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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Stadt Marokko bildet, bis wohin man von hier nicht mehr als 48 Lieues
hat. Die Bevölkerung wird auf etwa 12,000 Köpfe geschätzt, unter denen
sich gegen 1200 Juden befinden. Bei den Mauren führt die Stadt den Na¬
men Suerah. d. i. das Bild, und in der That soll ihre Lage inmitten
einer Ebene von beweglichem Sand auf einer Halbinsel, deren Seiten von den
Wellen des Meeres gepeitscht werden, mit den hochragenden Minarets und
den bis 40 Fuß hohen seltsamen Sandkegeln der Nachbarschaft, die alle
Augenblicke ihre Gestalt verändern, eine sehr malerische sein. Die Stadt ist
von sehr neuem Datum, sie feiert im Jahr 1860 (vielleicht mit dem Donner
spanischer Schiffskanonen dazwischen) ihr hundertjähriges Jubiläum. Ihr
Erbauer war der Sultan Mulei Sidi Mohammed, der sich nicht verrechnet
hat, wenn er in ihr den Haupthafen des ganzen Reiches und die ergiebigste
Quelle für die Zollrevenüen zu gründen glaubte. Während Rabat und Sales
zusammengenommen jährlich nur 380,000 Francs an Zöllen eintragen, das
als Stadt bedeutendere Asfi (nördlich von Mogador) nur 50--60.000 Francs
abliefert, wirft der Zoll in Mogador dem Sultan jährlich fast eine Million
ab. Der Hafen ist bis aus zwei schmale Einfahrten durch eine kleine Insel
geschlossen, die eine Länge von einer Viertellieue hat und gegen 1800 Fuß
breit ist. Dieselbe war, als die Franzosen unter dem Prinzen von Joinville
sie am 15. August 1844 angriffen, mit vier gemauerten Batterien armirt und
wurde von den Hauptfestungswerken der Stadt aus einer Entfernung von
4500 Fuß bestrichen. Sie hat den Namen hergegeben, mit welcher die Fran¬
zosen die Stadt bezeichnen, indem auf dieser Insel in einer Moschee das Grab
eines mohammedanischen Heiligen, Namens Sidi Mogodul steht.

Die Erbauung von Mogador hat jedenfalls mit großen Schwierigkeiten
zu kämpfen gehabt, namentlich die Aufführung der Mauer an der südwest'
lichen Seite nach der Insel hin. Dieser Theil nämlich ruht auf mehren Felsen¬
klippen, die das Meer bespült, und die durch zwei starke Zwischenwälle mit
einander verbunden sind. Auch hätten die Mauren des 18. Jahrhunderts den
Bau nicht zu Stande gebracht, wenn ihnen nicht verschiedene Europäer,
namentlich der Franzose Comer, dabei mit ihrem Rath zu Hülfe gekommen
wären. Die Stadt ist das Werk eines Despotismus, der in gewissem Sinn als
aufgeklärter gelten mag. etwa wie der, welcher Petersburg erbaute. Sidi Mo-
hammed zwang die Einwohner von Agadir, sich hier anzusiedeln, und schickte
eine Anzahl reicher Mauren aus den benachbarten Provinzen her, um eben¬
falls die Kolonie zu verstärken. So wurde binnen 10 bis 12 Jahren die
neue Stadt bevölkert, und da der Sultan auch europäische Kaufleute zur Nie¬
derlassung einladen ließ und dem Handel große Erleichterungen gewährte, so
begann diese Schöpfung des Zwanges bald wirklich Wurzel zu fassen und
aufzubinden. Indeß machte die anfängliche Milde der Regierung schon nach


Stadt Marokko bildet, bis wohin man von hier nicht mehr als 48 Lieues
hat. Die Bevölkerung wird auf etwa 12,000 Köpfe geschätzt, unter denen
sich gegen 1200 Juden befinden. Bei den Mauren führt die Stadt den Na¬
men Suerah. d. i. das Bild, und in der That soll ihre Lage inmitten
einer Ebene von beweglichem Sand auf einer Halbinsel, deren Seiten von den
Wellen des Meeres gepeitscht werden, mit den hochragenden Minarets und
den bis 40 Fuß hohen seltsamen Sandkegeln der Nachbarschaft, die alle
Augenblicke ihre Gestalt verändern, eine sehr malerische sein. Die Stadt ist
von sehr neuem Datum, sie feiert im Jahr 1860 (vielleicht mit dem Donner
spanischer Schiffskanonen dazwischen) ihr hundertjähriges Jubiläum. Ihr
Erbauer war der Sultan Mulei Sidi Mohammed, der sich nicht verrechnet
hat, wenn er in ihr den Haupthafen des ganzen Reiches und die ergiebigste
Quelle für die Zollrevenüen zu gründen glaubte. Während Rabat und Sales
zusammengenommen jährlich nur 380,000 Francs an Zöllen eintragen, das
als Stadt bedeutendere Asfi (nördlich von Mogador) nur 50—60.000 Francs
abliefert, wirft der Zoll in Mogador dem Sultan jährlich fast eine Million
ab. Der Hafen ist bis aus zwei schmale Einfahrten durch eine kleine Insel
geschlossen, die eine Länge von einer Viertellieue hat und gegen 1800 Fuß
breit ist. Dieselbe war, als die Franzosen unter dem Prinzen von Joinville
sie am 15. August 1844 angriffen, mit vier gemauerten Batterien armirt und
wurde von den Hauptfestungswerken der Stadt aus einer Entfernung von
4500 Fuß bestrichen. Sie hat den Namen hergegeben, mit welcher die Fran¬
zosen die Stadt bezeichnen, indem auf dieser Insel in einer Moschee das Grab
eines mohammedanischen Heiligen, Namens Sidi Mogodul steht.

Die Erbauung von Mogador hat jedenfalls mit großen Schwierigkeiten
zu kämpfen gehabt, namentlich die Aufführung der Mauer an der südwest'
lichen Seite nach der Insel hin. Dieser Theil nämlich ruht auf mehren Felsen¬
klippen, die das Meer bespült, und die durch zwei starke Zwischenwälle mit
einander verbunden sind. Auch hätten die Mauren des 18. Jahrhunderts den
Bau nicht zu Stande gebracht, wenn ihnen nicht verschiedene Europäer,
namentlich der Franzose Comer, dabei mit ihrem Rath zu Hülfe gekommen
wären. Die Stadt ist das Werk eines Despotismus, der in gewissem Sinn als
aufgeklärter gelten mag. etwa wie der, welcher Petersburg erbaute. Sidi Mo-
hammed zwang die Einwohner von Agadir, sich hier anzusiedeln, und schickte
eine Anzahl reicher Mauren aus den benachbarten Provinzen her, um eben¬
falls die Kolonie zu verstärken. So wurde binnen 10 bis 12 Jahren die
neue Stadt bevölkert, und da der Sultan auch europäische Kaufleute zur Nie¬
derlassung einladen ließ und dem Handel große Erleichterungen gewährte, so
begann diese Schöpfung des Zwanges bald wirklich Wurzel zu fassen und
aufzubinden. Indeß machte die anfängliche Milde der Regierung schon nach


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[0518] Stadt Marokko bildet, bis wohin man von hier nicht mehr als 48 Lieues hat. Die Bevölkerung wird auf etwa 12,000 Köpfe geschätzt, unter denen sich gegen 1200 Juden befinden. Bei den Mauren führt die Stadt den Na¬ men Suerah. d. i. das Bild, und in der That soll ihre Lage inmitten einer Ebene von beweglichem Sand auf einer Halbinsel, deren Seiten von den Wellen des Meeres gepeitscht werden, mit den hochragenden Minarets und den bis 40 Fuß hohen seltsamen Sandkegeln der Nachbarschaft, die alle Augenblicke ihre Gestalt verändern, eine sehr malerische sein. Die Stadt ist von sehr neuem Datum, sie feiert im Jahr 1860 (vielleicht mit dem Donner spanischer Schiffskanonen dazwischen) ihr hundertjähriges Jubiläum. Ihr Erbauer war der Sultan Mulei Sidi Mohammed, der sich nicht verrechnet hat, wenn er in ihr den Haupthafen des ganzen Reiches und die ergiebigste Quelle für die Zollrevenüen zu gründen glaubte. Während Rabat und Sales zusammengenommen jährlich nur 380,000 Francs an Zöllen eintragen, das als Stadt bedeutendere Asfi (nördlich von Mogador) nur 50—60.000 Francs abliefert, wirft der Zoll in Mogador dem Sultan jährlich fast eine Million ab. Der Hafen ist bis aus zwei schmale Einfahrten durch eine kleine Insel geschlossen, die eine Länge von einer Viertellieue hat und gegen 1800 Fuß breit ist. Dieselbe war, als die Franzosen unter dem Prinzen von Joinville sie am 15. August 1844 angriffen, mit vier gemauerten Batterien armirt und wurde von den Hauptfestungswerken der Stadt aus einer Entfernung von 4500 Fuß bestrichen. Sie hat den Namen hergegeben, mit welcher die Fran¬ zosen die Stadt bezeichnen, indem auf dieser Insel in einer Moschee das Grab eines mohammedanischen Heiligen, Namens Sidi Mogodul steht. Die Erbauung von Mogador hat jedenfalls mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt, namentlich die Aufführung der Mauer an der südwest' lichen Seite nach der Insel hin. Dieser Theil nämlich ruht auf mehren Felsen¬ klippen, die das Meer bespült, und die durch zwei starke Zwischenwälle mit einander verbunden sind. Auch hätten die Mauren des 18. Jahrhunderts den Bau nicht zu Stande gebracht, wenn ihnen nicht verschiedene Europäer, namentlich der Franzose Comer, dabei mit ihrem Rath zu Hülfe gekommen wären. Die Stadt ist das Werk eines Despotismus, der in gewissem Sinn als aufgeklärter gelten mag. etwa wie der, welcher Petersburg erbaute. Sidi Mo- hammed zwang die Einwohner von Agadir, sich hier anzusiedeln, und schickte eine Anzahl reicher Mauren aus den benachbarten Provinzen her, um eben¬ falls die Kolonie zu verstärken. So wurde binnen 10 bis 12 Jahren die neue Stadt bevölkert, und da der Sultan auch europäische Kaufleute zur Nie¬ derlassung einladen ließ und dem Handel große Erleichterungen gewährte, so begann diese Schöpfung des Zwanges bald wirklich Wurzel zu fassen und aufzubinden. Indeß machte die anfängliche Milde der Regierung schon nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/518>, abgerufen am 03.10.2024.