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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Die Strafkolonie zählt im Durchschnitt etwa hundert Sentenciados, die
Garnison besteht aus zweihundert Mann, Bewohner, die nicht zu diesen
beiden Classen gehören, hat der trostlose Ort, der wie ein Adlershorst auf
seinem Klippencilcmd hangt, nur ein paar Dutzend. In die Mauern ein¬
geschachtelt, eng zusammengedrängt in die beiden Straßen, welche die Stadt
bilden und von denen die eine über der andern hinläuft, von allen Genüssen
der Civilisation abgeschieden, an eine Insel von wenigen Schritten Umfang
gekettet, finden die Soldaten ganz ebenso wie die Sträflinge ihre einzige Zer¬
streuung darin, daß sie die auf dem blauen Meer vorübersegelnden Schiffe zählen,
und es ist nicht zu verwundern, wenn sie die endlich nach langem Harren
erfolgende Ablösung als Erlösung begrüßen.

Die Entfernung von hier bis Ceuta beträgt etwa siebzehn deutsche
Meilen. Die Küste zwischen Pelor de Velez und Ceuta ist großentheils von
Mauren bewohnt. Etwa in der Mitte zwischen beiden Orten liegt die volk¬
reiche Stadt Tetuan (arabisch Titauan), westlich von Ceuta das bekannte
Tanger (arabisch Tanijah). Ceuta selbst befindet sich auf der Halbinsel gleiches
Namens, Gibraltar gegenüber, von dem es die hier etwa zwei deutsche
Meilen breite Meerenge trennt. Ob der alte Name schla oder Septum auf
die sieben Berge zurückzuführen ist, welche die Halbinsel wie ein Felsenkranz
umgeben, mögen die Gelehrten entscheiden. Gewiß ist nur, daß hier schon
im sechsten Jahrhundert ein Castell Septa-stand, welches von Justinian den
Vandalen entrissen wurde. 618 nahmen es die Westgothen ein, mit deren
Statthalter, dem Grafen Julian, der arabische Feldherr Musa einen Vertrag
zur Eroberung Spaniens abschloß, welcher jedoch erst 711 zur Ausführung
kam. Ceuta blieb nun in den Händen der Mauren, die es zum Hauptstapel¬
platz des Landes erhoben, bis es 1415 in die Hände der Portugiesen siel.
Mit ganz Portugal kam es 1580 unter Philipp dem Zweiten an die Krone
Spanien, bei der es auch nach der Wiederabtrennung Portugals verblieb. Ver¬
geblich wurde die starke Festung wiederholt von den Marokkanern belagert.
So 1697 vom Sultan Mulei Ismael und so 1732 unter der Führung des
Renegaten Ripperda. Selbst die Unterstützung, welche die Engländer den An¬
greifern liehen, vermochte nichts gegen die Stärke der Festungswerke. Im
Jahre 1810 wurde die Stadt auf kurze Zeit den Briten eingeräumt. Würde
sie ihnen einmal ganz abgetreten, so möchte sie mit Gibraltar vereint genügen,
die Meerenge vollständig zu sperren, während sie jetzt die Wichtigkeit jenes
ihres Gegenpartners auf der spanischen Küste unzweifelhaft etwas vermindert.

Heutzutage ist Ceuta der Hauptsitz der politischen und militärischen Ver¬
waltungsbehörden sämmtlicher Presidios und Residenz eines Suffraganbischofs
der Diöcese Sevilla. Es hat einen geistlichen Gerichtshof und mehre Mönchs¬
und Nonnenklöster, die indeß ohne Ausnahme dem hiesigen permanenten Ober-


Die Strafkolonie zählt im Durchschnitt etwa hundert Sentenciados, die
Garnison besteht aus zweihundert Mann, Bewohner, die nicht zu diesen
beiden Classen gehören, hat der trostlose Ort, der wie ein Adlershorst auf
seinem Klippencilcmd hangt, nur ein paar Dutzend. In die Mauern ein¬
geschachtelt, eng zusammengedrängt in die beiden Straßen, welche die Stadt
bilden und von denen die eine über der andern hinläuft, von allen Genüssen
der Civilisation abgeschieden, an eine Insel von wenigen Schritten Umfang
gekettet, finden die Soldaten ganz ebenso wie die Sträflinge ihre einzige Zer¬
streuung darin, daß sie die auf dem blauen Meer vorübersegelnden Schiffe zählen,
und es ist nicht zu verwundern, wenn sie die endlich nach langem Harren
erfolgende Ablösung als Erlösung begrüßen.

Die Entfernung von hier bis Ceuta beträgt etwa siebzehn deutsche
Meilen. Die Küste zwischen Pelor de Velez und Ceuta ist großentheils von
Mauren bewohnt. Etwa in der Mitte zwischen beiden Orten liegt die volk¬
reiche Stadt Tetuan (arabisch Titauan), westlich von Ceuta das bekannte
Tanger (arabisch Tanijah). Ceuta selbst befindet sich auf der Halbinsel gleiches
Namens, Gibraltar gegenüber, von dem es die hier etwa zwei deutsche
Meilen breite Meerenge trennt. Ob der alte Name schla oder Septum auf
die sieben Berge zurückzuführen ist, welche die Halbinsel wie ein Felsenkranz
umgeben, mögen die Gelehrten entscheiden. Gewiß ist nur, daß hier schon
im sechsten Jahrhundert ein Castell Septa-stand, welches von Justinian den
Vandalen entrissen wurde. 618 nahmen es die Westgothen ein, mit deren
Statthalter, dem Grafen Julian, der arabische Feldherr Musa einen Vertrag
zur Eroberung Spaniens abschloß, welcher jedoch erst 711 zur Ausführung
kam. Ceuta blieb nun in den Händen der Mauren, die es zum Hauptstapel¬
platz des Landes erhoben, bis es 1415 in die Hände der Portugiesen siel.
Mit ganz Portugal kam es 1580 unter Philipp dem Zweiten an die Krone
Spanien, bei der es auch nach der Wiederabtrennung Portugals verblieb. Ver¬
geblich wurde die starke Festung wiederholt von den Marokkanern belagert.
So 1697 vom Sultan Mulei Ismael und so 1732 unter der Führung des
Renegaten Ripperda. Selbst die Unterstützung, welche die Engländer den An¬
greifern liehen, vermochte nichts gegen die Stärke der Festungswerke. Im
Jahre 1810 wurde die Stadt auf kurze Zeit den Briten eingeräumt. Würde
sie ihnen einmal ganz abgetreten, so möchte sie mit Gibraltar vereint genügen,
die Meerenge vollständig zu sperren, während sie jetzt die Wichtigkeit jenes
ihres Gegenpartners auf der spanischen Küste unzweifelhaft etwas vermindert.

Heutzutage ist Ceuta der Hauptsitz der politischen und militärischen Ver¬
waltungsbehörden sämmtlicher Presidios und Residenz eines Suffraganbischofs
der Diöcese Sevilla. Es hat einen geistlichen Gerichtshof und mehre Mönchs¬
und Nonnenklöster, die indeß ohne Ausnahme dem hiesigen permanenten Ober-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/58>, abgerufen am 26.08.2024.