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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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entfernten Sebastijeh gemacht, wo sich die Ruinen von Samaria (eigentlich
Schomron) der Residenz der alten Könige von Israel, befinden. Allein die
HiKe, die der am todten Meer fast gleichkam, und unser Plan, der uns für die
Reise von Jerusalem bis Beirut nicht mehr als acht Tage gestattete, ließen
uns davon absehn.

So stiegen wir, nachdem die Glut der Sonne ein wenig nachgelassen,
den Abhang des Ebal hinan, um auf dem nächsten Weg nach Dschebba
zu gelangen, wo der Rastort für die Nacht sein sollte, und wo wir kurz vor
Sonnenuntergang eintrafen. Die Straße dahin führte über zum Theil sehr
rauhes Gebirge und durch verschiedene ungemein wilde Schluchten. Der Ort.
in dem man das Gibea des Alterthums erblickt, liegt anmuthig auf einer
Höhe, welche Aussicht in mehre baumreiche Thäler gewährt, ist ungewöhnlich
gut gebaut und hat eine kleine Moschee. Lange suchten wir vergeblich nach
einer passenden Stelle für unser Nachtlager. Endlich ritt Auad zum Vor¬
steher des Städtchens und bat, uns ein Quartier anzuweisen. Derselbe be¬
zeichnete ihm ein kleines viereckiges Gebäude mit einer Kuppel, welches einige
Schritte von der Moschee stand. Wir zogen es indessen vor, außerhalb des¬
selben auf dem Dach eines Hauses zu campiren, welches den Honoratioren
des Ortes als Kasino zu dienen schien, und wir hatten alle Ursache, mit uns¬
rer Wahl zufrieden zu sein.

Die Honoratioren, unter denen mehre schöne alte Weißbärte, leisteten
uns beim Essen, im Kreise auf den Fersen sitzend, Gesellschaft. Der Vorsteher
Usman, ein stattlicher Türke, den uns der Dragoman bald als Gouverneuer,
bald als Corporal bezeichnete, gewährte uns ebenfalls einige Zeit die Ehre
seiner Anwesenheit und nahm sogar eine Hand voll Latakiah aus meinem Ta¬
baksbeutel huldreich an. Alle betrugen sich anständig und mit der dem Mor¬
genländer der bessern Classe eignen Würde. Ein Maler hätte aus der Gruppe,
die sie mit ihren Turbanen und ihren bunten Gewändern, ihren edel geform¬
ten Gesichtern, ihren langen Bärten und schwarzen Augen bildeten, ein hüb¬
sches Bild componiren können, namentlich als die Sonne unterging und auf
dem Minaret der Moschee unmittelbar vor uns der Mucddin erschien, um zum
Abendgebet zu rufen. Ringsum in den Thälern die Nebel der Dämmerung -->
vor uns die Beter, deren Stirn und Wangen von der Inbrunst der Abend¬
liche mit magischem Licht übergössen waren -- droben über der Brüstung des
Minarets, ebenfalls feurig angestrahlt, der Rufer zu Gott -- die tiefe feier¬
liche Ruhe, die feierliche Färbung, die langsam verhallende Stimme, das
allmälige Erblassen des Himmels, der Angesichter und der Berge -- endlich
die Nacht: in der That, nie sah ich ein so wunderbar ergreifendes Symbol
U'orgcnländischer Versenkung in die Gottheit, ein solches Zusammenweben von


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entfernten Sebastijeh gemacht, wo sich die Ruinen von Samaria (eigentlich
Schomron) der Residenz der alten Könige von Israel, befinden. Allein die
HiKe, die der am todten Meer fast gleichkam, und unser Plan, der uns für die
Reise von Jerusalem bis Beirut nicht mehr als acht Tage gestattete, ließen
uns davon absehn.

So stiegen wir, nachdem die Glut der Sonne ein wenig nachgelassen,
den Abhang des Ebal hinan, um auf dem nächsten Weg nach Dschebba
zu gelangen, wo der Rastort für die Nacht sein sollte, und wo wir kurz vor
Sonnenuntergang eintrafen. Die Straße dahin führte über zum Theil sehr
rauhes Gebirge und durch verschiedene ungemein wilde Schluchten. Der Ort.
in dem man das Gibea des Alterthums erblickt, liegt anmuthig auf einer
Höhe, welche Aussicht in mehre baumreiche Thäler gewährt, ist ungewöhnlich
gut gebaut und hat eine kleine Moschee. Lange suchten wir vergeblich nach
einer passenden Stelle für unser Nachtlager. Endlich ritt Auad zum Vor¬
steher des Städtchens und bat, uns ein Quartier anzuweisen. Derselbe be¬
zeichnete ihm ein kleines viereckiges Gebäude mit einer Kuppel, welches einige
Schritte von der Moschee stand. Wir zogen es indessen vor, außerhalb des¬
selben auf dem Dach eines Hauses zu campiren, welches den Honoratioren
des Ortes als Kasino zu dienen schien, und wir hatten alle Ursache, mit uns¬
rer Wahl zufrieden zu sein.

Die Honoratioren, unter denen mehre schöne alte Weißbärte, leisteten
uns beim Essen, im Kreise auf den Fersen sitzend, Gesellschaft. Der Vorsteher
Usman, ein stattlicher Türke, den uns der Dragoman bald als Gouverneuer,
bald als Corporal bezeichnete, gewährte uns ebenfalls einige Zeit die Ehre
seiner Anwesenheit und nahm sogar eine Hand voll Latakiah aus meinem Ta¬
baksbeutel huldreich an. Alle betrugen sich anständig und mit der dem Mor¬
genländer der bessern Classe eignen Würde. Ein Maler hätte aus der Gruppe,
die sie mit ihren Turbanen und ihren bunten Gewändern, ihren edel geform¬
ten Gesichtern, ihren langen Bärten und schwarzen Augen bildeten, ein hüb¬
sches Bild componiren können, namentlich als die Sonne unterging und auf
dem Minaret der Moschee unmittelbar vor uns der Mucddin erschien, um zum
Abendgebet zu rufen. Ringsum in den Thälern die Nebel der Dämmerung —>
vor uns die Beter, deren Stirn und Wangen von der Inbrunst der Abend¬
liche mit magischem Licht übergössen waren — droben über der Brüstung des
Minarets, ebenfalls feurig angestrahlt, der Rufer zu Gott — die tiefe feier¬
liche Ruhe, die feierliche Färbung, die langsam verhallende Stimme, das
allmälige Erblassen des Himmels, der Angesichter und der Berge — endlich
die Nacht: in der That, nie sah ich ein so wunderbar ergreifendes Symbol
U'orgcnländischer Versenkung in die Gottheit, ein solches Zusammenweben von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/513>, abgerufen am 29.12.2024.