Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

geworfen und daraus ein Idiom zusammengebraut, das höchstens für ihren
Mann genießbar war.

Im Winter 1838, als ich noch in Elberfeld wohnte, bekleidete der
Dichter Freiligrath, dessen Poesie damals noch weit entfernt von jedem po¬
litischen Inhalt war, die Stelle eines Handelscorrespondenten in Barmer.
Die beiden Städte grenzen zusammen und wir sahen uns oft. Eines Tages
besuchte mich ein alter Freund, der bekannte Starkiof. damals großherzoglich
oldenburgischer Cabinetssecretür. der einigen Ruf als Novellist und Verfasser
von Romanen besaß. "Führen Sie mich zu dem Dichter des Löwenritts!"
so lautete seine Bitte, und wir machten uns Abends -- denn nur um diese Zeit
konnte man Freiligraths habhaft werden -- auf den Weg. Ich stellte den
Eabinetssecretär und geheimen Hofrath dem handelsbeflissenen Poeten vor;
Wie Flasche edlen Weins brachte das Gespräch bald in Fluß. Ich war damals
"och unbekannt mit der Nordseeküste; um so aufmerksamer hörte ich Starklof
ZU, als er mit großer Lebhaftigkeit die Eigenthümlichkeiten seiner Heimat und
insbesondere Wanger-Oges schilderte. Zufällig ließ er das Wort fallen: der
badecommissär sei ein bejahrter, für diese Stelle wenig geeigneter Mann.

Wir saßen -- wie dies in der Gesellschaft des liebenswürdigen, gemüth¬
lichen Dichters in der Regel der Fall war -- bis nach Mitternacht zusammen,
^n suchen Morgen, als der geheime Hofrath schon wieder abgereist war,
stand Freiligrath vor meinem Bett. "Verzeihe, sagte er, daß ich dich im
süßen Morgenschlummer störe. Ich habe den Rest der Nacht nicht mehr ge¬
schlafen; ein neuer Lebensplan ist mir durch den Kopf gegangen. Daß ich
^" Handelskram verabscheue, weißt du längst. Dieser Starklof hat mir,
ohne es zu ahnen, die rechte Straße gewiesen: ich werde Badecommissär auf
Insel Wanger-Oge!"

Was der Brausekopf von mir verlangte, war: ich solle bei dem geheimen
Hofrath wegen der Stelle "auf den Busch klopfen". Die Sache, meinte er,
^lebe keine Schwierigkeiten haben, da doch sicher ein Cabinetssecrctär bei
hinein Großherzog vieles vermöge. Wie zu erwarten war, gab Starklof
°>"e verneinende Antwort auf meinen Brief. Der Großherzog habe, so schrieb
^> an einem Dichter -- darunter verstand er sich selbst -- schon genug;
^ttdies sei die Stelle ja noch besetzt. Als ich nach Wanger-Oge kam, war
^leide Badecommissär -- nun schon ein Siebziger -- noch immer aus seinem
Kosten. Er war der größte Hypochonder, den man sehen mochte, und lebte
^ vollsten Ueberzeugung, daß in der See baden das unnützeste Ding von
^ Welt sei; daher er auch die neuangekommnen Kurgäste mit den Worten:
"^as wollen Sie hier? Geld vertrödeln, Langeweile genießen und umgehend
^ bannen gehn?" oder mit ähnlichen Reden empfing. Was aber dieser gute
kann verbrach, das machte seine Gattin, die treffliche Wirthschaften" im


geworfen und daraus ein Idiom zusammengebraut, das höchstens für ihren
Mann genießbar war.

Im Winter 1838, als ich noch in Elberfeld wohnte, bekleidete der
Dichter Freiligrath, dessen Poesie damals noch weit entfernt von jedem po¬
litischen Inhalt war, die Stelle eines Handelscorrespondenten in Barmer.
Die beiden Städte grenzen zusammen und wir sahen uns oft. Eines Tages
besuchte mich ein alter Freund, der bekannte Starkiof. damals großherzoglich
oldenburgischer Cabinetssecretür. der einigen Ruf als Novellist und Verfasser
von Romanen besaß. „Führen Sie mich zu dem Dichter des Löwenritts!"
so lautete seine Bitte, und wir machten uns Abends — denn nur um diese Zeit
konnte man Freiligraths habhaft werden — auf den Weg. Ich stellte den
Eabinetssecretär und geheimen Hofrath dem handelsbeflissenen Poeten vor;
Wie Flasche edlen Weins brachte das Gespräch bald in Fluß. Ich war damals
"och unbekannt mit der Nordseeküste; um so aufmerksamer hörte ich Starklof
ZU, als er mit großer Lebhaftigkeit die Eigenthümlichkeiten seiner Heimat und
insbesondere Wanger-Oges schilderte. Zufällig ließ er das Wort fallen: der
badecommissär sei ein bejahrter, für diese Stelle wenig geeigneter Mann.

Wir saßen — wie dies in der Gesellschaft des liebenswürdigen, gemüth¬
lichen Dichters in der Regel der Fall war — bis nach Mitternacht zusammen,
^n suchen Morgen, als der geheime Hofrath schon wieder abgereist war,
stand Freiligrath vor meinem Bett. „Verzeihe, sagte er, daß ich dich im
süßen Morgenschlummer störe. Ich habe den Rest der Nacht nicht mehr ge¬
schlafen; ein neuer Lebensplan ist mir durch den Kopf gegangen. Daß ich
^» Handelskram verabscheue, weißt du längst. Dieser Starklof hat mir,
ohne es zu ahnen, die rechte Straße gewiesen: ich werde Badecommissär auf
Insel Wanger-Oge!"

Was der Brausekopf von mir verlangte, war: ich solle bei dem geheimen
Hofrath wegen der Stelle „auf den Busch klopfen". Die Sache, meinte er,
^lebe keine Schwierigkeiten haben, da doch sicher ein Cabinetssecrctär bei
hinein Großherzog vieles vermöge. Wie zu erwarten war, gab Starklof
°>»e verneinende Antwort auf meinen Brief. Der Großherzog habe, so schrieb
^> an einem Dichter — darunter verstand er sich selbst — schon genug;
^ttdies sei die Stelle ja noch besetzt. Als ich nach Wanger-Oge kam, war
^leide Badecommissär — nun schon ein Siebziger — noch immer aus seinem
Kosten. Er war der größte Hypochonder, den man sehen mochte, und lebte
^ vollsten Ueberzeugung, daß in der See baden das unnützeste Ding von
^ Welt sei; daher er auch die neuangekommnen Kurgäste mit den Worten:
"^as wollen Sie hier? Geld vertrödeln, Langeweile genießen und umgehend
^ bannen gehn?" oder mit ähnlichen Reden empfing. Was aber dieser gute
kann verbrach, das machte seine Gattin, die treffliche Wirthschaften» im


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0115" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108245"/>
            <p xml:id="ID_420" prev="#ID_419"> geworfen und daraus ein Idiom zusammengebraut, das höchstens für ihren<lb/>
Mann genießbar war.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_421"> Im Winter 1838, als ich noch in Elberfeld wohnte, bekleidete der<lb/>
Dichter Freiligrath, dessen Poesie damals noch weit entfernt von jedem po¬<lb/>
litischen Inhalt war, die Stelle eines Handelscorrespondenten in Barmer.<lb/>
Die beiden Städte grenzen zusammen und wir sahen uns oft. Eines Tages<lb/>
besuchte mich ein alter Freund, der bekannte Starkiof. damals großherzoglich<lb/>
oldenburgischer Cabinetssecretür. der einigen Ruf als Novellist und Verfasser<lb/>
von Romanen besaß. &#x201E;Führen Sie mich zu dem Dichter des Löwenritts!"<lb/>
so lautete seine Bitte, und wir machten uns Abends &#x2014; denn nur um diese Zeit<lb/>
konnte man Freiligraths habhaft werden &#x2014; auf den Weg. Ich stellte den<lb/>
Eabinetssecretär und geheimen Hofrath dem handelsbeflissenen Poeten vor;<lb/>
Wie Flasche edlen Weins brachte das Gespräch bald in Fluß. Ich war damals<lb/>
"och unbekannt mit der Nordseeküste; um so aufmerksamer hörte ich Starklof<lb/>
ZU, als er mit großer Lebhaftigkeit die Eigenthümlichkeiten seiner Heimat und<lb/>
insbesondere Wanger-Oges schilderte. Zufällig ließ er das Wort fallen: der<lb/>
badecommissär sei ein bejahrter, für diese Stelle wenig geeigneter Mann.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_422"> Wir saßen &#x2014; wie dies in der Gesellschaft des liebenswürdigen, gemüth¬<lb/>
lichen Dichters in der Regel der Fall war &#x2014; bis nach Mitternacht zusammen,<lb/>
^n suchen Morgen, als der geheime Hofrath schon wieder abgereist war,<lb/>
stand Freiligrath vor meinem Bett. &#x201E;Verzeihe, sagte er, daß ich dich im<lb/>
süßen Morgenschlummer störe. Ich habe den Rest der Nacht nicht mehr ge¬<lb/>
schlafen; ein neuer Lebensplan ist mir durch den Kopf gegangen. Daß ich<lb/>
^» Handelskram verabscheue, weißt du längst. Dieser Starklof hat mir,<lb/>
ohne es zu ahnen, die rechte Straße gewiesen: ich werde Badecommissär auf<lb/>
Insel Wanger-Oge!"</p><lb/>
            <p xml:id="ID_423" next="#ID_424"> Was der Brausekopf von mir verlangte, war: ich solle bei dem geheimen<lb/>
Hofrath wegen der Stelle &#x201E;auf den Busch klopfen". Die Sache, meinte er,<lb/>
^lebe keine Schwierigkeiten haben, da doch sicher ein Cabinetssecrctär bei<lb/>
hinein Großherzog vieles vermöge. Wie zu erwarten war, gab Starklof<lb/>
°&gt;»e verneinende Antwort auf meinen Brief. Der Großherzog habe, so schrieb<lb/>
^&gt; an einem Dichter &#x2014; darunter verstand er sich selbst &#x2014; schon genug;<lb/>
^ttdies sei die Stelle ja noch besetzt.  Als ich nach Wanger-Oge kam, war<lb/>
^leide Badecommissär &#x2014; nun schon ein Siebziger &#x2014; noch immer aus seinem<lb/>
Kosten.  Er war der größte Hypochonder, den man sehen mochte, und lebte<lb/>
^ vollsten Ueberzeugung, daß in der See baden das unnützeste Ding von<lb/>
^ Welt sei; daher er auch die neuangekommnen Kurgäste mit den Worten:<lb/>
"^as wollen Sie hier? Geld vertrödeln, Langeweile genießen und umgehend<lb/>
^ bannen gehn?" oder mit ähnlichen Reden empfing.  Was aber dieser gute<lb/>
kann verbrach, das machte seine Gattin, die treffliche Wirthschaften» im</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0115] geworfen und daraus ein Idiom zusammengebraut, das höchstens für ihren Mann genießbar war. Im Winter 1838, als ich noch in Elberfeld wohnte, bekleidete der Dichter Freiligrath, dessen Poesie damals noch weit entfernt von jedem po¬ litischen Inhalt war, die Stelle eines Handelscorrespondenten in Barmer. Die beiden Städte grenzen zusammen und wir sahen uns oft. Eines Tages besuchte mich ein alter Freund, der bekannte Starkiof. damals großherzoglich oldenburgischer Cabinetssecretür. der einigen Ruf als Novellist und Verfasser von Romanen besaß. „Führen Sie mich zu dem Dichter des Löwenritts!" so lautete seine Bitte, und wir machten uns Abends — denn nur um diese Zeit konnte man Freiligraths habhaft werden — auf den Weg. Ich stellte den Eabinetssecretär und geheimen Hofrath dem handelsbeflissenen Poeten vor; Wie Flasche edlen Weins brachte das Gespräch bald in Fluß. Ich war damals "och unbekannt mit der Nordseeküste; um so aufmerksamer hörte ich Starklof ZU, als er mit großer Lebhaftigkeit die Eigenthümlichkeiten seiner Heimat und insbesondere Wanger-Oges schilderte. Zufällig ließ er das Wort fallen: der badecommissär sei ein bejahrter, für diese Stelle wenig geeigneter Mann. Wir saßen — wie dies in der Gesellschaft des liebenswürdigen, gemüth¬ lichen Dichters in der Regel der Fall war — bis nach Mitternacht zusammen, ^n suchen Morgen, als der geheime Hofrath schon wieder abgereist war, stand Freiligrath vor meinem Bett. „Verzeihe, sagte er, daß ich dich im süßen Morgenschlummer störe. Ich habe den Rest der Nacht nicht mehr ge¬ schlafen; ein neuer Lebensplan ist mir durch den Kopf gegangen. Daß ich ^» Handelskram verabscheue, weißt du längst. Dieser Starklof hat mir, ohne es zu ahnen, die rechte Straße gewiesen: ich werde Badecommissär auf Insel Wanger-Oge!" Was der Brausekopf von mir verlangte, war: ich solle bei dem geheimen Hofrath wegen der Stelle „auf den Busch klopfen". Die Sache, meinte er, ^lebe keine Schwierigkeiten haben, da doch sicher ein Cabinetssecrctär bei hinein Großherzog vieles vermöge. Wie zu erwarten war, gab Starklof °>»e verneinende Antwort auf meinen Brief. Der Großherzog habe, so schrieb ^> an einem Dichter — darunter verstand er sich selbst — schon genug; ^ttdies sei die Stelle ja noch besetzt. Als ich nach Wanger-Oge kam, war ^leide Badecommissär — nun schon ein Siebziger — noch immer aus seinem Kosten. Er war der größte Hypochonder, den man sehen mochte, und lebte ^ vollsten Ueberzeugung, daß in der See baden das unnützeste Ding von ^ Welt sei; daher er auch die neuangekommnen Kurgäste mit den Worten: "^as wollen Sie hier? Geld vertrödeln, Langeweile genießen und umgehend ^ bannen gehn?" oder mit ähnlichen Reden empfing. Was aber dieser gute kann verbrach, das machte seine Gattin, die treffliche Wirthschaften» im

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/115
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/115>, abgerufen am 25.08.2024.