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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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auf etwa 300 Geschütze berechnet, doch liegen nur in einigen wenigen wirk¬
lich Kanonen. Sales hat nur auf zwei Seiten Gräben, dieselben sind aber
auch hier großentheils zugeschüttet, und die Gärten erstrecken sich an den
"leisten Stellen bis an den Fuß der Mauern. Man findet in diesen Gurten
ausgedehnte Baumwollenpflanzungcn.

Uebrigens ist zu bemerken, daß man das Wort Garten in diesem Zu¬
sammenhang nicht so genau zu nehmen hat. Denn unter einem Garten ver¬
steht man in diesen sonnenversengten Gegenden nur einen Ort, wo sich das
Grün -- natürlich durch künstliche Bewässerung -- das ganze Jahr hindurch
erhält. Das Wasser wird hier durch einen massivni Aquäduct, der im Osten
eine Art zweite oder äußere Ringmauer bildet, in die Stadt geführt. Der¬
selbe würde indeß der Vertheidigung wenig Vorschub leisten, sondern eher da¬
zu dienen, dem Angreifer die Annäherung an die eigentliche Mauer zu er¬
leichtern. Auch wäre er mit Vierundzwanzigpfündern sehr bald zusammengeschossen
und die einzige Schwierigkeit bestände darin, das; man die Belagerungsgeschütze
über verschiedene Bodenhindernisse hinwegzuschaffen hätte, um zu dem passend¬
sten Angriffspunkt zu gelangen.

Die Einwohner von Sales gelten für rauhe, wenig gesellige Menschen,
voll Haß gegen alle Fremden, feindselig selbst g?gen ihre Landsleute und
Glaubensgenossen. Die von Rabat dagegen sollen zugänglicher. lebhafter,
gebildeter und fleißiger sein als die aller andern Städte Marokkos. Hier in
Rabat concentrirt sich aller Handel und Verkehr der beiden Schwesterstädtc.
Man verfertigt in der Stadt feine Wollenstoffe, Ha'ils oder Kapuzenmäntel
von weißer Wolle mit Seidenquasten, viel Maroquin und verschiedene Sorten
von Topferwaaren. Die Umgebung ist anmuthig. fruchtbar und vortrefflich
bewässert und bebaut. Rabat erhält sein Wasser ebenso wie Sales durch
eine Wasserleitung. Aber die hiesige ist viel großartiger, indem sie 4 Lieues
lang ist und einen ganzen Bach des besten Wassers herzusührt. Beide Wasser¬
leitungen gehören der Glanzperiode der marokkanischen Geschichte an; die
heutigen Mauren wären nicht im Stande, den Gedanken zu solchen Werken
SU fassen, geschweige denn ihn auszuführen. Der Anblick Rabath vom Meer
aus gehört zu den imposantesten Bildern an diesen Küsten. Gerade vor sich
steht man die Kasbah mit ihren viereckigen Thürmen anfragen, rechts die Bastionen
des neuen Schlosses, weiter südlich die Zinnen und Minarets der Stadt, und
in der Mitte des ganzen Gemäldes treten die sechs Bogenwölbungen des
Aqunducts hervor, die das Wasser bis zum höchsten Punkt der Stadt, der
Citadelle, leiten, von wo es sich in alle Quartiere vertheilt, um zuletzt die
Bärten zu tränken. Am nordöstlichen Ende erhebt sich auf einem vom Fluß
bespülten Felsen der prachtvolle Hassansthurm. Viereckig, von einem zierlichen
Minaret überragt und mit diesem iso Fuß hoch, hat dieser Thurm nur seines


auf etwa 300 Geschütze berechnet, doch liegen nur in einigen wenigen wirk¬
lich Kanonen. Sales hat nur auf zwei Seiten Gräben, dieselben sind aber
auch hier großentheils zugeschüttet, und die Gärten erstrecken sich an den
«leisten Stellen bis an den Fuß der Mauern. Man findet in diesen Gurten
ausgedehnte Baumwollenpflanzungcn.

Uebrigens ist zu bemerken, daß man das Wort Garten in diesem Zu¬
sammenhang nicht so genau zu nehmen hat. Denn unter einem Garten ver¬
steht man in diesen sonnenversengten Gegenden nur einen Ort, wo sich das
Grün — natürlich durch künstliche Bewässerung — das ganze Jahr hindurch
erhält. Das Wasser wird hier durch einen massivni Aquäduct, der im Osten
eine Art zweite oder äußere Ringmauer bildet, in die Stadt geführt. Der¬
selbe würde indeß der Vertheidigung wenig Vorschub leisten, sondern eher da¬
zu dienen, dem Angreifer die Annäherung an die eigentliche Mauer zu er¬
leichtern. Auch wäre er mit Vierundzwanzigpfündern sehr bald zusammengeschossen
und die einzige Schwierigkeit bestände darin, das; man die Belagerungsgeschütze
über verschiedene Bodenhindernisse hinwegzuschaffen hätte, um zu dem passend¬
sten Angriffspunkt zu gelangen.

Die Einwohner von Sales gelten für rauhe, wenig gesellige Menschen,
voll Haß gegen alle Fremden, feindselig selbst g?gen ihre Landsleute und
Glaubensgenossen. Die von Rabat dagegen sollen zugänglicher. lebhafter,
gebildeter und fleißiger sein als die aller andern Städte Marokkos. Hier in
Rabat concentrirt sich aller Handel und Verkehr der beiden Schwesterstädtc.
Man verfertigt in der Stadt feine Wollenstoffe, Ha'ils oder Kapuzenmäntel
von weißer Wolle mit Seidenquasten, viel Maroquin und verschiedene Sorten
von Topferwaaren. Die Umgebung ist anmuthig. fruchtbar und vortrefflich
bewässert und bebaut. Rabat erhält sein Wasser ebenso wie Sales durch
eine Wasserleitung. Aber die hiesige ist viel großartiger, indem sie 4 Lieues
lang ist und einen ganzen Bach des besten Wassers herzusührt. Beide Wasser¬
leitungen gehören der Glanzperiode der marokkanischen Geschichte an; die
heutigen Mauren wären nicht im Stande, den Gedanken zu solchen Werken
SU fassen, geschweige denn ihn auszuführen. Der Anblick Rabath vom Meer
aus gehört zu den imposantesten Bildern an diesen Küsten. Gerade vor sich
steht man die Kasbah mit ihren viereckigen Thürmen anfragen, rechts die Bastionen
des neuen Schlosses, weiter südlich die Zinnen und Minarets der Stadt, und
in der Mitte des ganzen Gemäldes treten die sechs Bogenwölbungen des
Aqunducts hervor, die das Wasser bis zum höchsten Punkt der Stadt, der
Citadelle, leiten, von wo es sich in alle Quartiere vertheilt, um zuletzt die
Bärten zu tränken. Am nordöstlichen Ende erhebt sich auf einem vom Fluß
bespülten Felsen der prachtvolle Hassansthurm. Viereckig, von einem zierlichen
Minaret überragt und mit diesem iso Fuß hoch, hat dieser Thurm nur seines


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/515>, abgerufen am 03.10.2024.