Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.Würgen, ein Erdbeben beim Thüraussprengen, eine Heuschrecke beim Hinein¬ Würgen, ein Erdbeben beim Thüraussprengen, eine Heuschrecke beim Hinein¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0404" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108534"/> <p xml:id="ID_1270" prev="#ID_1269" next="#ID_1271"> Würgen, ein Erdbeben beim Thüraussprengen, eine Heuschrecke beim Hinein¬<lb/> springen, ich speise ungerufen mit, wie eine Fliege; ich gehe nie aus, wie<lb/> ein Brunnen; ich erdrossele, morde, zeuge, ohne mich zu bedenken. Und um<lb/> deswillen nennen mich die Jüngeren den Wetterstrahl." Beinamen dieser Art<lb/> zierten überhaupt die Koryphäen der Schmarotznkunst; gewöhnlich waren sie<lb/> aber der Fertigkeit ihrer Kauwerkzeuge entlehnt, wie z. B. Kinnbacken, Schars¬<lb/> zahn, Schinkensübler. Ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort waren die Bäcker<lb/> und der Markt. Dort drängten sie sich an ihre Kunden; ihre feinen Nasen<lb/> spürten jedes Familienfest und größere Mahl aus, und dann konnte sie, wie<lb/> Plutarch sagt, weder Feuer noch Eisen, noch Erz abhalten, ins Haus zu tre¬<lb/> ten. Recht drollig gesteht der Parasit bei Diphilus: „Wenn ich zur Mahl¬<lb/> zeit eines reichen Mannes gehe, betrachte ich weder die schöne Säulenstellung,<lb/> noch die prächtige Decke, noch prüfeich die korinthischen Gefäße: unverwandten<lb/> Blicks schaue ich auf den Rauch der Küche; wenn derselbe diFqualmend sich<lb/> gerade emporwälzt, dann freue ich mich und frohlocke; wenn er aber schief<lb/> und dünn hinaufzieht, dann merke ich. daß zu dieser Mahlzeit nicht einmal<lb/> Blut vergossen ward." Ihre Unverschämtheit hielt in allen Verlegenheiten<lb/> Stich. Als sich einst ein gewisser Chärephon bei einem Hvchzeitsmale unein-<lb/> geladen eingefunden und den letzten Platz eingenommen hatte, wollten die<lb/> Polizeibeamten, welche über die gesetzmäßige Zahl der Hochzeitsgäste zu wachen<lb/> hatten, ihn entfernen. Er aber sprach ruhig: „Zählt nur noch einmal; aber<lb/> fangt bei mir an!" Als beim Könige Ptolemäus Philopator von Aegypten,<lb/> der sich seine Spaßvogel aus Athen verschrieb, ein leckeres Gericht herumge¬<lb/> geben wurde, das aber immer nicht bis zum Parasiten Korydus reichte, fragte<lb/> dieser: „Bin ich denn berauscht. Ptolemüus, oder scheint mir nur dies herum¬<lb/> gereicht zu werden?" Besonders zur Zeit Philipp's von Mazedonien hatte<lb/> Athen einen solchen Ueberfluß von Witzmachern, daß sich im Herkulestempel<lb/> des auch von Aristophanes der Windbeutelei berüchtigten Diomäischen Be¬<lb/> zirks ein förmliches Kollegium von sechzig Kladdaradatschgelehrten konstituirte-<lb/> „Ich komme von den Sechzigern; dies haben die Sechziger gesagt!" hieß ^<lb/> damals in Athen und den Namen der fünf vornehmsten hat der Polyhisw'<lb/> Athenäus die Unsterblichkeit gesichert. Ja, der lachlustige Vater Alexanders<lb/> des Großen schickte der Gesellschaft ein klingendes Talent, wofür sie ihm el»<lb/> Protokoll über ihre Schnurren aufnehmen sollte! — Bei der überhandnehmen'<lb/> den Verderbniß der griechischen Jugend scheint sich aber bald das Verhältniß<lb/> der Parasiten anders gestaltet zu haben. Sie hörten nach und nach auf, nur<lb/> die Luftigmacher zu spielen und griffen zu der viel gefährlicheren Rolle der<lb/> Schmeichler, Augendiener und Intriguanten. An vielen Stellen der Komiker<lb/> sind?n sich Klagen der Parasiten über die Abnahme der Gastfreundschaft-<lb/> So sagt z. B. Gelasimus bei Plautus: „Gewisse Redensarten gehen nach</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0404]
Würgen, ein Erdbeben beim Thüraussprengen, eine Heuschrecke beim Hinein¬
springen, ich speise ungerufen mit, wie eine Fliege; ich gehe nie aus, wie
ein Brunnen; ich erdrossele, morde, zeuge, ohne mich zu bedenken. Und um
deswillen nennen mich die Jüngeren den Wetterstrahl." Beinamen dieser Art
zierten überhaupt die Koryphäen der Schmarotznkunst; gewöhnlich waren sie
aber der Fertigkeit ihrer Kauwerkzeuge entlehnt, wie z. B. Kinnbacken, Schars¬
zahn, Schinkensübler. Ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort waren die Bäcker
und der Markt. Dort drängten sie sich an ihre Kunden; ihre feinen Nasen
spürten jedes Familienfest und größere Mahl aus, und dann konnte sie, wie
Plutarch sagt, weder Feuer noch Eisen, noch Erz abhalten, ins Haus zu tre¬
ten. Recht drollig gesteht der Parasit bei Diphilus: „Wenn ich zur Mahl¬
zeit eines reichen Mannes gehe, betrachte ich weder die schöne Säulenstellung,
noch die prächtige Decke, noch prüfeich die korinthischen Gefäße: unverwandten
Blicks schaue ich auf den Rauch der Küche; wenn derselbe diFqualmend sich
gerade emporwälzt, dann freue ich mich und frohlocke; wenn er aber schief
und dünn hinaufzieht, dann merke ich. daß zu dieser Mahlzeit nicht einmal
Blut vergossen ward." Ihre Unverschämtheit hielt in allen Verlegenheiten
Stich. Als sich einst ein gewisser Chärephon bei einem Hvchzeitsmale unein-
geladen eingefunden und den letzten Platz eingenommen hatte, wollten die
Polizeibeamten, welche über die gesetzmäßige Zahl der Hochzeitsgäste zu wachen
hatten, ihn entfernen. Er aber sprach ruhig: „Zählt nur noch einmal; aber
fangt bei mir an!" Als beim Könige Ptolemäus Philopator von Aegypten,
der sich seine Spaßvogel aus Athen verschrieb, ein leckeres Gericht herumge¬
geben wurde, das aber immer nicht bis zum Parasiten Korydus reichte, fragte
dieser: „Bin ich denn berauscht. Ptolemüus, oder scheint mir nur dies herum¬
gereicht zu werden?" Besonders zur Zeit Philipp's von Mazedonien hatte
Athen einen solchen Ueberfluß von Witzmachern, daß sich im Herkulestempel
des auch von Aristophanes der Windbeutelei berüchtigten Diomäischen Be¬
zirks ein förmliches Kollegium von sechzig Kladdaradatschgelehrten konstituirte-
„Ich komme von den Sechzigern; dies haben die Sechziger gesagt!" hieß ^
damals in Athen und den Namen der fünf vornehmsten hat der Polyhisw'
Athenäus die Unsterblichkeit gesichert. Ja, der lachlustige Vater Alexanders
des Großen schickte der Gesellschaft ein klingendes Talent, wofür sie ihm el»
Protokoll über ihre Schnurren aufnehmen sollte! — Bei der überhandnehmen'
den Verderbniß der griechischen Jugend scheint sich aber bald das Verhältniß
der Parasiten anders gestaltet zu haben. Sie hörten nach und nach auf, nur
die Luftigmacher zu spielen und griffen zu der viel gefährlicheren Rolle der
Schmeichler, Augendiener und Intriguanten. An vielen Stellen der Komiker
sind?n sich Klagen der Parasiten über die Abnahme der Gastfreundschaft-
So sagt z. B. Gelasimus bei Plautus: „Gewisse Redensarten gehen nach
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