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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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kindlichen Beamten gegen die Regierung an der Verfassung festhielten; gegen
das Gesetz, nach welchem auch das Kriegswesen nicht ausschließlich (ohne ver¬
antwortlichen Vertreter) unter den Landesherrn als Militürchef gehören soll,
bemerkten sie, daß damit das Militär unter einen verantwortlichen Minister gestellt
und dem unmittelbaren Einfluß des Landesherrn entrückt worden sei, ein Argu¬
ment, welches zugleich jede Ministerverantwortlichkeit trifft, insofern nicht abzu¬
sehen ist, warum blos für das Militär kein verantwortlicher Minister sein soll.
Sie mißbilligten das Gesetz wegen der Einführung von Bezirksräthen, durch wel¬
ches in diesen aus vom Volk gewählten, noch dazu nach laxen Grundsätzen ge¬
wählten Personen verwaltende Behörden geschaffen worden seien und ein kräftiges
Eingreifen der Regierung nach allen Seiten gehindert werde, und welches
somit wahre Volksgewalten ins Leben rufe -- ein Gesetz, welches Hassenpflug
^lbst (was indessen die Commissarien nicht erwähnten) erst 1850 durch Verkün¬
digung des von seinen Vorgängern zu,Stande gebrachten Bezirksrathswahl-
^letzes vervollständigt hat, und welches in §. 2 mit klaren Worten anerkennt:
dem Ministerium des Innern die obere Leitung und Aufsicht, wie über¬
haupt die höhere Entscheidung in allen Angelegenheiten der innern Landesver¬
waltung zustehe. Sie zählten ferner einige andere Gesetze als den Stempel der
3eit an sich tragende auf, ohne specieller auf ihren Inhalt einzugehen,
darunter auch das obenerwähnte, für die damalige Zeit merkwürdig konser¬
vative Gesetz über Aufhebung der Jagdrcchte, so wie das Gesetz, welches den Be¬
rechtigten für die aufhörenden und abzulösenden Grundlasten den zwanzig fa¬
chen Betrag gewährt, gewiß ein entschieden unbilliges Gesetz! Sie legten end-
'es die Grundsätze des neuen Wahlgesetzes dar und schlössen diese>Darlegung mit
°em gewichtigen Bemerken, daß die auf Grund dieses Gesetzes berufenen Ver-
^Wmlungen gar keine legislatorische Arbeit mehr zu Stande gebracht hätten, und
Mit ihnen kein Haushaltungsctat habe vereinbart werden können und
'elbst dix liberalsten Ministerien bei den Finanzfragen in der Minderheit ge¬
geben seien. Sie mochten dies alles selbst zu bestimmt erfahren haben und
eshalb es nicht für nöthig halten, zu erwähnen, welche nothwendige legis-
"tori>che Arbeit von den Ständen verhindert worden sei, wie sehr die Ver-
^barung des Haushaltungsetats hätte beschleunigt werden müssen, da das
"Uisterium Eberhard ihn erst im Decbr. 1849 vorlegen konnte, Hassenpflug
im Febr. 1850 eintrat, alsbald jenen Credit von 644.000 Thlr. ver-
"ugte und die Stände nach dessen Verweigerung (15. März) vertagte, hier-'
"uf aber selbst die Berathung des Etats verhinderte, endlich bei welchen
^""nzfragen selbst die liberalsten Ministerien in der Minderheit geblieben seien,
^ sich dies wol von selbst verstand und namentlich die wichtige Uebereinkunft
^en der rotenburger Quart, von der wir vorhin sprachen, keiner Erwähnung
^ig war. Sie bezogen sich für diese Behauptungen auf die Denkschrift


^enzboten IV. 185S. 22

kindlichen Beamten gegen die Regierung an der Verfassung festhielten; gegen
das Gesetz, nach welchem auch das Kriegswesen nicht ausschließlich (ohne ver¬
antwortlichen Vertreter) unter den Landesherrn als Militürchef gehören soll,
bemerkten sie, daß damit das Militär unter einen verantwortlichen Minister gestellt
und dem unmittelbaren Einfluß des Landesherrn entrückt worden sei, ein Argu¬
ment, welches zugleich jede Ministerverantwortlichkeit trifft, insofern nicht abzu¬
sehen ist, warum blos für das Militär kein verantwortlicher Minister sein soll.
Sie mißbilligten das Gesetz wegen der Einführung von Bezirksräthen, durch wel¬
ches in diesen aus vom Volk gewählten, noch dazu nach laxen Grundsätzen ge¬
wählten Personen verwaltende Behörden geschaffen worden seien und ein kräftiges
Eingreifen der Regierung nach allen Seiten gehindert werde, und welches
somit wahre Volksgewalten ins Leben rufe — ein Gesetz, welches Hassenpflug
^lbst (was indessen die Commissarien nicht erwähnten) erst 1850 durch Verkün¬
digung des von seinen Vorgängern zu,Stande gebrachten Bezirksrathswahl-
^letzes vervollständigt hat, und welches in §. 2 mit klaren Worten anerkennt:
dem Ministerium des Innern die obere Leitung und Aufsicht, wie über¬
haupt die höhere Entscheidung in allen Angelegenheiten der innern Landesver¬
waltung zustehe. Sie zählten ferner einige andere Gesetze als den Stempel der
3eit an sich tragende auf, ohne specieller auf ihren Inhalt einzugehen,
darunter auch das obenerwähnte, für die damalige Zeit merkwürdig konser¬
vative Gesetz über Aufhebung der Jagdrcchte, so wie das Gesetz, welches den Be¬
rechtigten für die aufhörenden und abzulösenden Grundlasten den zwanzig fa¬
chen Betrag gewährt, gewiß ein entschieden unbilliges Gesetz! Sie legten end-
'es die Grundsätze des neuen Wahlgesetzes dar und schlössen diese>Darlegung mit
°em gewichtigen Bemerken, daß die auf Grund dieses Gesetzes berufenen Ver-
^Wmlungen gar keine legislatorische Arbeit mehr zu Stande gebracht hätten, und
Mit ihnen kein Haushaltungsctat habe vereinbart werden können und
'elbst dix liberalsten Ministerien bei den Finanzfragen in der Minderheit ge¬
geben seien. Sie mochten dies alles selbst zu bestimmt erfahren haben und
eshalb es nicht für nöthig halten, zu erwähnen, welche nothwendige legis-
"tori>che Arbeit von den Ständen verhindert worden sei, wie sehr die Ver-
^barung des Haushaltungsetats hätte beschleunigt werden müssen, da das
"Uisterium Eberhard ihn erst im Decbr. 1849 vorlegen konnte, Hassenpflug
im Febr. 1850 eintrat, alsbald jenen Credit von 644.000 Thlr. ver-
"ugte und die Stände nach dessen Verweigerung (15. März) vertagte, hier-'
"uf aber selbst die Berathung des Etats verhinderte, endlich bei welchen
^""nzfragen selbst die liberalsten Ministerien in der Minderheit geblieben seien,
^ sich dies wol von selbst verstand und namentlich die wichtige Uebereinkunft
^en der rotenburger Quart, von der wir vorhin sprachen, keiner Erwähnung
^ig war. Sie bezogen sich für diese Behauptungen auf die Denkschrift


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[0181] kindlichen Beamten gegen die Regierung an der Verfassung festhielten; gegen das Gesetz, nach welchem auch das Kriegswesen nicht ausschließlich (ohne ver¬ antwortlichen Vertreter) unter den Landesherrn als Militürchef gehören soll, bemerkten sie, daß damit das Militär unter einen verantwortlichen Minister gestellt und dem unmittelbaren Einfluß des Landesherrn entrückt worden sei, ein Argu¬ ment, welches zugleich jede Ministerverantwortlichkeit trifft, insofern nicht abzu¬ sehen ist, warum blos für das Militär kein verantwortlicher Minister sein soll. Sie mißbilligten das Gesetz wegen der Einführung von Bezirksräthen, durch wel¬ ches in diesen aus vom Volk gewählten, noch dazu nach laxen Grundsätzen ge¬ wählten Personen verwaltende Behörden geschaffen worden seien und ein kräftiges Eingreifen der Regierung nach allen Seiten gehindert werde, und welches somit wahre Volksgewalten ins Leben rufe — ein Gesetz, welches Hassenpflug ^lbst (was indessen die Commissarien nicht erwähnten) erst 1850 durch Verkün¬ digung des von seinen Vorgängern zu,Stande gebrachten Bezirksrathswahl- ^letzes vervollständigt hat, und welches in §. 2 mit klaren Worten anerkennt: dem Ministerium des Innern die obere Leitung und Aufsicht, wie über¬ haupt die höhere Entscheidung in allen Angelegenheiten der innern Landesver¬ waltung zustehe. Sie zählten ferner einige andere Gesetze als den Stempel der 3eit an sich tragende auf, ohne specieller auf ihren Inhalt einzugehen, darunter auch das obenerwähnte, für die damalige Zeit merkwürdig konser¬ vative Gesetz über Aufhebung der Jagdrcchte, so wie das Gesetz, welches den Be¬ rechtigten für die aufhörenden und abzulösenden Grundlasten den zwanzig fa¬ chen Betrag gewährt, gewiß ein entschieden unbilliges Gesetz! Sie legten end- 'es die Grundsätze des neuen Wahlgesetzes dar und schlössen diese>Darlegung mit °em gewichtigen Bemerken, daß die auf Grund dieses Gesetzes berufenen Ver- ^Wmlungen gar keine legislatorische Arbeit mehr zu Stande gebracht hätten, und Mit ihnen kein Haushaltungsctat habe vereinbart werden können und 'elbst dix liberalsten Ministerien bei den Finanzfragen in der Minderheit ge¬ geben seien. Sie mochten dies alles selbst zu bestimmt erfahren haben und eshalb es nicht für nöthig halten, zu erwähnen, welche nothwendige legis- "tori>che Arbeit von den Ständen verhindert worden sei, wie sehr die Ver- ^barung des Haushaltungsetats hätte beschleunigt werden müssen, da das "Uisterium Eberhard ihn erst im Decbr. 1849 vorlegen konnte, Hassenpflug im Febr. 1850 eintrat, alsbald jenen Credit von 644.000 Thlr. ver- "ugte und die Stände nach dessen Verweigerung (15. März) vertagte, hier-' "uf aber selbst die Berathung des Etats verhinderte, endlich bei welchen ^""nzfragen selbst die liberalsten Ministerien in der Minderheit geblieben seien, ^ sich dies wol von selbst verstand und namentlich die wichtige Uebereinkunft ^en der rotenburger Quart, von der wir vorhin sprachen, keiner Erwähnung ^ig war. Sie bezogen sich für diese Behauptungen auf die Denkschrift ^enzboten IV. 185S. 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/181>, abgerufen am 20.10.2024.