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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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lich vollständig unberechtigter Souveränetätsgclüste, die der Imperator Na¬
poleon allerdings niederzuhalten wußte, und mir so weit duldete, als sie sich
in den Grenzen unschädlicher Spielerei bewegten, denen aber die politische Ver¬
fassung des deutschen Bundes einen großen Spielraum gewährt, sich auf stö¬
rende Weise geltend zu machen. Artikel 5. des organischen Gesetzes ist der
Vertreter dieser politischen Souvcränetätsgelüste in der Kriegsverfassung des
deutschen Bundes; er ist zugleich ein Zeuge der Eifersucht der großen und
mittleren Bundesglieder untereinander, der Besorgnis!, daß eins von ihnen
auf Kosten des andern sich stärken könne. Ein mildes Mittel, zu der von uns
für äußerst vortheilhaft gehaltenen Gleichförmigkeit im Bundesheerwesen zu
gelangen, wäre es grade, wenn die Contingente der kleinen Staaten, die
nicht einmal Armeedivisionen, geschweige denn Armeecorps bilden können, in
die Armeecorps der großen Staaten hineingesteckt würden. Wenn Preußens
Militärconventionen von 1849 dies anstrebten, so widersprachen sie allerdings
dem Artikel 5. des organischen Gesetzes und wurden auch vom Standpunkt
desselben aus und auf Grund desselben von der immer wachen Rivalität der
übrigen Staaten angegriffen. Aehnliche Bestrebungen, nicht blos auf mili¬
tärischem, auch auf dem im allgemeiner" Verstand politischen Gebiet, werden
immer auftauchen müssen, so lange nicht ein Gedanke die deutsche Nation
ergreift und sie auf einen Schlag über kleinliche Hindernisse hinwegbringt, die
sie sich selbst geschaffen hat. Hören wir Herrn von Schleinitz in der Eir-
cularnote vom 6. Juli dieses Jahres. Er findet darin: "namentlich in
den frühern Besprechungen mit dem östreichischen Cabinet habe sich die
Ueberzeugung nur fester stellen können, daß eine militärische Action Deutsch¬
lands sich immer am besten unter die militärisch am festesten organi-
sirten Mächte des Bundes vertheilen und an dieselben anlehnen würde,
so daß die südlichen Staaten ihre Streitkräfte unter Oestreichs, die nördlichen
unter Preußens Führung stellten und auf beiden Kriegstheatern im Einzelnen
selbstständig, aber unter gemeinsamer Verständigung operirten." Wir können
gegen diese Ueberzeugung um so weniger etwas einwenden, als sie auch die
unsere ist, -- nämlich so lange es nur einen deutschen Bund gibt und die
deutsche Nation noch kein Wort gesprochen und kein Wort mitzusprechen hat --
um so weniger, als wir unter Voraussetzung dieser allerdings nicht erfreulichen
Umstände diese Ansicht schon vor sechs Jahren") des Weitern entwickelt haben.

Der schweizerische Bund besteht bekanntlich aus einer Anzahl souyerä-
" er Staaten (Cantone genannt), welche nicht weit hinter der Anzahl Verdeut¬
schen Bundesstaaten zurückbleibt, aber er hat ein einheitliches Bundes¬
heer. In dieser Beziehung, wie in einigen andern, ebenso nothwendigen,
sind die souveränen Cantone "mediatisirt". "Ja," sagt man, "solche rcpubli-



") Der Krieg von" 180ö in Deutschland und Italien, Frauenfeld 1653. S. 422.

lich vollständig unberechtigter Souveränetätsgclüste, die der Imperator Na¬
poleon allerdings niederzuhalten wußte, und mir so weit duldete, als sie sich
in den Grenzen unschädlicher Spielerei bewegten, denen aber die politische Ver¬
fassung des deutschen Bundes einen großen Spielraum gewährt, sich auf stö¬
rende Weise geltend zu machen. Artikel 5. des organischen Gesetzes ist der
Vertreter dieser politischen Souvcränetätsgelüste in der Kriegsverfassung des
deutschen Bundes; er ist zugleich ein Zeuge der Eifersucht der großen und
mittleren Bundesglieder untereinander, der Besorgnis!, daß eins von ihnen
auf Kosten des andern sich stärken könne. Ein mildes Mittel, zu der von uns
für äußerst vortheilhaft gehaltenen Gleichförmigkeit im Bundesheerwesen zu
gelangen, wäre es grade, wenn die Contingente der kleinen Staaten, die
nicht einmal Armeedivisionen, geschweige denn Armeecorps bilden können, in
die Armeecorps der großen Staaten hineingesteckt würden. Wenn Preußens
Militärconventionen von 1849 dies anstrebten, so widersprachen sie allerdings
dem Artikel 5. des organischen Gesetzes und wurden auch vom Standpunkt
desselben aus und auf Grund desselben von der immer wachen Rivalität der
übrigen Staaten angegriffen. Aehnliche Bestrebungen, nicht blos auf mili¬
tärischem, auch auf dem im allgemeiner« Verstand politischen Gebiet, werden
immer auftauchen müssen, so lange nicht ein Gedanke die deutsche Nation
ergreift und sie auf einen Schlag über kleinliche Hindernisse hinwegbringt, die
sie sich selbst geschaffen hat. Hören wir Herrn von Schleinitz in der Eir-
cularnote vom 6. Juli dieses Jahres. Er findet darin: „namentlich in
den frühern Besprechungen mit dem östreichischen Cabinet habe sich die
Ueberzeugung nur fester stellen können, daß eine militärische Action Deutsch¬
lands sich immer am besten unter die militärisch am festesten organi-
sirten Mächte des Bundes vertheilen und an dieselben anlehnen würde,
so daß die südlichen Staaten ihre Streitkräfte unter Oestreichs, die nördlichen
unter Preußens Führung stellten und auf beiden Kriegstheatern im Einzelnen
selbstständig, aber unter gemeinsamer Verständigung operirten." Wir können
gegen diese Ueberzeugung um so weniger etwas einwenden, als sie auch die
unsere ist, — nämlich so lange es nur einen deutschen Bund gibt und die
deutsche Nation noch kein Wort gesprochen und kein Wort mitzusprechen hat —
um so weniger, als wir unter Voraussetzung dieser allerdings nicht erfreulichen
Umstände diese Ansicht schon vor sechs Jahren") des Weitern entwickelt haben.

Der schweizerische Bund besteht bekanntlich aus einer Anzahl souyerä-
" er Staaten (Cantone genannt), welche nicht weit hinter der Anzahl Verdeut¬
schen Bundesstaaten zurückbleibt, aber er hat ein einheitliches Bundes¬
heer. In dieser Beziehung, wie in einigen andern, ebenso nothwendigen,
sind die souveränen Cantone „mediatisirt". „Ja," sagt man, „solche rcpubli-



") Der Krieg von" 180ö in Deutschland und Italien, Frauenfeld 1653. S. 422.
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[0105] lich vollständig unberechtigter Souveränetätsgclüste, die der Imperator Na¬ poleon allerdings niederzuhalten wußte, und mir so weit duldete, als sie sich in den Grenzen unschädlicher Spielerei bewegten, denen aber die politische Ver¬ fassung des deutschen Bundes einen großen Spielraum gewährt, sich auf stö¬ rende Weise geltend zu machen. Artikel 5. des organischen Gesetzes ist der Vertreter dieser politischen Souvcränetätsgelüste in der Kriegsverfassung des deutschen Bundes; er ist zugleich ein Zeuge der Eifersucht der großen und mittleren Bundesglieder untereinander, der Besorgnis!, daß eins von ihnen auf Kosten des andern sich stärken könne. Ein mildes Mittel, zu der von uns für äußerst vortheilhaft gehaltenen Gleichförmigkeit im Bundesheerwesen zu gelangen, wäre es grade, wenn die Contingente der kleinen Staaten, die nicht einmal Armeedivisionen, geschweige denn Armeecorps bilden können, in die Armeecorps der großen Staaten hineingesteckt würden. Wenn Preußens Militärconventionen von 1849 dies anstrebten, so widersprachen sie allerdings dem Artikel 5. des organischen Gesetzes und wurden auch vom Standpunkt desselben aus und auf Grund desselben von der immer wachen Rivalität der übrigen Staaten angegriffen. Aehnliche Bestrebungen, nicht blos auf mili¬ tärischem, auch auf dem im allgemeiner« Verstand politischen Gebiet, werden immer auftauchen müssen, so lange nicht ein Gedanke die deutsche Nation ergreift und sie auf einen Schlag über kleinliche Hindernisse hinwegbringt, die sie sich selbst geschaffen hat. Hören wir Herrn von Schleinitz in der Eir- cularnote vom 6. Juli dieses Jahres. Er findet darin: „namentlich in den frühern Besprechungen mit dem östreichischen Cabinet habe sich die Ueberzeugung nur fester stellen können, daß eine militärische Action Deutsch¬ lands sich immer am besten unter die militärisch am festesten organi- sirten Mächte des Bundes vertheilen und an dieselben anlehnen würde, so daß die südlichen Staaten ihre Streitkräfte unter Oestreichs, die nördlichen unter Preußens Führung stellten und auf beiden Kriegstheatern im Einzelnen selbstständig, aber unter gemeinsamer Verständigung operirten." Wir können gegen diese Ueberzeugung um so weniger etwas einwenden, als sie auch die unsere ist, — nämlich so lange es nur einen deutschen Bund gibt und die deutsche Nation noch kein Wort gesprochen und kein Wort mitzusprechen hat — um so weniger, als wir unter Voraussetzung dieser allerdings nicht erfreulichen Umstände diese Ansicht schon vor sechs Jahren") des Weitern entwickelt haben. Der schweizerische Bund besteht bekanntlich aus einer Anzahl souyerä- " er Staaten (Cantone genannt), welche nicht weit hinter der Anzahl Verdeut¬ schen Bundesstaaten zurückbleibt, aber er hat ein einheitliches Bundes¬ heer. In dieser Beziehung, wie in einigen andern, ebenso nothwendigen, sind die souveränen Cantone „mediatisirt". „Ja," sagt man, „solche rcpubli- ") Der Krieg von" 180ö in Deutschland und Italien, Frauenfeld 1653. S. 422.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/105>, abgerufen am 26.08.2024.