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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Halle in dieser Stellung zu erhalten, auch ohne daß Frankreich aus seiner
neuen freundlichen Stellung zu Oestreich herauszutreten gezwungen wäre-
da es ja im Stande ist. im letzten Nothfall den Oestreichern durch Nußland
und Italien zu thun zu geben. Frankreich würde selbst dieser Mittel wahr¬
scheinlich nicht bedürfen, indem es z. B. die vollständige Neutralität Oestreichs
n> einem Preußenkricge schon dadurch erreichte, daß es dafür die Neutralität
der ganzen deutschen Obcrrheingrenze verspräche und Oestreich mit dem
neuen verstärkten Einfluß in Süddeutschland köderte, welchen dasselbe ge¬
winnen müßte, indem es eben sür Baden, Württemberg, Baiern :c. die Neu¬
tralität durch seine Unterhandlungen und seine Stellung zu Frankreich er.
wirkte. Wir vermuthen also, daß weder Oestreich noch Nußland von Seiten
Preußens in einem beginnenden Kriege gegen Frankreich besondere militärische
Aufmerksamkeit verdienen würden. Dennoch würde es fast nicht zu vermei¬
den sein, für den östlichen Landestheil eine Observationsarmee gegen diese
beiden Staaten zu stellen. (Dies wurde vor der Zusammenkunft in Breslau
geschrieben. Anm. der Red.) Nun hat aber Frankreich eine Flotte. Es kann
vermöge derselben Truppen an die deutsche Ostsee- und Nordseeküste werfen
und mindestens durch Landungen das nichtvertheidigte Land aussaugen und
beunruhigen. Die deutschen Nord- und Ostseeküsten gehören außer Preußen
noch Hannover, Oldenburg, Dänemark (Holstein) und Mecklenburg. Däne-
wark ist für Preußen ein gefährlicher Punkt. Denkt man es sich im Bunde
und Frankreich, so könnte hier möglicher Weise eine dänisch-französische starke
Armee formirt werden, welche auf dem kürzesten Wege, von der Eider auf
Berlin losgehend (40 Meilen), dort die Entscheidung suchte. Dergleichen
Dinge sind keineswegs unmöglich, und man muß sich nothwendig auf sie vor¬
bereiten. Welcher Art aber die Vorbereitung sein müsse, ist nicht schwer zu
sagen. Frankreich kann den Gedanken, eine starke, für den Zweck, in Berlin
den Frieden zu dictiren. ausreichende Armee nach Dänemark zu werfen und
von dort aus ins Herz Preußens operiren zu lassen, nur dann fassen und
ausführen, wenn es Belgien und Holland für sich hat, wenn es also, durch
deren Armeen verstärkt, nur eine verhältnißmäßig geringe französische Streit-
wacht gegen den Rhein stehn zu lassen braucht, welche mindestens genügt, ein
etwa beabsichtigtes Vordringen der Preußen so lange aufzuhalten, bis auf
dem andern Punkte die Entscheidung in einem Frankreich günstigen Sinne er-
!"le ist.

Was sich für Preußen hieraus ergibt, ist. daß es den Bund mit Holland und
Wir Belgien suche. und zwar nicht in der Weise gemüthlicher Unterhaltungen, welche
w't ihren Wenn und Aber alles in der Schwebe lassen. Ebenso nothwendig
"der wünschenswert!) ist es dann, daß Preußen und England sich auf eine
vernünftige Weise zusammenschließen, dergestalt, daß England sich wirklich aus


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Halle in dieser Stellung zu erhalten, auch ohne daß Frankreich aus seiner
neuen freundlichen Stellung zu Oestreich herauszutreten gezwungen wäre-
da es ja im Stande ist. im letzten Nothfall den Oestreichern durch Nußland
und Italien zu thun zu geben. Frankreich würde selbst dieser Mittel wahr¬
scheinlich nicht bedürfen, indem es z. B. die vollständige Neutralität Oestreichs
n> einem Preußenkricge schon dadurch erreichte, daß es dafür die Neutralität
der ganzen deutschen Obcrrheingrenze verspräche und Oestreich mit dem
neuen verstärkten Einfluß in Süddeutschland köderte, welchen dasselbe ge¬
winnen müßte, indem es eben sür Baden, Württemberg, Baiern :c. die Neu¬
tralität durch seine Unterhandlungen und seine Stellung zu Frankreich er.
wirkte. Wir vermuthen also, daß weder Oestreich noch Nußland von Seiten
Preußens in einem beginnenden Kriege gegen Frankreich besondere militärische
Aufmerksamkeit verdienen würden. Dennoch würde es fast nicht zu vermei¬
den sein, für den östlichen Landestheil eine Observationsarmee gegen diese
beiden Staaten zu stellen. (Dies wurde vor der Zusammenkunft in Breslau
geschrieben. Anm. der Red.) Nun hat aber Frankreich eine Flotte. Es kann
vermöge derselben Truppen an die deutsche Ostsee- und Nordseeküste werfen
und mindestens durch Landungen das nichtvertheidigte Land aussaugen und
beunruhigen. Die deutschen Nord- und Ostseeküsten gehören außer Preußen
noch Hannover, Oldenburg, Dänemark (Holstein) und Mecklenburg. Däne-
wark ist für Preußen ein gefährlicher Punkt. Denkt man es sich im Bunde
und Frankreich, so könnte hier möglicher Weise eine dänisch-französische starke
Armee formirt werden, welche auf dem kürzesten Wege, von der Eider auf
Berlin losgehend (40 Meilen), dort die Entscheidung suchte. Dergleichen
Dinge sind keineswegs unmöglich, und man muß sich nothwendig auf sie vor¬
bereiten. Welcher Art aber die Vorbereitung sein müsse, ist nicht schwer zu
sagen. Frankreich kann den Gedanken, eine starke, für den Zweck, in Berlin
den Frieden zu dictiren. ausreichende Armee nach Dänemark zu werfen und
von dort aus ins Herz Preußens operiren zu lassen, nur dann fassen und
ausführen, wenn es Belgien und Holland für sich hat, wenn es also, durch
deren Armeen verstärkt, nur eine verhältnißmäßig geringe französische Streit-
wacht gegen den Rhein stehn zu lassen braucht, welche mindestens genügt, ein
etwa beabsichtigtes Vordringen der Preußen so lange aufzuhalten, bis auf
dem andern Punkte die Entscheidung in einem Frankreich günstigen Sinne er-
!"le ist.

Was sich für Preußen hieraus ergibt, ist. daß es den Bund mit Holland und
Wir Belgien suche. und zwar nicht in der Weise gemüthlicher Unterhaltungen, welche
w't ihren Wenn und Aber alles in der Schwebe lassen. Ebenso nothwendig
"der wünschenswert!) ist es dann, daß Preußen und England sich auf eine
vernünftige Weise zusammenschließen, dergestalt, daß England sich wirklich aus


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[0319] Halle in dieser Stellung zu erhalten, auch ohne daß Frankreich aus seiner neuen freundlichen Stellung zu Oestreich herauszutreten gezwungen wäre- da es ja im Stande ist. im letzten Nothfall den Oestreichern durch Nußland und Italien zu thun zu geben. Frankreich würde selbst dieser Mittel wahr¬ scheinlich nicht bedürfen, indem es z. B. die vollständige Neutralität Oestreichs n> einem Preußenkricge schon dadurch erreichte, daß es dafür die Neutralität der ganzen deutschen Obcrrheingrenze verspräche und Oestreich mit dem neuen verstärkten Einfluß in Süddeutschland köderte, welchen dasselbe ge¬ winnen müßte, indem es eben sür Baden, Württemberg, Baiern :c. die Neu¬ tralität durch seine Unterhandlungen und seine Stellung zu Frankreich er. wirkte. Wir vermuthen also, daß weder Oestreich noch Nußland von Seiten Preußens in einem beginnenden Kriege gegen Frankreich besondere militärische Aufmerksamkeit verdienen würden. Dennoch würde es fast nicht zu vermei¬ den sein, für den östlichen Landestheil eine Observationsarmee gegen diese beiden Staaten zu stellen. (Dies wurde vor der Zusammenkunft in Breslau geschrieben. Anm. der Red.) Nun hat aber Frankreich eine Flotte. Es kann vermöge derselben Truppen an die deutsche Ostsee- und Nordseeküste werfen und mindestens durch Landungen das nichtvertheidigte Land aussaugen und beunruhigen. Die deutschen Nord- und Ostseeküsten gehören außer Preußen noch Hannover, Oldenburg, Dänemark (Holstein) und Mecklenburg. Däne- wark ist für Preußen ein gefährlicher Punkt. Denkt man es sich im Bunde und Frankreich, so könnte hier möglicher Weise eine dänisch-französische starke Armee formirt werden, welche auf dem kürzesten Wege, von der Eider auf Berlin losgehend (40 Meilen), dort die Entscheidung suchte. Dergleichen Dinge sind keineswegs unmöglich, und man muß sich nothwendig auf sie vor¬ bereiten. Welcher Art aber die Vorbereitung sein müsse, ist nicht schwer zu sagen. Frankreich kann den Gedanken, eine starke, für den Zweck, in Berlin den Frieden zu dictiren. ausreichende Armee nach Dänemark zu werfen und von dort aus ins Herz Preußens operiren zu lassen, nur dann fassen und ausführen, wenn es Belgien und Holland für sich hat, wenn es also, durch deren Armeen verstärkt, nur eine verhältnißmäßig geringe französische Streit- wacht gegen den Rhein stehn zu lassen braucht, welche mindestens genügt, ein etwa beabsichtigtes Vordringen der Preußen so lange aufzuhalten, bis auf dem andern Punkte die Entscheidung in einem Frankreich günstigen Sinne er- !"le ist. Was sich für Preußen hieraus ergibt, ist. daß es den Bund mit Holland und Wir Belgien suche. und zwar nicht in der Weise gemüthlicher Unterhaltungen, welche w't ihren Wenn und Aber alles in der Schwebe lassen. Ebenso nothwendig "der wünschenswert!) ist es dann, daß Preußen und England sich auf eine vernünftige Weise zusammenschließen, dergestalt, daß England sich wirklich aus 39"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/319>, abgerufen am 28.09.2024.