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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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fuhren gibt, bevor er nicht zwei Jahre an Bord eines Kriegsfahrzeugs ge¬
dient und das Marineoffizierexamen bestanden hat, ihren Abgang an Offizieren
stets durch junge Kräfte ersetzen können, so dürfte es nicht mehr zweifelhaft
sein, auf welcher Seite bei einem etwaigen Zusammenstoß zwischen den beiden
Nationen sich anfangs die Uebermacht befinden würde. Der Einwurf, der
britische Seemann sei tüchtiger als der französische, ist nicht stichhaltig. Wer
Gelegenheit hatte, die vereinigten Flotten der Westmächte auf ihrer Fahrt nach
Kronstäbe zu besichtigen, weiß, daß die französischen Matrosen alles, was
Handgriffe und Manöver betrifft, ebenso rasch und gewandt ausführen als
die englischen. Wer Zutritt in die Kreise der Offiziere fand, wird auf der
englischen Flotte viel praktische Tüchtigkeit, auf der französischen aber außer
der gleichen Tüchtigkeit zugleich viel geschulte Intelligenz, viel theoretisches
Wissenj und allgemeine geistige Cultur angetroffen haben, und daß man mit
gebildeten Offizieren weiter kommt, als mit ungebildeten, bedarf wol keines
Beweises.

In Betreff der beiderseitigen Kriegshafen, die mittelbar die Stärke einer
Seemacht bestimmen helfen, ist zu bemerken, daß Cherbourg von der See
aus nicht zu nehmen ist und daß dessen Werften und Arsenal in jeder Hin¬
sicht vollkommen genannt werden müssen, während Portsmouth kaum als un¬
einnehmbar bezeichnet werden darf und seine Einrichtungen für den Bau und
die Unterkunft von Kriegsschiffen Mängel in Menge bieten.

Frankreich wäre somit sicher ein ebenbürtiger Gegner Englands, wenn
das bisherige Verhältniß der beiden Westmächte sich löste. Eine In¬
vasion Napoleons des Dritten in das Gebiet einer der beiden Hauptinseln
Großbritanniens hätte -- da die Flotte für Englands Sicherheit die Haupt¬
sache, die Küstenbcfestigung überhaupt nur Nebensache und in ihrer jetzigen
Gestalt fast ohne Bedeutung ist -- auf alle Fälle mehr Aussicht auf Erfolg
als frühere derartige Angriffe Frankreichs. Während Englands Schiffe seines
Welthandels und seiner Colonien wegen über alle Meere zerstreut sind, kann
Frankreich seine Kriegsflotte concentrirt halten. Es besitzt ein Landheer, gegen
das die 40,000 Mann, die England bei einer Invasion etwa bereit halten
könnte, kaum in Betracht kommen würden; es hat trefflich organisirte Trans¬
portmittel, um ohne Verzug 120,000 Soldaten nach der englischen oder iri¬
schen Küste zu werfen. Man darf als ziemlich gewiß annehmen, daß ein
Angriff Napoleons des Dritten auf seinen nördlichen Nachbar zuletzt ebenso
Zum Untergang des Angreifers führen würde, wie ein Angriff auf Deutschland,
der im Anfang die Franzosen Sieger sein ließe. Aber fast ebenso sicher scheint,
daß England zuerst schwere Niederlagen zu beklagen haben würde.

Alles dieses gilt übrigens nur von dem jetzigen Stand der Dinge dies-
seit und jenseit des Kanals. Der Aufschwung, den die französische Marine


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fuhren gibt, bevor er nicht zwei Jahre an Bord eines Kriegsfahrzeugs ge¬
dient und das Marineoffizierexamen bestanden hat, ihren Abgang an Offizieren
stets durch junge Kräfte ersetzen können, so dürfte es nicht mehr zweifelhaft
sein, auf welcher Seite bei einem etwaigen Zusammenstoß zwischen den beiden
Nationen sich anfangs die Uebermacht befinden würde. Der Einwurf, der
britische Seemann sei tüchtiger als der französische, ist nicht stichhaltig. Wer
Gelegenheit hatte, die vereinigten Flotten der Westmächte auf ihrer Fahrt nach
Kronstäbe zu besichtigen, weiß, daß die französischen Matrosen alles, was
Handgriffe und Manöver betrifft, ebenso rasch und gewandt ausführen als
die englischen. Wer Zutritt in die Kreise der Offiziere fand, wird auf der
englischen Flotte viel praktische Tüchtigkeit, auf der französischen aber außer
der gleichen Tüchtigkeit zugleich viel geschulte Intelligenz, viel theoretisches
Wissenj und allgemeine geistige Cultur angetroffen haben, und daß man mit
gebildeten Offizieren weiter kommt, als mit ungebildeten, bedarf wol keines
Beweises.

In Betreff der beiderseitigen Kriegshafen, die mittelbar die Stärke einer
Seemacht bestimmen helfen, ist zu bemerken, daß Cherbourg von der See
aus nicht zu nehmen ist und daß dessen Werften und Arsenal in jeder Hin¬
sicht vollkommen genannt werden müssen, während Portsmouth kaum als un¬
einnehmbar bezeichnet werden darf und seine Einrichtungen für den Bau und
die Unterkunft von Kriegsschiffen Mängel in Menge bieten.

Frankreich wäre somit sicher ein ebenbürtiger Gegner Englands, wenn
das bisherige Verhältniß der beiden Westmächte sich löste. Eine In¬
vasion Napoleons des Dritten in das Gebiet einer der beiden Hauptinseln
Großbritanniens hätte — da die Flotte für Englands Sicherheit die Haupt¬
sache, die Küstenbcfestigung überhaupt nur Nebensache und in ihrer jetzigen
Gestalt fast ohne Bedeutung ist — auf alle Fälle mehr Aussicht auf Erfolg
als frühere derartige Angriffe Frankreichs. Während Englands Schiffe seines
Welthandels und seiner Colonien wegen über alle Meere zerstreut sind, kann
Frankreich seine Kriegsflotte concentrirt halten. Es besitzt ein Landheer, gegen
das die 40,000 Mann, die England bei einer Invasion etwa bereit halten
könnte, kaum in Betracht kommen würden; es hat trefflich organisirte Trans¬
portmittel, um ohne Verzug 120,000 Soldaten nach der englischen oder iri¬
schen Küste zu werfen. Man darf als ziemlich gewiß annehmen, daß ein
Angriff Napoleons des Dritten auf seinen nördlichen Nachbar zuletzt ebenso
Zum Untergang des Angreifers führen würde, wie ein Angriff auf Deutschland,
der im Anfang die Franzosen Sieger sein ließe. Aber fast ebenso sicher scheint,
daß England zuerst schwere Niederlagen zu beklagen haben würde.

Alles dieses gilt übrigens nur von dem jetzigen Stand der Dinge dies-
seit und jenseit des Kanals. Der Aufschwung, den die französische Marine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/473>, abgerufen am 22.07.2024.