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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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ein. welche 1815 den Gang der Dinge auf beiden Seiten bestimmten. Tue
Franzosen concentriren sich zwischen Valenciennes und Maubeuge; sie stehen
hier, obgleich noch auf französischem Gebiet, so nahe an der belgischen Grenze,
als dies auf irgend einem Punkte nur denkbar ist; sie haben die Hauptcisen-
bahnverbindung zwischen Frankreich und Norddeutschland, soweit sie dem
ersteren angehört, unmittelbar hinter sich, deren Fortsetzung gegen Deutschland
hin aber allerdings auch direct vor sich; das Vorrücken sührt die Franzosen
unmittelbar auf das Gros der Verbündeten los; es muß also binnen
wenigen Tagen zu einer entscheidenden Schlacht kommen und diese Schlacht
muß ihrer strategischen Anlage nach oder, wenn man mehr das Kriegs-
theater als den Schauplatz der Schlacht ins Auge faßt, den Charakter
einer Frontalschlacht tragen. Bekanntlich steht ein Gegenstand, wenn man
ihn unter dem Mikroskop hat, ganz anders aus, als wenn man ihn mit dem
bloßen Auge ansieht, und doch wieder sind die Dinge im Wesentlichen d>e
gleichen. Wir können keinen bessern Vergleich finden, um unsere Leser immer
wieder daran zu erinnern, daß man allerdings die Einzelheiten von den
großen Schachzügen im Kriege unterscheiden muß, daß die letzteren am Ende
das Wesen der Dinge feststellen, daß aber durch die Einzelheiten auf dem be¬
schränkteren Raume des Kampfplatzes oft dasselbe erreicht werden kann, w"6
der blöde Verstand nur erreichbar hält durch die Züge auf dem Kriegstheater¬
wenn nur der Action auf dem Schlachtfeld die Idee dieser Schachzüge aus
dem Kriegstheater, welche die Entscheidung vorbereitet, zu Grunde liegt und
sie beherrscht. Unter einer Idee verstehen wir also keineswegs gar nichts
wie jener berühmte Exercirmeister.'

Im wesentlichen können von den Franzosen auf dem weitern Schlag
selbe, welches wir ihnen hier anweisen, zwei Wege eingeschlagen werden^
Entweder nämlich gehen sie auf die Mitte der Aufstellung, zwischen Wo"
und Namur los. oder auf deren linken Flügel (Namur), nächst der Mündung
der Sambre in die Maas. Das erstere war das Verfahren Napoleons
Die Rechnung dabei ist diese: mit einer Hauptcolonne zuerst die gefährliche
Hälfte der Verbündeten -- jetzt, wie damals die Preußen -- zu schlag
während mit einer Nebencolonne die minder gefährliche Hälfte, der rechte 6
gel oder die niederländisch-englische Armee, nur festgehalten wird, durch e>
Niederlage den linken Flügel zum Rückzug über den Rhein oder mindest
an den Rhein zu bestimmen, damit die Trennung des feindlichen
Heeres zu entscheiden, nun über den rechten Flügel herzufallen, diesen ^
möglich ans Meer zu drücken, dadurch -- für heutige Verhältnisse ^
Antwerpen, im Allgemeinen, von dem Rückzug hinter Maas, Waal und N)^
abzuschneiden, ihn zu vernichten, um nun den linken Flügel, die Preußen, ^
entschiedener Ueberlegenheit zu verfolgen und auch über sie jenen S>eg


ein. welche 1815 den Gang der Dinge auf beiden Seiten bestimmten. Tue
Franzosen concentriren sich zwischen Valenciennes und Maubeuge; sie stehen
hier, obgleich noch auf französischem Gebiet, so nahe an der belgischen Grenze,
als dies auf irgend einem Punkte nur denkbar ist; sie haben die Hauptcisen-
bahnverbindung zwischen Frankreich und Norddeutschland, soweit sie dem
ersteren angehört, unmittelbar hinter sich, deren Fortsetzung gegen Deutschland
hin aber allerdings auch direct vor sich; das Vorrücken sührt die Franzosen
unmittelbar auf das Gros der Verbündeten los; es muß also binnen
wenigen Tagen zu einer entscheidenden Schlacht kommen und diese Schlacht
muß ihrer strategischen Anlage nach oder, wenn man mehr das Kriegs-
theater als den Schauplatz der Schlacht ins Auge faßt, den Charakter
einer Frontalschlacht tragen. Bekanntlich steht ein Gegenstand, wenn man
ihn unter dem Mikroskop hat, ganz anders aus, als wenn man ihn mit dem
bloßen Auge ansieht, und doch wieder sind die Dinge im Wesentlichen d>e
gleichen. Wir können keinen bessern Vergleich finden, um unsere Leser immer
wieder daran zu erinnern, daß man allerdings die Einzelheiten von den
großen Schachzügen im Kriege unterscheiden muß, daß die letzteren am Ende
das Wesen der Dinge feststellen, daß aber durch die Einzelheiten auf dem be¬
schränkteren Raume des Kampfplatzes oft dasselbe erreicht werden kann, w«6
der blöde Verstand nur erreichbar hält durch die Züge auf dem Kriegstheater¬
wenn nur der Action auf dem Schlachtfeld die Idee dieser Schachzüge aus
dem Kriegstheater, welche die Entscheidung vorbereitet, zu Grunde liegt und
sie beherrscht. Unter einer Idee verstehen wir also keineswegs gar nichts
wie jener berühmte Exercirmeister.'

Im wesentlichen können von den Franzosen auf dem weitern Schlag
selbe, welches wir ihnen hier anweisen, zwei Wege eingeschlagen werden^
Entweder nämlich gehen sie auf die Mitte der Aufstellung, zwischen Wo»
und Namur los. oder auf deren linken Flügel (Namur), nächst der Mündung
der Sambre in die Maas. Das erstere war das Verfahren Napoleons
Die Rechnung dabei ist diese: mit einer Hauptcolonne zuerst die gefährliche
Hälfte der Verbündeten — jetzt, wie damals die Preußen — zu schlag
während mit einer Nebencolonne die minder gefährliche Hälfte, der rechte 6
gel oder die niederländisch-englische Armee, nur festgehalten wird, durch e>
Niederlage den linken Flügel zum Rückzug über den Rhein oder mindest
an den Rhein zu bestimmen, damit die Trennung des feindlichen
Heeres zu entscheiden, nun über den rechten Flügel herzufallen, diesen ^
möglich ans Meer zu drücken, dadurch — für heutige Verhältnisse ^
Antwerpen, im Allgemeinen, von dem Rückzug hinter Maas, Waal und N)^
abzuschneiden, ihn zu vernichten, um nun den linken Flügel, die Preußen, ^
entschiedener Ueberlegenheit zu verfolgen und auch über sie jenen S>eg


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[0356] ein. welche 1815 den Gang der Dinge auf beiden Seiten bestimmten. Tue Franzosen concentriren sich zwischen Valenciennes und Maubeuge; sie stehen hier, obgleich noch auf französischem Gebiet, so nahe an der belgischen Grenze, als dies auf irgend einem Punkte nur denkbar ist; sie haben die Hauptcisen- bahnverbindung zwischen Frankreich und Norddeutschland, soweit sie dem ersteren angehört, unmittelbar hinter sich, deren Fortsetzung gegen Deutschland hin aber allerdings auch direct vor sich; das Vorrücken sührt die Franzosen unmittelbar auf das Gros der Verbündeten los; es muß also binnen wenigen Tagen zu einer entscheidenden Schlacht kommen und diese Schlacht muß ihrer strategischen Anlage nach oder, wenn man mehr das Kriegs- theater als den Schauplatz der Schlacht ins Auge faßt, den Charakter einer Frontalschlacht tragen. Bekanntlich steht ein Gegenstand, wenn man ihn unter dem Mikroskop hat, ganz anders aus, als wenn man ihn mit dem bloßen Auge ansieht, und doch wieder sind die Dinge im Wesentlichen d>e gleichen. Wir können keinen bessern Vergleich finden, um unsere Leser immer wieder daran zu erinnern, daß man allerdings die Einzelheiten von den großen Schachzügen im Kriege unterscheiden muß, daß die letzteren am Ende das Wesen der Dinge feststellen, daß aber durch die Einzelheiten auf dem be¬ schränkteren Raume des Kampfplatzes oft dasselbe erreicht werden kann, w«6 der blöde Verstand nur erreichbar hält durch die Züge auf dem Kriegstheater¬ wenn nur der Action auf dem Schlachtfeld die Idee dieser Schachzüge aus dem Kriegstheater, welche die Entscheidung vorbereitet, zu Grunde liegt und sie beherrscht. Unter einer Idee verstehen wir also keineswegs gar nichts wie jener berühmte Exercirmeister.' Im wesentlichen können von den Franzosen auf dem weitern Schlag selbe, welches wir ihnen hier anweisen, zwei Wege eingeschlagen werden^ Entweder nämlich gehen sie auf die Mitte der Aufstellung, zwischen Wo» und Namur los. oder auf deren linken Flügel (Namur), nächst der Mündung der Sambre in die Maas. Das erstere war das Verfahren Napoleons Die Rechnung dabei ist diese: mit einer Hauptcolonne zuerst die gefährliche Hälfte der Verbündeten — jetzt, wie damals die Preußen — zu schlag während mit einer Nebencolonne die minder gefährliche Hälfte, der rechte 6 gel oder die niederländisch-englische Armee, nur festgehalten wird, durch e> Niederlage den linken Flügel zum Rückzug über den Rhein oder mindest an den Rhein zu bestimmen, damit die Trennung des feindlichen Heeres zu entscheiden, nun über den rechten Flügel herzufallen, diesen ^ möglich ans Meer zu drücken, dadurch — für heutige Verhältnisse ^ Antwerpen, im Allgemeinen, von dem Rückzug hinter Maas, Waal und N)^ abzuschneiden, ihn zu vernichten, um nun den linken Flügel, die Preußen, ^ entschiedener Ueberlegenheit zu verfolgen und auch über sie jenen S>eg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/356>, abgerufen am 22.07.2024.