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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Grundsätze des modernen französischen Constitutionalismus" ein und folge-
weise bot sie zu "destructiven Tendenzen" Halt dar. Die Commissäre wiesen
sehr einfach die verderbliche Wirkung der Verfassung nach, indem sie nur die
letzten Ergebnisse der Verhandlungen der Landtage mit der Regierung, nicht
aber, oder wenigstens äußerst unvollständig und unrichtig, den Hergang und
die Ursachen der Ergebnisse schilderten und damit zugleich den Beweis lieferten,
daß Oberflächlichkeit sich wohl verträgt mit absprechendem Urtheil. Nicht
minder eifrig kritisirten sie die seit 1831 erlassenen Gesetze, in denen die Sou-
veränetät des Volkswillens unverhüllt zum Durchbruch komme; sie erzählten
von dem Urmaß der Petitionen, von der revolutionären Partei in der Stände-
Versammlung, verschmähten es nicht, die Anekdote mitzutheilen, wie damals
etliche den Ausdruck: "Landesherr" als knechtisch abschaffen wollten, aber
damit durchfielcn, sprachen weislich nur im Allgemeinen von unverschleierten
Angriffen auf die Person des Landesherrn, die sich damals wiederholt und
gesteigert Hütten, und hoben eine Reihe von Gesetzen heraus, welche das
"monarchische Princip" beeinträchtigen sollen, und wußten dies mit Virtuosität
zu entwickeln. So sagten sie über das Gesetz vom 17. Juni 1848, durch
welches den Ständen bei der Besetzung des Oberappcllationsgerichts. >-- das
zugleich Staatsgerichtshof ist, -- ein Prüsentationsrecht und die Entscheidung
über Einwände gegen ihre Präsentation eingeräumt wird, es hätte freilich,
wenn erst auf diese Weise nach und nach der oberste Gerichtshof mit radicalen
Mitgliedern besetzt gewesen sei, bald die ganze Handhabe der Justiz in den
Händen der Umsturzpartei gelegen, auch die Mitglieder der übrigen Gerichts¬
hofe würden sich ihr bald zugewendet haben, da sie Aussicht auf Beförderung
zum höchsten Gerichtshof nur durch Unterstützung der Machinationen der radi¬
calen Versammlung erlangten und ihnen außerdem leicht eine Anklage wegen
Verfassungsvcrletzung drohte; ein Gesichtspunkt, der um seines Gegensatzes
willen doppelte Kraft hat, da aus den gleichen Gründen die vom Landesherrn
besetzten Gerichte eine Art juristischer Leibwache desselben bilden mußten;
hoben gegen das Gesetz, nach welchem die Staatsdiener, wenn sie zu Land¬
tagsabgeordneten gewählt worden, zur Annahme der Wahl der Genehmigung
der Regierung nicht bedürfen sollten!, und durch welches der Streit über §- ^
der Verfassung s"sobald ein Staatsdiener :c. gewählt ist, hat derselbe davon
der vorgesetzten Behörde Anzeige zu machen, damit diese die Genehmigung'
(welche nicht ohne erhebliche, der Ständeversammlung mitzuthei'
lente Ursache zu versagen ist) ertheilen, auch wegen einstweiliger Verschung
seines Amtes Vorsorge treffen könne'1 beseitigt wurde, gegen dieses Gcscp
hoben sie hervor, daß dadurch die Staatsdiener sich immer mehr zu eine"
selbständigen Macht ihrer Regierung gegenüber ausbildeten, indem sie "Ah
die späteren Vorgänge hindeuteten, bei welchen die nicht im Landtag de-


Grundsätze des modernen französischen Constitutionalismus" ein und folge-
weise bot sie zu „destructiven Tendenzen" Halt dar. Die Commissäre wiesen
sehr einfach die verderbliche Wirkung der Verfassung nach, indem sie nur die
letzten Ergebnisse der Verhandlungen der Landtage mit der Regierung, nicht
aber, oder wenigstens äußerst unvollständig und unrichtig, den Hergang und
die Ursachen der Ergebnisse schilderten und damit zugleich den Beweis lieferten,
daß Oberflächlichkeit sich wohl verträgt mit absprechendem Urtheil. Nicht
minder eifrig kritisirten sie die seit 1831 erlassenen Gesetze, in denen die Sou-
veränetät des Volkswillens unverhüllt zum Durchbruch komme; sie erzählten
von dem Urmaß der Petitionen, von der revolutionären Partei in der Stände-
Versammlung, verschmähten es nicht, die Anekdote mitzutheilen, wie damals
etliche den Ausdruck: „Landesherr" als knechtisch abschaffen wollten, aber
damit durchfielcn, sprachen weislich nur im Allgemeinen von unverschleierten
Angriffen auf die Person des Landesherrn, die sich damals wiederholt und
gesteigert Hütten, und hoben eine Reihe von Gesetzen heraus, welche das
„monarchische Princip" beeinträchtigen sollen, und wußten dies mit Virtuosität
zu entwickeln. So sagten sie über das Gesetz vom 17. Juni 1848, durch
welches den Ständen bei der Besetzung des Oberappcllationsgerichts. >— das
zugleich Staatsgerichtshof ist, — ein Prüsentationsrecht und die Entscheidung
über Einwände gegen ihre Präsentation eingeräumt wird, es hätte freilich,
wenn erst auf diese Weise nach und nach der oberste Gerichtshof mit radicalen
Mitgliedern besetzt gewesen sei, bald die ganze Handhabe der Justiz in den
Händen der Umsturzpartei gelegen, auch die Mitglieder der übrigen Gerichts¬
hofe würden sich ihr bald zugewendet haben, da sie Aussicht auf Beförderung
zum höchsten Gerichtshof nur durch Unterstützung der Machinationen der radi¬
calen Versammlung erlangten und ihnen außerdem leicht eine Anklage wegen
Verfassungsvcrletzung drohte; ein Gesichtspunkt, der um seines Gegensatzes
willen doppelte Kraft hat, da aus den gleichen Gründen die vom Landesherrn
besetzten Gerichte eine Art juristischer Leibwache desselben bilden mußten;
hoben gegen das Gesetz, nach welchem die Staatsdiener, wenn sie zu Land¬
tagsabgeordneten gewählt worden, zur Annahme der Wahl der Genehmigung
der Regierung nicht bedürfen sollten!, und durch welches der Streit über §- ^
der Verfassung s„sobald ein Staatsdiener :c. gewählt ist, hat derselbe davon
der vorgesetzten Behörde Anzeige zu machen, damit diese die Genehmigung'
(welche nicht ohne erhebliche, der Ständeversammlung mitzuthei'
lente Ursache zu versagen ist) ertheilen, auch wegen einstweiliger Verschung
seines Amtes Vorsorge treffen könne'1 beseitigt wurde, gegen dieses Gcscp
hoben sie hervor, daß dadurch die Staatsdiener sich immer mehr zu eine»
selbständigen Macht ihrer Regierung gegenüber ausbildeten, indem sie "Ah
die späteren Vorgänge hindeuteten, bei welchen die nicht im Landtag de-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/180>, abgerufen am 20.10.2024.