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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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einmal nach Süden an; "wundervoll! Nun springt er mit einmal über
den Tessin zurück, bekommt Schläge und eilt spornstreichs nach dem Mincio
zurück. "Das ist nun gar sublim! Da nähert man sich seinen Quellen, dem
berühmten Festungsviereck, u. s. w. u. s. w." Es fehlt blos noch, daß uns
bewiesen würde, Giulay habe sich mit Absicht bei Magenta schlagen lassen,
"um sich seinen Quellen zu nähern."

Die Augsburger Zeitung nennt dieses: "Vertrauen in die Führung er¬
halten wollen." Wenn sie mit Marionetten zu thun hätte, so möchte das
angehn. Indessen nicht jeder menschliche Verstand ist so leichtfüßig, um jedem
Guilayschen Bockssprung mit gleicher Bewunderung folgen zu können, und
wir glauben, die Augsburgerin hat weiter nichts erreicht als eine entschiedene
Schwächung des Vertrauens in ihre eigne Führung.

Mit seiner zweigetheilten Armee ging nun Kaiser Franz Joseph am
23. Juni, nachdem er schon am 20. sein Hauptquartier von Verona nach
Villafranca verlegt hatte, an das rechte Mineioufer vor, um die Offensive
ZU ergreifen und die nunmehr an der Chiese aufgestellten Verbündeten auf¬
zusuchen.

Der rechte Flügel, die zweite Armee unter Schul, stellte sich zwischen
Pozzolengo und Capriana auf, vor ihrem Centrum Solferino; der linke
Flügel entwickelte sich, die französischen Vortruppen nordwärts treibend,
Zwischen Guidizzolo und Castelgoffredo.

Beide Flügel bildeten also jetzt eine Zange, zwischen welcher, auf Lonato
und Montechio.ro basirt, der Feind stand. Der rechte Flügel der Oestreicher hatte
offenbar nur die Bestimmung einer Demonstration, er sollte nur den Feind
gegen sich heranlocken, dann ihn lediglich aufhalten, während der linke Flügel
in einem weiten Bogen an die Chiese in Flanke und Rücken des Feindes
vordringend -- den Hauptstoß zu führen hatte. Aber der rechte Demon-
strationsflügcl war so stark, vielleicht noch stärker, als der linke, der Ernst-
stügcl, dort Verschwendung, hier Knauserei. Ein Centrum fehlte eigentlich
Kanz; auf dem Raum zwischen Capriana und Guidizzolo stand so gut wie
nichts. Das Centrum hätte nicht gefehlt, wenn das Heer statt in zwei Ar¬
meen in sechs oder acht Corps -- als nächste Unterabtheilungen getheilt ge¬
wesen wäre.

Am 24. Juni kam es zur Schlacht. Nachdem in den Gefechten des
Vormittags Napoleon den Stand der Dinge erkannt; die etwas weitaus¬
holende Bewegung des linken Flügels, welche Zeit brauchte, um zur Wirkung
zu kommen, die Schwäche des Centrums, die Demonstration und defensive
Bestimmung des trotzdem starken rechten östreichischen Flügels, ließ er dem
feindlichen linken nur verhültnißmäßig schwache Kräfte zum bloßen Aufhalten
gegenüber und warf sich mit überlegenen Massen auf das östreichische Centrum


einmal nach Süden an; „wundervoll! Nun springt er mit einmal über
den Tessin zurück, bekommt Schläge und eilt spornstreichs nach dem Mincio
zurück. „Das ist nun gar sublim! Da nähert man sich seinen Quellen, dem
berühmten Festungsviereck, u. s. w. u. s. w." Es fehlt blos noch, daß uns
bewiesen würde, Giulay habe sich mit Absicht bei Magenta schlagen lassen,
»um sich seinen Quellen zu nähern."

Die Augsburger Zeitung nennt dieses: „Vertrauen in die Führung er¬
halten wollen." Wenn sie mit Marionetten zu thun hätte, so möchte das
angehn. Indessen nicht jeder menschliche Verstand ist so leichtfüßig, um jedem
Guilayschen Bockssprung mit gleicher Bewunderung folgen zu können, und
wir glauben, die Augsburgerin hat weiter nichts erreicht als eine entschiedene
Schwächung des Vertrauens in ihre eigne Führung.

Mit seiner zweigetheilten Armee ging nun Kaiser Franz Joseph am
23. Juni, nachdem er schon am 20. sein Hauptquartier von Verona nach
Villafranca verlegt hatte, an das rechte Mineioufer vor, um die Offensive
ZU ergreifen und die nunmehr an der Chiese aufgestellten Verbündeten auf¬
zusuchen.

Der rechte Flügel, die zweite Armee unter Schul, stellte sich zwischen
Pozzolengo und Capriana auf, vor ihrem Centrum Solferino; der linke
Flügel entwickelte sich, die französischen Vortruppen nordwärts treibend,
Zwischen Guidizzolo und Castelgoffredo.

Beide Flügel bildeten also jetzt eine Zange, zwischen welcher, auf Lonato
und Montechio.ro basirt, der Feind stand. Der rechte Flügel der Oestreicher hatte
offenbar nur die Bestimmung einer Demonstration, er sollte nur den Feind
gegen sich heranlocken, dann ihn lediglich aufhalten, während der linke Flügel
in einem weiten Bogen an die Chiese in Flanke und Rücken des Feindes
vordringend — den Hauptstoß zu führen hatte. Aber der rechte Demon-
strationsflügcl war so stark, vielleicht noch stärker, als der linke, der Ernst-
stügcl, dort Verschwendung, hier Knauserei. Ein Centrum fehlte eigentlich
Kanz; auf dem Raum zwischen Capriana und Guidizzolo stand so gut wie
nichts. Das Centrum hätte nicht gefehlt, wenn das Heer statt in zwei Ar¬
meen in sechs oder acht Corps — als nächste Unterabtheilungen getheilt ge¬
wesen wäre.

Am 24. Juni kam es zur Schlacht. Nachdem in den Gefechten des
Vormittags Napoleon den Stand der Dinge erkannt; die etwas weitaus¬
holende Bewegung des linken Flügels, welche Zeit brauchte, um zur Wirkung
zu kommen, die Schwäche des Centrums, die Demonstration und defensive
Bestimmung des trotzdem starken rechten östreichischen Flügels, ließ er dem
feindlichen linken nur verhültnißmäßig schwache Kräfte zum bloßen Aufhalten
gegenüber und warf sich mit überlegenen Massen auf das östreichische Centrum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/93>, abgerufen am 28.12.2024.