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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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gesinnt und fest überzeugt, daß die Tedeschi, falls es zum Krieg käme, den
Sieg behalten würden.

Am nächsten Morgen besuchten wir das Kloster und die daranstoßende
Kirche der Verkündigung, in der man grade Messe las. Mit dem ersteren,
in welchem jetzt vierzehn Mönche wohnen, ist eine Schule verbunden, in welcher
Knaben der Stadt Unterricht im Arabischen und Italienischen, im Schreiben
und Rechnen empfangen.- Die Kirche ist eine der schönsten in Palästina. Sie
besitzt eine Orgel und einige gute Gemälde, unter denen eine Mater Dolorosa
und eine Verkündigung sich auszeichnen. Unter dem Hochaltar befindet sich
eine Felsenhöhle, in welche die Legende den Ort verlegt, wo das erste Ave
Maria gesprochen wurde. Sechzehn Marmorstufen führen hinab. Unten
findet man einen kleinen Altar, neben dem Säulen die Orte bezeichnen, wo
die heilige Jungfrau und wo der Engel der Verkündigung stand. Ueber die¬
ser Grotte sah man früher das Haus der Eltern Jesu, welches jetzt in Loretto
ist. Als Grund der Wegführung wird angegeben, daß die Mutter Maria
gefürchtet habe, ihre Wohnung von den Sarazenen, welche damals Nazareth
bedrohten, verunehrt sehn zu müssen. Doch trugen die Engel die santa, eg,sei.
nicht, wie man gewöhnlich hört, sofort in den genannten Ort, sondern erst
nach dem Castell Finnen in Dalmatien, dann in einen Wald bei Recenati,
hierauf nach einem Hügel nicht fern von dem Wald und erst, als die beiden
Brüder, denen die Stelle gehörte, sich über den Besitz des Heiligthums zu
streiten begannen, nach Loretto. Die Grotte wird, da sie unter dein Hause
war, als dessen Keller gedient haben. Daß der Engel seinen Auftrag grade
hier ausrichtete, ist, mit Respect vor dem himmlischen Würdenträger zu sagen,
wenn es wahr ist, ein wenig geschmacklos, und so bin ich nicht abgeneigt,
der Meinung der Griechen beizupflichten, welche die Stelle der Verkündigung
'n ihre Kirche verlegen. Diese ist über dem Quell erbaut, welcher den soge¬
nannten Brunnen der Maria, einen von Kaktus umblühten alterthümlich ge¬
formten Marmortrog füllt, und es scheint poetischer, die Begegnung der bei¬
den heiligen Personen unter freiem Himmel, im Angesicht der Sonne und an
einer Quelle, dem Symbol des Lebens, stattfinden zu lassen, als in einem
dunkeln Keller, wo einem sonst nur Erdwichtel, feurige Pudel und andre
Grimassen des Höllenkönigs erscheinen.

Die übrigen Merkwürdigkeiten Nazareths: die Werkstätte Josephs, des
heiligen Zimmermanns, die Synagoge, in welcher Jesus lehrte, der Felsen,
von dem ihn die Juden herabstürzen wollten, die Kapelle, welche über der
Stelle erbaut ist, wo er nach der Auferstehung mit den Jüngern gespeist, lie¬
ßen wir unbesucht, da es uus nicht wie der französischen Pilgerkaravanc, die
Tags vorher hier gewesen, aus vollständige Ablese aller der Gnaden und
Segnungen ankam, die mit den verschiedenen Legendenorten verbunden sind.


gesinnt und fest überzeugt, daß die Tedeschi, falls es zum Krieg käme, den
Sieg behalten würden.

Am nächsten Morgen besuchten wir das Kloster und die daranstoßende
Kirche der Verkündigung, in der man grade Messe las. Mit dem ersteren,
in welchem jetzt vierzehn Mönche wohnen, ist eine Schule verbunden, in welcher
Knaben der Stadt Unterricht im Arabischen und Italienischen, im Schreiben
und Rechnen empfangen.- Die Kirche ist eine der schönsten in Palästina. Sie
besitzt eine Orgel und einige gute Gemälde, unter denen eine Mater Dolorosa
und eine Verkündigung sich auszeichnen. Unter dem Hochaltar befindet sich
eine Felsenhöhle, in welche die Legende den Ort verlegt, wo das erste Ave
Maria gesprochen wurde. Sechzehn Marmorstufen führen hinab. Unten
findet man einen kleinen Altar, neben dem Säulen die Orte bezeichnen, wo
die heilige Jungfrau und wo der Engel der Verkündigung stand. Ueber die¬
ser Grotte sah man früher das Haus der Eltern Jesu, welches jetzt in Loretto
ist. Als Grund der Wegführung wird angegeben, daß die Mutter Maria
gefürchtet habe, ihre Wohnung von den Sarazenen, welche damals Nazareth
bedrohten, verunehrt sehn zu müssen. Doch trugen die Engel die santa, eg,sei.
nicht, wie man gewöhnlich hört, sofort in den genannten Ort, sondern erst
nach dem Castell Finnen in Dalmatien, dann in einen Wald bei Recenati,
hierauf nach einem Hügel nicht fern von dem Wald und erst, als die beiden
Brüder, denen die Stelle gehörte, sich über den Besitz des Heiligthums zu
streiten begannen, nach Loretto. Die Grotte wird, da sie unter dein Hause
war, als dessen Keller gedient haben. Daß der Engel seinen Auftrag grade
hier ausrichtete, ist, mit Respect vor dem himmlischen Würdenträger zu sagen,
wenn es wahr ist, ein wenig geschmacklos, und so bin ich nicht abgeneigt,
der Meinung der Griechen beizupflichten, welche die Stelle der Verkündigung
'n ihre Kirche verlegen. Diese ist über dem Quell erbaut, welcher den soge¬
nannten Brunnen der Maria, einen von Kaktus umblühten alterthümlich ge¬
formten Marmortrog füllt, und es scheint poetischer, die Begegnung der bei¬
den heiligen Personen unter freiem Himmel, im Angesicht der Sonne und an
einer Quelle, dem Symbol des Lebens, stattfinden zu lassen, als in einem
dunkeln Keller, wo einem sonst nur Erdwichtel, feurige Pudel und andre
Grimassen des Höllenkönigs erscheinen.

Die übrigen Merkwürdigkeiten Nazareths: die Werkstätte Josephs, des
heiligen Zimmermanns, die Synagoge, in welcher Jesus lehrte, der Felsen,
von dem ihn die Juden herabstürzen wollten, die Kapelle, welche über der
Stelle erbaut ist, wo er nach der Auferstehung mit den Jüngern gespeist, lie¬
ßen wir unbesucht, da es uus nicht wie der französischen Pilgerkaravanc, die
Tags vorher hier gewesen, aus vollständige Ablese aller der Gnaden und
Segnungen ankam, die mit den verschiedenen Legendenorten verbunden sind.


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[0517] gesinnt und fest überzeugt, daß die Tedeschi, falls es zum Krieg käme, den Sieg behalten würden. Am nächsten Morgen besuchten wir das Kloster und die daranstoßende Kirche der Verkündigung, in der man grade Messe las. Mit dem ersteren, in welchem jetzt vierzehn Mönche wohnen, ist eine Schule verbunden, in welcher Knaben der Stadt Unterricht im Arabischen und Italienischen, im Schreiben und Rechnen empfangen.- Die Kirche ist eine der schönsten in Palästina. Sie besitzt eine Orgel und einige gute Gemälde, unter denen eine Mater Dolorosa und eine Verkündigung sich auszeichnen. Unter dem Hochaltar befindet sich eine Felsenhöhle, in welche die Legende den Ort verlegt, wo das erste Ave Maria gesprochen wurde. Sechzehn Marmorstufen führen hinab. Unten findet man einen kleinen Altar, neben dem Säulen die Orte bezeichnen, wo die heilige Jungfrau und wo der Engel der Verkündigung stand. Ueber die¬ ser Grotte sah man früher das Haus der Eltern Jesu, welches jetzt in Loretto ist. Als Grund der Wegführung wird angegeben, daß die Mutter Maria gefürchtet habe, ihre Wohnung von den Sarazenen, welche damals Nazareth bedrohten, verunehrt sehn zu müssen. Doch trugen die Engel die santa, eg,sei. nicht, wie man gewöhnlich hört, sofort in den genannten Ort, sondern erst nach dem Castell Finnen in Dalmatien, dann in einen Wald bei Recenati, hierauf nach einem Hügel nicht fern von dem Wald und erst, als die beiden Brüder, denen die Stelle gehörte, sich über den Besitz des Heiligthums zu streiten begannen, nach Loretto. Die Grotte wird, da sie unter dein Hause war, als dessen Keller gedient haben. Daß der Engel seinen Auftrag grade hier ausrichtete, ist, mit Respect vor dem himmlischen Würdenträger zu sagen, wenn es wahr ist, ein wenig geschmacklos, und so bin ich nicht abgeneigt, der Meinung der Griechen beizupflichten, welche die Stelle der Verkündigung 'n ihre Kirche verlegen. Diese ist über dem Quell erbaut, welcher den soge¬ nannten Brunnen der Maria, einen von Kaktus umblühten alterthümlich ge¬ formten Marmortrog füllt, und es scheint poetischer, die Begegnung der bei¬ den heiligen Personen unter freiem Himmel, im Angesicht der Sonne und an einer Quelle, dem Symbol des Lebens, stattfinden zu lassen, als in einem dunkeln Keller, wo einem sonst nur Erdwichtel, feurige Pudel und andre Grimassen des Höllenkönigs erscheinen. Die übrigen Merkwürdigkeiten Nazareths: die Werkstätte Josephs, des heiligen Zimmermanns, die Synagoge, in welcher Jesus lehrte, der Felsen, von dem ihn die Juden herabstürzen wollten, die Kapelle, welche über der Stelle erbaut ist, wo er nach der Auferstehung mit den Jüngern gespeist, lie¬ ßen wir unbesucht, da es uus nicht wie der französischen Pilgerkaravanc, die Tags vorher hier gewesen, aus vollständige Ablese aller der Gnaden und Segnungen ankam, die mit den verschiedenen Legendenorten verbunden sind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/517>, abgerufen am 22.07.2024.