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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Marschall v. Biederstem) und der sechzehnten Stimme (v, Linde) -- und be¬
richtete am 31. Oktober 1851 durch den Frhrn, v. Marschall. Er führte aus,
der Beschluß von 1848 sei zwar nicht wieder in Wirksamkeit gesetzt, es könne
aber der B.-V. wol nicht einfallen, den Grundsatz der Veröffentlichung der
Verhandlungen wieder in Frage zu stellen. Denn in einer Zeit, wo das Prin¬
cip der Oeffentlichkeit das gesammte Staats- und Volksleben durchdringen,
wo der Bundestag eine regere, auf das Gesammtwohl gerichtete Thätigkeit
als früher entfalten solle, würde es als eine Anomalie erscheinen,
wenn grade dessen Verhandlungen geheim gehalten werden sollten. Die Er¬
fahrung lehre auch, daß die Geheimhaltung nicht verhüten könne, dieselben
zum Gegenstand der Tagespolitik zu machen, nur die offizielle Kundgebung
vermöge irrthümlichen, entstellenden, oft gehässigen Mittheilungen vorzubeugen.
Dem Mißtrauen der Zeit gegen alle Autorität werde mit Erfolg nur durch
offene Darlegung dessen, was von oben geschehe, und der Gründe, die dazu
geführt, entgegengetreten, dadurch würde die Ueberzeugung von den guten
Bestrebungen der Regierungen wieder mehr Raum gewinnen, selbst die Ein¬
sicht von der Nothwendigkeit oder Zweckmäßigkeit mancher nicht genehmen Ma߬
regel hervorgerufen, und würden überhaupt richtigere Begriffe über öffentliche
Verhältnisse verbreitet werden. Nur die Art, wie die Veröffentlichung erfol¬
gen solle, meinte der Ausschuß, ins Auge fassen und nur darüber "praktische
Vorschläge" machen zu müssen, und hier kommt das höchst gewichtige Aber.
Der Grundsatz der Oeffentlichkeit dürfe nicht absolut festgehalten werden, "es
eignen sich manche Gegenstände überhaupt nicht oder doch nicht sofort zur
Publicität," z. B. gewisse Militärnngelegenhciten, Unterhandlungen mit dem
Auslande, Ergreifung von Maßregeln zur Wahrung des äußern oder
innern Friedens, deren Zweck durch ihre Bekanntmachung vereitelt würde;
ferner "könnten eine oder mehrere Regierungen besondere Gründe
haben, die sie betreffenden Angelegenheiten nicht alsbald vor
das Forum der Oeffentlichkeit gebracht zu sehen," endlich "könnte
durch voreilige Bekanntmachung einer bei der B.-V. vbschwebenden Verhand¬
lung unter Umständen Anlaß gegeben werden, daß von Außen auf ein¬
zelne Regierungen, oder sonst in einer den gemessenen Gang der
Berathungen störenden Weise eingewirkt werde." Es erscheine aber
gleichwol unthunlich, gewisse K.üegoricen von der Publication auszuschließen¬
der Verhandlungen aufzustellen, sondern es müsse der B.-V. selbst oder einem
von ihr dafür zu errichtenden Organe überlassen bleiben, in jedem einzelnen
Falle darüber zu bestimmen. Die Trennung der Protokolle in öffentliche und
separate führe ferner dahin, daß, wenn auch uur ein, vielleicht minder wesent¬
licher Theil der Verhandlung als nicht zur Oeffentlichkeit geeignet, oder wenn
auch nur die alsbaldige Veröffentlichung als bedenklich erschiene, die ganze


Marschall v. Biederstem) und der sechzehnten Stimme (v, Linde) — und be¬
richtete am 31. Oktober 1851 durch den Frhrn, v. Marschall. Er führte aus,
der Beschluß von 1848 sei zwar nicht wieder in Wirksamkeit gesetzt, es könne
aber der B.-V. wol nicht einfallen, den Grundsatz der Veröffentlichung der
Verhandlungen wieder in Frage zu stellen. Denn in einer Zeit, wo das Prin¬
cip der Oeffentlichkeit das gesammte Staats- und Volksleben durchdringen,
wo der Bundestag eine regere, auf das Gesammtwohl gerichtete Thätigkeit
als früher entfalten solle, würde es als eine Anomalie erscheinen,
wenn grade dessen Verhandlungen geheim gehalten werden sollten. Die Er¬
fahrung lehre auch, daß die Geheimhaltung nicht verhüten könne, dieselben
zum Gegenstand der Tagespolitik zu machen, nur die offizielle Kundgebung
vermöge irrthümlichen, entstellenden, oft gehässigen Mittheilungen vorzubeugen.
Dem Mißtrauen der Zeit gegen alle Autorität werde mit Erfolg nur durch
offene Darlegung dessen, was von oben geschehe, und der Gründe, die dazu
geführt, entgegengetreten, dadurch würde die Ueberzeugung von den guten
Bestrebungen der Regierungen wieder mehr Raum gewinnen, selbst die Ein¬
sicht von der Nothwendigkeit oder Zweckmäßigkeit mancher nicht genehmen Ma߬
regel hervorgerufen, und würden überhaupt richtigere Begriffe über öffentliche
Verhältnisse verbreitet werden. Nur die Art, wie die Veröffentlichung erfol¬
gen solle, meinte der Ausschuß, ins Auge fassen und nur darüber „praktische
Vorschläge" machen zu müssen, und hier kommt das höchst gewichtige Aber.
Der Grundsatz der Oeffentlichkeit dürfe nicht absolut festgehalten werden, „es
eignen sich manche Gegenstände überhaupt nicht oder doch nicht sofort zur
Publicität," z. B. gewisse Militärnngelegenhciten, Unterhandlungen mit dem
Auslande, Ergreifung von Maßregeln zur Wahrung des äußern oder
innern Friedens, deren Zweck durch ihre Bekanntmachung vereitelt würde;
ferner „könnten eine oder mehrere Regierungen besondere Gründe
haben, die sie betreffenden Angelegenheiten nicht alsbald vor
das Forum der Oeffentlichkeit gebracht zu sehen," endlich „könnte
durch voreilige Bekanntmachung einer bei der B.-V. vbschwebenden Verhand¬
lung unter Umständen Anlaß gegeben werden, daß von Außen auf ein¬
zelne Regierungen, oder sonst in einer den gemessenen Gang der
Berathungen störenden Weise eingewirkt werde." Es erscheine aber
gleichwol unthunlich, gewisse K.üegoricen von der Publication auszuschließen¬
der Verhandlungen aufzustellen, sondern es müsse der B.-V. selbst oder einem
von ihr dafür zu errichtenden Organe überlassen bleiben, in jedem einzelnen
Falle darüber zu bestimmen. Die Trennung der Protokolle in öffentliche und
separate führe ferner dahin, daß, wenn auch uur ein, vielleicht minder wesent¬
licher Theil der Verhandlung als nicht zur Oeffentlichkeit geeignet, oder wenn
auch nur die alsbaldige Veröffentlichung als bedenklich erschiene, die ganze


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[0376] Marschall v. Biederstem) und der sechzehnten Stimme (v, Linde) — und be¬ richtete am 31. Oktober 1851 durch den Frhrn, v. Marschall. Er führte aus, der Beschluß von 1848 sei zwar nicht wieder in Wirksamkeit gesetzt, es könne aber der B.-V. wol nicht einfallen, den Grundsatz der Veröffentlichung der Verhandlungen wieder in Frage zu stellen. Denn in einer Zeit, wo das Prin¬ cip der Oeffentlichkeit das gesammte Staats- und Volksleben durchdringen, wo der Bundestag eine regere, auf das Gesammtwohl gerichtete Thätigkeit als früher entfalten solle, würde es als eine Anomalie erscheinen, wenn grade dessen Verhandlungen geheim gehalten werden sollten. Die Er¬ fahrung lehre auch, daß die Geheimhaltung nicht verhüten könne, dieselben zum Gegenstand der Tagespolitik zu machen, nur die offizielle Kundgebung vermöge irrthümlichen, entstellenden, oft gehässigen Mittheilungen vorzubeugen. Dem Mißtrauen der Zeit gegen alle Autorität werde mit Erfolg nur durch offene Darlegung dessen, was von oben geschehe, und der Gründe, die dazu geführt, entgegengetreten, dadurch würde die Ueberzeugung von den guten Bestrebungen der Regierungen wieder mehr Raum gewinnen, selbst die Ein¬ sicht von der Nothwendigkeit oder Zweckmäßigkeit mancher nicht genehmen Ma߬ regel hervorgerufen, und würden überhaupt richtigere Begriffe über öffentliche Verhältnisse verbreitet werden. Nur die Art, wie die Veröffentlichung erfol¬ gen solle, meinte der Ausschuß, ins Auge fassen und nur darüber „praktische Vorschläge" machen zu müssen, und hier kommt das höchst gewichtige Aber. Der Grundsatz der Oeffentlichkeit dürfe nicht absolut festgehalten werden, „es eignen sich manche Gegenstände überhaupt nicht oder doch nicht sofort zur Publicität," z. B. gewisse Militärnngelegenhciten, Unterhandlungen mit dem Auslande, Ergreifung von Maßregeln zur Wahrung des äußern oder innern Friedens, deren Zweck durch ihre Bekanntmachung vereitelt würde; ferner „könnten eine oder mehrere Regierungen besondere Gründe haben, die sie betreffenden Angelegenheiten nicht alsbald vor das Forum der Oeffentlichkeit gebracht zu sehen," endlich „könnte durch voreilige Bekanntmachung einer bei der B.-V. vbschwebenden Verhand¬ lung unter Umständen Anlaß gegeben werden, daß von Außen auf ein¬ zelne Regierungen, oder sonst in einer den gemessenen Gang der Berathungen störenden Weise eingewirkt werde." Es erscheine aber gleichwol unthunlich, gewisse K.üegoricen von der Publication auszuschließen¬ der Verhandlungen aufzustellen, sondern es müsse der B.-V. selbst oder einem von ihr dafür zu errichtenden Organe überlassen bleiben, in jedem einzelnen Falle darüber zu bestimmen. Die Trennung der Protokolle in öffentliche und separate führe ferner dahin, daß, wenn auch uur ein, vielleicht minder wesent¬ licher Theil der Verhandlung als nicht zur Oeffentlichkeit geeignet, oder wenn auch nur die alsbaldige Veröffentlichung als bedenklich erschiene, die ganze

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/376>, abgerufen am 24.08.2024.