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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Ich hatte manches Wadi durchzogen, manchen Berg erstiegen, als ich endlich
in ein Thal hinabritt, in dem ich eine Cisterne fand. Es währte nicht lange, so
trafen hier auch die Gefährten ein, die, da sie zu weit nach Rechts gerathen
waren, trotz ihres raschen Reitens hinter mir zurück geblieben waren. Neben
dem Mund des Brunnens lag ein zerbrochener Topf mit einem Strick als Schöpf'
einer. wir zogen uns von der kühlen Fluth herauf, soviel wir und die Pferde
bedurften. Das Wasser war vortrefflich, und wenn es darin von rothen Wür¬
mern wimmelte, so ließen diese sich dadurch vom Munde abhalten, daß wir
beim Trinken den weißen Musselin unsrer Turbane vor die Lippen hielten.

Erfrischt traten wir unter Fuhr ung der inzwischen ebenfalls eingetroffenen Be¬
duinen die Weiterreise an und sti egen über einen hohen kahlen Bergrücken ">
einen Kessel hinab, in dem mehrere Schluchten zusammentreffen, von denen
die eine das berühmte Wadi En Nahr, zu deutsch Feuerthal ist. Dieses,
die Fortsetzung des Kidronthales bis zu seiner Quelle hin, ist eine der wilde¬
sten schauerlichsten Felsklüfte, die ich kenne. Zu beiden Seiten erheben sich
fünf bis sechshundert Fuß hohe schroffe Wände eines braunen Gesteins, durch
das sich bandartige horizontal laufende Streifen von dunklerer Farbe ziehen,
und welches, vom Regen vielfach zerwühlt und gezackt, zahlreiche kleine und
große Höhlen und Grotten zeigt. Die Thalsohle wird durchschnittlich nicht
breiter als fünfzehn Schritt sein, die obere Weite wenig mehr betragen, und
und so ist der Grund den größten Theil des Tages beschattet. Bäume, Sträu¬
cher mangeln zänzlich. Die Schlucht ist so dürr und trostlos, wie ich "ur
die Thäler im Monde denke. Eine gute Straße, in den dreißiger Jahre"
von den Griechen angelegt, führt etwa zwanzig Minuten lang, im Zickzack
an der einen Seite hinauf nach dem Kloster, welches mit seinen starken Thür¬
men und hohen Mauern, seinen Zinnen, Vorsprüngen und Terrassen weit mehr
Ähnlichkeit mit einer Ritterburg als mit einem Wohnsitz frommer Mönche
hat. Dieß gilt indeß von allen einsam liegenden Klöstern des heiligen Lan¬
des und hier in der unmittelbaren Nachbarschaft der Beduinen des Todte"
Meeres hatte man ganz besondere Ursache, sich zu vermauern und zu verschan¬
zen. Nur ein Empfehlungsbrief vom griechischen Patriarchen öffnet das kleine,
dick mit Eisen beschlagne, mit einem gewaltigen Riegel verwahrte Pförtchen, wel¬
ches den alleinigen Eingang in die Mönchsfestung bildet. Das Hinabsteigen
in den zweiten, innern Hof, den die Kirche, die Wohnungen der Klosterleute u"d
die Pilgerherberge umgeben, ist nur Christen gestattet. Unsre Beduinen mu߬
ten mit den Pferden und Maulthieren im ersten zurückbleiben, wo ihnen '"
einem Stall Unterkunft angewiesen wurde.

Das Kloster Mcir Saba hängt im eigentlichen Sinne am Rande des
Abgrundes. Die Kirche ist mit gewaltigen Strebepfeilern vor dem Hinab¬
rutschen bewahrt. Trepp ab, Trepp auf wird man geführt, wenn der bot-


Ich hatte manches Wadi durchzogen, manchen Berg erstiegen, als ich endlich
in ein Thal hinabritt, in dem ich eine Cisterne fand. Es währte nicht lange, so
trafen hier auch die Gefährten ein, die, da sie zu weit nach Rechts gerathen
waren, trotz ihres raschen Reitens hinter mir zurück geblieben waren. Neben
dem Mund des Brunnens lag ein zerbrochener Topf mit einem Strick als Schöpf'
einer. wir zogen uns von der kühlen Fluth herauf, soviel wir und die Pferde
bedurften. Das Wasser war vortrefflich, und wenn es darin von rothen Wür¬
mern wimmelte, so ließen diese sich dadurch vom Munde abhalten, daß wir
beim Trinken den weißen Musselin unsrer Turbane vor die Lippen hielten.

Erfrischt traten wir unter Fuhr ung der inzwischen ebenfalls eingetroffenen Be¬
duinen die Weiterreise an und sti egen über einen hohen kahlen Bergrücken »>
einen Kessel hinab, in dem mehrere Schluchten zusammentreffen, von denen
die eine das berühmte Wadi En Nahr, zu deutsch Feuerthal ist. Dieses,
die Fortsetzung des Kidronthales bis zu seiner Quelle hin, ist eine der wilde¬
sten schauerlichsten Felsklüfte, die ich kenne. Zu beiden Seiten erheben sich
fünf bis sechshundert Fuß hohe schroffe Wände eines braunen Gesteins, durch
das sich bandartige horizontal laufende Streifen von dunklerer Farbe ziehen,
und welches, vom Regen vielfach zerwühlt und gezackt, zahlreiche kleine und
große Höhlen und Grotten zeigt. Die Thalsohle wird durchschnittlich nicht
breiter als fünfzehn Schritt sein, die obere Weite wenig mehr betragen, und
und so ist der Grund den größten Theil des Tages beschattet. Bäume, Sträu¬
cher mangeln zänzlich. Die Schlucht ist so dürr und trostlos, wie ich »ur
die Thäler im Monde denke. Eine gute Straße, in den dreißiger Jahre»
von den Griechen angelegt, führt etwa zwanzig Minuten lang, im Zickzack
an der einen Seite hinauf nach dem Kloster, welches mit seinen starken Thür¬
men und hohen Mauern, seinen Zinnen, Vorsprüngen und Terrassen weit mehr
Ähnlichkeit mit einer Ritterburg als mit einem Wohnsitz frommer Mönche
hat. Dieß gilt indeß von allen einsam liegenden Klöstern des heiligen Lan¬
des und hier in der unmittelbaren Nachbarschaft der Beduinen des Todte»
Meeres hatte man ganz besondere Ursache, sich zu vermauern und zu verschan¬
zen. Nur ein Empfehlungsbrief vom griechischen Patriarchen öffnet das kleine,
dick mit Eisen beschlagne, mit einem gewaltigen Riegel verwahrte Pförtchen, wel¬
ches den alleinigen Eingang in die Mönchsfestung bildet. Das Hinabsteigen
in den zweiten, innern Hof, den die Kirche, die Wohnungen der Klosterleute u"d
die Pilgerherberge umgeben, ist nur Christen gestattet. Unsre Beduinen mu߬
ten mit den Pferden und Maulthieren im ersten zurückbleiben, wo ihnen '»
einem Stall Unterkunft angewiesen wurde.

Das Kloster Mcir Saba hängt im eigentlichen Sinne am Rande des
Abgrundes. Die Kirche ist mit gewaltigen Strebepfeilern vor dem Hinab¬
rutschen bewahrt. Trepp ab, Trepp auf wird man geführt, wenn der bot-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/450>, abgerufen am 23.07.2024.