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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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zuführen, wieder aufhebt: so waren dieselben, da die Negierung ein Unterrichts¬
system mit den ungarischen Ständen nie vereinbarte, factisch bis zum J"hr
1849 gleichwol in dein Besitz der vollständigsten Selbstständigkeit auch in
Schulsachen. Ihre nach einem eignen Lehrplan eingerichteten Gymnasien
wurden als öffentliche Lehranstalten anerkannt; die Zeugnisse derselben
waren staatsgiltig. -- Nachdem der Bürgerkrieg beendet, und das alte Staats¬
recht Ungarns und mit demselben auch die ungarische Reichsvertretung der
Idee des Einheitsstaates gewichen war, nahm die Staatsregierung die Unter¬
richtsreform vor und organisirte die Gymnasien nach dem auf Grundlage der
Gutachten der Lehrkörper der westlichen Kronländer von ihr selbst, also ohne
jeden Einfluß der ungarischen Lande und namentlich der evangelischen Kirche
zu Stande gebrachten Entwurf der Organisation der Gymnasien. -- Kurz
darauf erschien eine für sämmtliche Kronländer der Monarchie wirksame
k. Verordnung d. d. 27. Juni 1350 (R. G. Blatt No. 30"), wodurch ein
proviforisches Gesetz über den Privatunterricht erlassen wurde. Dieses
Gesetz knüpfte die staatliche Anerkennung des Oeffentlichkeitscharakters einer
Privatlehranstalt (Gymnasium oder Realschule) unter andern um die Be¬
dingung, daß die Einrichtung einer solchen Anstalt der Einrichtung der gleich¬
namigen Staatsanstalten in Bezug auf Lehrplan und Lehrmittel in den
wesentlichen Punkten entspreche und sämmtliche Lehrer die für Staatsanstalten
dieser Art geforderte wissenschaftliche Befähigung nachgewiesen haben (8. S);
es setzte hinzu, daß alle Privatlehranstalten unter der Oberaufsicht der Regie¬
rung stehen und daher verpflichtet seien, die von dieser geforderten Auskünfte
über ihren Zustand zu geben, die Regierung aber berechtigt sei, in der ihr
geeignet scheinenden Weise sich von diesem Zustand genaue Kenntniß
zu verschaffen (§. 12); das Gesetz bestimmte endlich in §. 13: "verweigert eine
Anstalt den Regierungsbehörden die in Anspruch genommene Einsicht, so kann
sie geschlossen werden; dasselbe kann zu jeder Zeit geschehen, wenn sie einen
in moralischer oder politischer Beziehung schädlichen Charakter annimmt."
Obwol man einwenden könnte, daß der Entwurf der Gymnafialorganisation,
als einseitig von der Negierung verfaßt und erlassen, für die evangelische
Kirche in Ungarn vom Standpunkt des §. 5 Art. 26 1701 keine bindende
Kraft habe, obwol die von der Staatsgewalt im Gesetz über den Privatunter¬
richt in den Worten: "in der ihr geeignet scheinenden Weise" wieder
einseitig in Anspruch genommene Ausübung des obersten Aufsichtsrechts weder
in dem Gesetzartikel selbst noch in dein seitherigen Usus einen positiven An-
haltspunkt hatte; obwol endlich die in der wichtigen Schulfrage competenten
Kirchenorgane, ja zum Theil selbst die Schulpatronatc durch das Macht¬
wort Haynans vom 10. Februar 1850 aufgelöst worden waren: so konnten
die evangelischen Gymnasien, da dem Gesetz über den Privatunterricht bald


zuführen, wieder aufhebt: so waren dieselben, da die Negierung ein Unterrichts¬
system mit den ungarischen Ständen nie vereinbarte, factisch bis zum J"hr
1849 gleichwol in dein Besitz der vollständigsten Selbstständigkeit auch in
Schulsachen. Ihre nach einem eignen Lehrplan eingerichteten Gymnasien
wurden als öffentliche Lehranstalten anerkannt; die Zeugnisse derselben
waren staatsgiltig. — Nachdem der Bürgerkrieg beendet, und das alte Staats¬
recht Ungarns und mit demselben auch die ungarische Reichsvertretung der
Idee des Einheitsstaates gewichen war, nahm die Staatsregierung die Unter¬
richtsreform vor und organisirte die Gymnasien nach dem auf Grundlage der
Gutachten der Lehrkörper der westlichen Kronländer von ihr selbst, also ohne
jeden Einfluß der ungarischen Lande und namentlich der evangelischen Kirche
zu Stande gebrachten Entwurf der Organisation der Gymnasien. — Kurz
darauf erschien eine für sämmtliche Kronländer der Monarchie wirksame
k. Verordnung d. d. 27. Juni 1350 (R. G. Blatt No. 30»), wodurch ein
proviforisches Gesetz über den Privatunterricht erlassen wurde. Dieses
Gesetz knüpfte die staatliche Anerkennung des Oeffentlichkeitscharakters einer
Privatlehranstalt (Gymnasium oder Realschule) unter andern um die Be¬
dingung, daß die Einrichtung einer solchen Anstalt der Einrichtung der gleich¬
namigen Staatsanstalten in Bezug auf Lehrplan und Lehrmittel in den
wesentlichen Punkten entspreche und sämmtliche Lehrer die für Staatsanstalten
dieser Art geforderte wissenschaftliche Befähigung nachgewiesen haben (8. S);
es setzte hinzu, daß alle Privatlehranstalten unter der Oberaufsicht der Regie¬
rung stehen und daher verpflichtet seien, die von dieser geforderten Auskünfte
über ihren Zustand zu geben, die Regierung aber berechtigt sei, in der ihr
geeignet scheinenden Weise sich von diesem Zustand genaue Kenntniß
zu verschaffen (§. 12); das Gesetz bestimmte endlich in §. 13: „verweigert eine
Anstalt den Regierungsbehörden die in Anspruch genommene Einsicht, so kann
sie geschlossen werden; dasselbe kann zu jeder Zeit geschehen, wenn sie einen
in moralischer oder politischer Beziehung schädlichen Charakter annimmt."
Obwol man einwenden könnte, daß der Entwurf der Gymnafialorganisation,
als einseitig von der Negierung verfaßt und erlassen, für die evangelische
Kirche in Ungarn vom Standpunkt des §. 5 Art. 26 1701 keine bindende
Kraft habe, obwol die von der Staatsgewalt im Gesetz über den Privatunter¬
richt in den Worten: „in der ihr geeignet scheinenden Weise" wieder
einseitig in Anspruch genommene Ausübung des obersten Aufsichtsrechts weder
in dem Gesetzartikel selbst noch in dein seitherigen Usus einen positiven An-
haltspunkt hatte; obwol endlich die in der wichtigen Schulfrage competenten
Kirchenorgane, ja zum Theil selbst die Schulpatronatc durch das Macht¬
wort Haynans vom 10. Februar 1850 aufgelöst worden waren: so konnten
die evangelischen Gymnasien, da dem Gesetz über den Privatunterricht bald


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[0492] zuführen, wieder aufhebt: so waren dieselben, da die Negierung ein Unterrichts¬ system mit den ungarischen Ständen nie vereinbarte, factisch bis zum J"hr 1849 gleichwol in dein Besitz der vollständigsten Selbstständigkeit auch in Schulsachen. Ihre nach einem eignen Lehrplan eingerichteten Gymnasien wurden als öffentliche Lehranstalten anerkannt; die Zeugnisse derselben waren staatsgiltig. — Nachdem der Bürgerkrieg beendet, und das alte Staats¬ recht Ungarns und mit demselben auch die ungarische Reichsvertretung der Idee des Einheitsstaates gewichen war, nahm die Staatsregierung die Unter¬ richtsreform vor und organisirte die Gymnasien nach dem auf Grundlage der Gutachten der Lehrkörper der westlichen Kronländer von ihr selbst, also ohne jeden Einfluß der ungarischen Lande und namentlich der evangelischen Kirche zu Stande gebrachten Entwurf der Organisation der Gymnasien. — Kurz darauf erschien eine für sämmtliche Kronländer der Monarchie wirksame k. Verordnung d. d. 27. Juni 1350 (R. G. Blatt No. 30»), wodurch ein proviforisches Gesetz über den Privatunterricht erlassen wurde. Dieses Gesetz knüpfte die staatliche Anerkennung des Oeffentlichkeitscharakters einer Privatlehranstalt (Gymnasium oder Realschule) unter andern um die Be¬ dingung, daß die Einrichtung einer solchen Anstalt der Einrichtung der gleich¬ namigen Staatsanstalten in Bezug auf Lehrplan und Lehrmittel in den wesentlichen Punkten entspreche und sämmtliche Lehrer die für Staatsanstalten dieser Art geforderte wissenschaftliche Befähigung nachgewiesen haben (8. S); es setzte hinzu, daß alle Privatlehranstalten unter der Oberaufsicht der Regie¬ rung stehen und daher verpflichtet seien, die von dieser geforderten Auskünfte über ihren Zustand zu geben, die Regierung aber berechtigt sei, in der ihr geeignet scheinenden Weise sich von diesem Zustand genaue Kenntniß zu verschaffen (§. 12); das Gesetz bestimmte endlich in §. 13: „verweigert eine Anstalt den Regierungsbehörden die in Anspruch genommene Einsicht, so kann sie geschlossen werden; dasselbe kann zu jeder Zeit geschehen, wenn sie einen in moralischer oder politischer Beziehung schädlichen Charakter annimmt." Obwol man einwenden könnte, daß der Entwurf der Gymnafialorganisation, als einseitig von der Negierung verfaßt und erlassen, für die evangelische Kirche in Ungarn vom Standpunkt des §. 5 Art. 26 1701 keine bindende Kraft habe, obwol die von der Staatsgewalt im Gesetz über den Privatunter¬ richt in den Worten: „in der ihr geeignet scheinenden Weise" wieder einseitig in Anspruch genommene Ausübung des obersten Aufsichtsrechts weder in dem Gesetzartikel selbst noch in dein seitherigen Usus einen positiven An- haltspunkt hatte; obwol endlich die in der wichtigen Schulfrage competenten Kirchenorgane, ja zum Theil selbst die Schulpatronatc durch das Macht¬ wort Haynans vom 10. Februar 1850 aufgelöst worden waren: so konnten die evangelischen Gymnasien, da dem Gesetz über den Privatunterricht bald

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/492>, abgerufen am 22.07.2024.