einer Lerche, mit zart bläulichgrauen Flügeldecken und
Unterhals. blendendweißen Kopf und Leib, glänzendschwarzer Kopfplatte und
zinnoberrothen Schwimmfüßchen. Sie fliegt schnell und in beträchtlicher Höhe.
Wie ein Raubvogel auf einer Stelle in der Luft sich haltend, schießt sie dann
.plötzlich auf ihre Beute ins Wpsser nieder. Die Möven fliegen oft, besonders
bei drohendem Sturm, die Flüsse hinauf und erscheinen dann auch im Binnen¬
land. So habe ich sie wiederholt in der Nähe Mannheims über dem Rhein
gesehn und mich jedesmal ihrer Erscheinung gefreut. Sie schienen mir Grüße
vom Meer zu bringen, mit dem ich doppelt, vom Süden und vom Norden
her, befreundet bin, und nach welchem jeder, der es kennen gelernt und ver¬
loren hat, Heimweh empfinden muß. Wer sich übrigens mit dem ganzen
Vogelreichthum Wanger-Oges bekannt machen will, muß die Insel in der käk-.
tern Jahreszeit besuchen; dann stellen sich auch wilde Schwane, wilde Gänse,
wilde Enten, Eidergänse, Sammtenten und Sägetaucher ein.

Der Strand Wanger-Oges ist mit vielen Muscheln bedeckt, wenn auch
die Nordsee die Mannigfaltigkeit und Schönheit der Schalthiere nicht aufzu-



") Von quick, lebendig, und Steert, Hwtcrtheil,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0068" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108198"/>
            <p xml:id="ID_226"> An dem nördlichen Strande von Wanger-Oge findet man bisweilen Bern¬<lb/>
stein, und zwar in Verbindung mit Braunkohle, die ja für dessen ursprüng¬<lb/>
liche Lagerstätte gilt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_227"> An Vögeln ist aus unsrer Insel kein Mangel. Der unvermeidliche Spatz<lb/>
findet sich natürlich auch hier; Hänfling und Rothkehlchen lassen ihren Gesang<lb/>
hören; aber die Nachtigall, welche sonst in außerordentlicher Menge über das<lb/>
Land verbreitet ist, bleibt fern, weil ihr das Gebüsch fehlt.  Andere Wander¬<lb/>
vögel, wie Schwalben, Bachstelzen &#x2014; im Oldenburgischen Quicksteert*) genannt<lb/>
&#x2014; und Lerchen besuchen die Insel.  Ein schncpfenartiger Vogel mit rothem<lb/>
Kopf und Schnabel: der Kampfhahn (aus der Gattung der Strandläufer)<lb/>
gibt einen guten Braten.  Die Männchen kämpfen um die Weibchen mit großer<lb/>
Heftigkeit, indem sie ihren hohen Federkragen aufstellen, und mit dem langen,<lb/>
spitzen Schnabel wie mit einem Degen aufeinanderstoßen.  Die besondere Auf¬<lb/>
merksamkeit des Fremden aus dem Binnenland erregen die Schwimmvögel.<lb/>
Von Tauchern kommen hier vor der Troll- und der Papageitaucher. Ihre<lb/>
Füße stehen, wie bei ihrem größern Vetter, dem Pinguin, ganz nach hinten,<lb/>
so daß sie auf dem Lande sich bald senkrecht erheben, bald, zusammenfallend,<lb/>
auf Brust und Bauch fortrutschen, wobei sie ihre zum Fliegen ganz unbrauch¬<lb/>
baren kleinen Flügelstummel wie Arme gebrauchen, um sich weiter zu helfen.<lb/>
Wenn sie bei der Ebbe sich verspätet haben,,kann man sie auf diese Weise<lb/>
manövriren sehen, und es ist dann nicht schwer, die tölpischen Vögel zu haschen.<lb/>
Ihr Flaumenpelz wird gleich den Eiderdunen geschätzt.  Möven und See-<lb/>
schwalben gibt es in großer Anzahl.  Ein überaus niedliches Thier ist die<lb/>
kleine Möve von der Größe einer Lerche, mit zart bläulichgrauen Flügeldecken und<lb/>
Unterhals. blendendweißen Kopf und Leib, glänzendschwarzer Kopfplatte und<lb/>
zinnoberrothen Schwimmfüßchen.  Sie fliegt schnell und in beträchtlicher Höhe.<lb/>
Wie ein Raubvogel auf einer Stelle in der Luft sich haltend, schießt sie dann<lb/>
.plötzlich auf ihre Beute ins Wpsser nieder.  Die Möven fliegen oft, besonders<lb/>
bei drohendem Sturm, die Flüsse hinauf und erscheinen dann auch im Binnen¬<lb/>
land.  So habe ich sie wiederholt in der Nähe Mannheims über dem Rhein<lb/>
gesehn und mich jedesmal ihrer Erscheinung gefreut.  Sie schienen mir Grüße<lb/>
vom Meer zu bringen, mit dem ich doppelt, vom Süden und vom Norden<lb/>
her, befreundet bin, und nach welchem jeder, der es kennen gelernt und ver¬<lb/>
loren hat, Heimweh empfinden muß.  Wer sich übrigens mit dem ganzen<lb/>
Vogelreichthum Wanger-Oges bekannt machen will, muß die Insel in der käk-.<lb/>
tern Jahreszeit besuchen; dann stellen sich auch wilde Schwane, wilde Gänse,<lb/>
wilde Enten, Eidergänse, Sammtenten und Sägetaucher ein.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_228" next="#ID_229"> Der Strand Wanger-Oges ist mit vielen Muscheln bedeckt, wenn auch<lb/>
die Nordsee die Mannigfaltigkeit und Schönheit der Schalthiere nicht aufzu-</p><lb/>
            <note xml:id="FID_8" place="foot"> ") Von quick, lebendig, und Steert, Hwtcrtheil,</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0068] An dem nördlichen Strande von Wanger-Oge findet man bisweilen Bern¬ stein, und zwar in Verbindung mit Braunkohle, die ja für dessen ursprüng¬ liche Lagerstätte gilt. An Vögeln ist aus unsrer Insel kein Mangel. Der unvermeidliche Spatz findet sich natürlich auch hier; Hänfling und Rothkehlchen lassen ihren Gesang hören; aber die Nachtigall, welche sonst in außerordentlicher Menge über das Land verbreitet ist, bleibt fern, weil ihr das Gebüsch fehlt. Andere Wander¬ vögel, wie Schwalben, Bachstelzen — im Oldenburgischen Quicksteert*) genannt — und Lerchen besuchen die Insel. Ein schncpfenartiger Vogel mit rothem Kopf und Schnabel: der Kampfhahn (aus der Gattung der Strandläufer) gibt einen guten Braten. Die Männchen kämpfen um die Weibchen mit großer Heftigkeit, indem sie ihren hohen Federkragen aufstellen, und mit dem langen, spitzen Schnabel wie mit einem Degen aufeinanderstoßen. Die besondere Auf¬ merksamkeit des Fremden aus dem Binnenland erregen die Schwimmvögel. Von Tauchern kommen hier vor der Troll- und der Papageitaucher. Ihre Füße stehen, wie bei ihrem größern Vetter, dem Pinguin, ganz nach hinten, so daß sie auf dem Lande sich bald senkrecht erheben, bald, zusammenfallend, auf Brust und Bauch fortrutschen, wobei sie ihre zum Fliegen ganz unbrauch¬ baren kleinen Flügelstummel wie Arme gebrauchen, um sich weiter zu helfen. Wenn sie bei der Ebbe sich verspätet haben,,kann man sie auf diese Weise manövriren sehen, und es ist dann nicht schwer, die tölpischen Vögel zu haschen. Ihr Flaumenpelz wird gleich den Eiderdunen geschätzt. Möven und See- schwalben gibt es in großer Anzahl. Ein überaus niedliches Thier ist die kleine Möve von der Größe einer Lerche, mit zart bläulichgrauen Flügeldecken und Unterhals. blendendweißen Kopf und Leib, glänzendschwarzer Kopfplatte und zinnoberrothen Schwimmfüßchen. Sie fliegt schnell und in beträchtlicher Höhe. Wie ein Raubvogel auf einer Stelle in der Luft sich haltend, schießt sie dann .plötzlich auf ihre Beute ins Wpsser nieder. Die Möven fliegen oft, besonders bei drohendem Sturm, die Flüsse hinauf und erscheinen dann auch im Binnen¬ land. So habe ich sie wiederholt in der Nähe Mannheims über dem Rhein gesehn und mich jedesmal ihrer Erscheinung gefreut. Sie schienen mir Grüße vom Meer zu bringen, mit dem ich doppelt, vom Süden und vom Norden her, befreundet bin, und nach welchem jeder, der es kennen gelernt und ver¬ loren hat, Heimweh empfinden muß. Wer sich übrigens mit dem ganzen Vogelreichthum Wanger-Oges bekannt machen will, muß die Insel in der käk-. tern Jahreszeit besuchen; dann stellen sich auch wilde Schwane, wilde Gänse, wilde Enten, Eidergänse, Sammtenten und Sägetaucher ein. Der Strand Wanger-Oges ist mit vielen Muscheln bedeckt, wenn auch die Nordsee die Mannigfaltigkeit und Schönheit der Schalthiere nicht aufzu- ") Von quick, lebendig, und Steert, Hwtcrtheil,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/68
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/68>, abgerufen am 23.07.2024.