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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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teres über." Ich lachte und sagte: "Seid Ihr ein Prediger des Evangeliums,
und habt zwanzig Jahre einen Gott gepredigt, von dem Ihr nichts wußtet?"
"Ich kann Euch die Frage in ein paar Minuten beantworten." "Ich weiß
Bruder." sagte er. "es ist ein mysteriöser Gegenstand für einen sterblichen
Menschen." "Nun. so laßt mich fragen, könnt ihr mir sagen, wem unser
Vater im Himmel ähnlich sieht?" "Bruder Young, ich naße mir nicht an,
daß ich den Charakter der Gottheit beschreiben kann." Dies sagte er. wäh¬
rend die Farbe seines Gesichts bald bleich und bald roth wurde. Ich lachte,
und er glaubte, ich behandelte den Gegenstand leichtfertig. "Ich behandle den
Gegenstand nicht leichtfertig, aber ich lache über Eure Thorheit, daß Ihr, ein
Prediger in Israel, ein Mann, der zwischen den Lebendigen und den Todten
stehen sollte, dennoch nichts wißt von unserm Vater und Gott. Wäre ich an
eurer Stelle, ich würde niemals wieder eine Predigt halten, bis ich mehr von
Gott wüßte. Glaubt Ihr an die Bibel?" "Ich glaube." "Welche Aehnlich.
keit hatte Vater Adam mit Gott, als er in Eden war?" Ehe er antworten
konnte, fragte ich ihn weiter: "Welche Achnlichkeit hatte Jesus mit dem Men¬
schen, als er Fleisch wurde?" und: "Glaubet Ihr Moses, wenn er sagt. Gott
schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn? Dies
wäg Euch sonderbar scheinen, aber seht Ihr nicht bornr nah, daß der Herr
Adam schuf wie er war, und daß der Erlöser, von dem wir lesen, das be¬
sondere Bild seiner Person war?" Er lachte nun selbst über seine Thorheit.
"Nun." sagte er. "Bruder Young, ich habe mein Leben nicht hieran gedacht,
Und war ein Prediger zwanzig Jahre lang." Er hatte niemals den Charakter
des Gottes erkannt, den er verehrte, sondern ähnlich den Athenern hatte er
^nen Altar errichtet mit der Ueberschrift: "Dem unbekannten Gotte".

Die Gabe in fremden Zungen zu reden, ohne vorher von einer Gram¬
matik Gebrauch zu machen. ist in Utah eines der Lieblingsvorrechte. Wenn
Wnand fühlt, daß der Geist ihn treibt, so soll er "auf seine Füße stehen, sich
Mubig an Christus lehnen, seine Lippen bewegen und einen Gesang in einem
ihm beliebigen Takt hervorbringen, und der Herr wird ihm einen Dolmetscher
erwecken und er wird eine Sprache machen", so lautet die Vorschrift. Daß
aber trotz der doppelten Mühe, die sich der heilige Geist mit dem von ihm
bewegten gibt, diese Sprachübungen zu sehr komischen Scenen Anlaß geben,
^um man sich leicht denken. Man denke sich eine Versammlung, in der sich
plötzlich jemand erhebt und unter allerlei Grimassen Laute hervorbringt, wie:
^eniimii, pun-van, Kiaka Umasensl Alles ist stille, aber nach einer kurzen
^eile erhebt sich ein anderer und erklärt, der heilige Geist habe ihm verkündet
was es bedeute; daß es irgend ein Jndianerdialckt wäre, und hieße -- folgt
Uebersetzung. Daß der Schalk bei solchen Gelegenheiten nicht immer fehlt,
denn der stirbt in der Welt nirgend aus, und daß Griechisch. Lateinisch,


Grenzboten IV. 1859. 20

teres über." Ich lachte und sagte: „Seid Ihr ein Prediger des Evangeliums,
und habt zwanzig Jahre einen Gott gepredigt, von dem Ihr nichts wußtet?"
»Ich kann Euch die Frage in ein paar Minuten beantworten." „Ich weiß
Bruder." sagte er. „es ist ein mysteriöser Gegenstand für einen sterblichen
Menschen." „Nun. so laßt mich fragen, könnt ihr mir sagen, wem unser
Vater im Himmel ähnlich sieht?" „Bruder Young, ich naße mir nicht an,
daß ich den Charakter der Gottheit beschreiben kann." Dies sagte er. wäh¬
rend die Farbe seines Gesichts bald bleich und bald roth wurde. Ich lachte,
und er glaubte, ich behandelte den Gegenstand leichtfertig. „Ich behandle den
Gegenstand nicht leichtfertig, aber ich lache über Eure Thorheit, daß Ihr, ein
Prediger in Israel, ein Mann, der zwischen den Lebendigen und den Todten
stehen sollte, dennoch nichts wißt von unserm Vater und Gott. Wäre ich an
eurer Stelle, ich würde niemals wieder eine Predigt halten, bis ich mehr von
Gott wüßte. Glaubt Ihr an die Bibel?" „Ich glaube." „Welche Aehnlich.
keit hatte Vater Adam mit Gott, als er in Eden war?" Ehe er antworten
konnte, fragte ich ihn weiter: „Welche Achnlichkeit hatte Jesus mit dem Men¬
schen, als er Fleisch wurde?" und: „Glaubet Ihr Moses, wenn er sagt. Gott
schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn? Dies
wäg Euch sonderbar scheinen, aber seht Ihr nicht bornr nah, daß der Herr
Adam schuf wie er war, und daß der Erlöser, von dem wir lesen, das be¬
sondere Bild seiner Person war?" Er lachte nun selbst über seine Thorheit.
"Nun." sagte er. „Bruder Young, ich habe mein Leben nicht hieran gedacht,
Und war ein Prediger zwanzig Jahre lang." Er hatte niemals den Charakter
des Gottes erkannt, den er verehrte, sondern ähnlich den Athenern hatte er
^nen Altar errichtet mit der Ueberschrift: „Dem unbekannten Gotte".

Die Gabe in fremden Zungen zu reden, ohne vorher von einer Gram¬
matik Gebrauch zu machen. ist in Utah eines der Lieblingsvorrechte. Wenn
Wnand fühlt, daß der Geist ihn treibt, so soll er „auf seine Füße stehen, sich
Mubig an Christus lehnen, seine Lippen bewegen und einen Gesang in einem
ihm beliebigen Takt hervorbringen, und der Herr wird ihm einen Dolmetscher
erwecken und er wird eine Sprache machen", so lautet die Vorschrift. Daß
aber trotz der doppelten Mühe, die sich der heilige Geist mit dem von ihm
bewegten gibt, diese Sprachübungen zu sehr komischen Scenen Anlaß geben,
^um man sich leicht denken. Man denke sich eine Versammlung, in der sich
plötzlich jemand erhebt und unter allerlei Grimassen Laute hervorbringt, wie:
^eniimii, pun-van, Kiaka Umasensl Alles ist stille, aber nach einer kurzen
^eile erhebt sich ein anderer und erklärt, der heilige Geist habe ihm verkündet
was es bedeute; daß es irgend ein Jndianerdialckt wäre, und hieße — folgt
Uebersetzung. Daß der Schalk bei solchen Gelegenheiten nicht immer fehlt,
denn der stirbt in der Welt nirgend aus, und daß Griechisch. Lateinisch,


Grenzboten IV. 1859. 20
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/165>, abgerufen am 27.08.2024.