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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Die Hitze war wieder kaum zum Aushalten. Die Steigbügel brannten
durch die Stiefelsohlen, und die Lust zitterte in der Ferne wie über einem
Backofen. Noch entsetzlicher wurde der Sonnenbrand in den Schluchten, >n
die wir nun hineinritten. Es war zwischen elf und zwölf Uhr, die Zeit, wo
es hier keinen Schatten gibt, und die Glut des Himmels nicht blos von oben
herabbrennt, sondern auch von der erhitzten Sohle und den Wänden der Thä¬
ler zurückgegeben wird. Wir hatten keinen Thermometer bei uns, aber nach
dem Geschmack der Luft, die ich einathmete und den Blasen, die ich an un¬
geschützten Stellen des Halses und auf der Hand bekam, welche den Zügel
hielt, fürchte ich nicht zu übertreiben, wenn ich annehme, daß die Wärme aw
Abhang des Gebirges 38 bis 40, in den engen Thälern, wo die Sonnenstrahlen
sich wie in Brennspiegeln concentrirten, wenigstens 45 Grad erreichte. Es
zeigte sich denn auch bald, daß unser Wcbcrgesell seinen vielgewanderten Füßen
zu viel zugetraut hatte. Schon Tags vorher hatten wir beide ihn abwechselnd
ein Stück reiten lassen, da er zurückzubleiben anfing. Jetzt wurde es Schuß
mer. Wir hatten etwa zwei Stunden vom todten Meer zurückgelegt, als der
eine der beiden Beduinen uns wieder entgegen kam und die Nachricht brachte,
der Hadschi. welcher zu Fuß reise, liege unter der Straße in einer Kluft und
sei krank; wir möchten ihm zu trinken schicken. Wir stiegen ab und kletterte"
zu ihm hinab. Er lag auf den Steinen und bat kläglich um Wasser. W>r
hatten ihm keines zu geben, da der Mukkari mit den Maulthieren, welche das
Jordanwasser trugen, unbekümmert um ihn und uns vorausgezogen war.
Alles übrige Naß war mit Ausnahme einer Flasche Marsala. die sich aber
ebenfalls in der Gewalt des Maulthiertreibers befand, am todten Meer ver¬
tilgt worden. Wir besaßen absolut' nichts als jeder eine Orange. Von diesen
gaben wir eine dem Kranken, die andere theilten wir zwischen uns beiden
und den Beduinen. Wohlweislich bewahrte ich mir von meinem Stück die
Schale auf.

Wir ließen nun den Brandenburger auf Löwenthals Pferd steigen und
setzten die Reise noch eine halbe Stunde weit fort. Aber die Gluth war
zu furchtbar, und so beschlossen wir. vor einer kleinen Höhle angelangt,
eine Weile zu ruhen. Die Beduinen drängten indeß bald wieder zum Auf¬
bruch, da Mar Saba noch fünf Stunden entfernt sei und wir nach Sonnen¬
untergang keinen Einlaß ins Kloster finden würden. So trat ich dem Weber¬
gesellen mein Pferd auf eine halbe Stunde ab und ging so rasch ichs vermochte
voraus, um die Andern noch ausruhen zu lassen und nach Verlauf der ge¬
nannten Frist auf sie, die mich bald einholen konnten, zu warten. Sie
kamen, aber der Handwerksbursch hatte sich noch nicht genug erholt, und so
ließ ich ihm meinen Gaul noch eine halbe Stunde. Er ritt mit Löwenthal
weiter, ich folgte mit dem Schech langsam nach. Es währte nicht lange,


Die Hitze war wieder kaum zum Aushalten. Die Steigbügel brannten
durch die Stiefelsohlen, und die Lust zitterte in der Ferne wie über einem
Backofen. Noch entsetzlicher wurde der Sonnenbrand in den Schluchten, >n
die wir nun hineinritten. Es war zwischen elf und zwölf Uhr, die Zeit, wo
es hier keinen Schatten gibt, und die Glut des Himmels nicht blos von oben
herabbrennt, sondern auch von der erhitzten Sohle und den Wänden der Thä¬
ler zurückgegeben wird. Wir hatten keinen Thermometer bei uns, aber nach
dem Geschmack der Luft, die ich einathmete und den Blasen, die ich an un¬
geschützten Stellen des Halses und auf der Hand bekam, welche den Zügel
hielt, fürchte ich nicht zu übertreiben, wenn ich annehme, daß die Wärme aw
Abhang des Gebirges 38 bis 40, in den engen Thälern, wo die Sonnenstrahlen
sich wie in Brennspiegeln concentrirten, wenigstens 45 Grad erreichte. Es
zeigte sich denn auch bald, daß unser Wcbcrgesell seinen vielgewanderten Füßen
zu viel zugetraut hatte. Schon Tags vorher hatten wir beide ihn abwechselnd
ein Stück reiten lassen, da er zurückzubleiben anfing. Jetzt wurde es Schuß
mer. Wir hatten etwa zwei Stunden vom todten Meer zurückgelegt, als der
eine der beiden Beduinen uns wieder entgegen kam und die Nachricht brachte,
der Hadschi. welcher zu Fuß reise, liege unter der Straße in einer Kluft und
sei krank; wir möchten ihm zu trinken schicken. Wir stiegen ab und kletterte»
zu ihm hinab. Er lag auf den Steinen und bat kläglich um Wasser. W>r
hatten ihm keines zu geben, da der Mukkari mit den Maulthieren, welche das
Jordanwasser trugen, unbekümmert um ihn und uns vorausgezogen war.
Alles übrige Naß war mit Ausnahme einer Flasche Marsala. die sich aber
ebenfalls in der Gewalt des Maulthiertreibers befand, am todten Meer ver¬
tilgt worden. Wir besaßen absolut' nichts als jeder eine Orange. Von diesen
gaben wir eine dem Kranken, die andere theilten wir zwischen uns beiden
und den Beduinen. Wohlweislich bewahrte ich mir von meinem Stück die
Schale auf.

Wir ließen nun den Brandenburger auf Löwenthals Pferd steigen und
setzten die Reise noch eine halbe Stunde weit fort. Aber die Gluth war
zu furchtbar, und so beschlossen wir. vor einer kleinen Höhle angelangt,
eine Weile zu ruhen. Die Beduinen drängten indeß bald wieder zum Auf¬
bruch, da Mar Saba noch fünf Stunden entfernt sei und wir nach Sonnen¬
untergang keinen Einlaß ins Kloster finden würden. So trat ich dem Weber¬
gesellen mein Pferd auf eine halbe Stunde ab und ging so rasch ichs vermochte
voraus, um die Andern noch ausruhen zu lassen und nach Verlauf der ge¬
nannten Frist auf sie, die mich bald einholen konnten, zu warten. Sie
kamen, aber der Handwerksbursch hatte sich noch nicht genug erholt, und so
ließ ich ihm meinen Gaul noch eine halbe Stunde. Er ritt mit Löwenthal
weiter, ich folgte mit dem Schech langsam nach. Es währte nicht lange,


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[0448] Die Hitze war wieder kaum zum Aushalten. Die Steigbügel brannten durch die Stiefelsohlen, und die Lust zitterte in der Ferne wie über einem Backofen. Noch entsetzlicher wurde der Sonnenbrand in den Schluchten, >n die wir nun hineinritten. Es war zwischen elf und zwölf Uhr, die Zeit, wo es hier keinen Schatten gibt, und die Glut des Himmels nicht blos von oben herabbrennt, sondern auch von der erhitzten Sohle und den Wänden der Thä¬ ler zurückgegeben wird. Wir hatten keinen Thermometer bei uns, aber nach dem Geschmack der Luft, die ich einathmete und den Blasen, die ich an un¬ geschützten Stellen des Halses und auf der Hand bekam, welche den Zügel hielt, fürchte ich nicht zu übertreiben, wenn ich annehme, daß die Wärme aw Abhang des Gebirges 38 bis 40, in den engen Thälern, wo die Sonnenstrahlen sich wie in Brennspiegeln concentrirten, wenigstens 45 Grad erreichte. Es zeigte sich denn auch bald, daß unser Wcbcrgesell seinen vielgewanderten Füßen zu viel zugetraut hatte. Schon Tags vorher hatten wir beide ihn abwechselnd ein Stück reiten lassen, da er zurückzubleiben anfing. Jetzt wurde es Schuß mer. Wir hatten etwa zwei Stunden vom todten Meer zurückgelegt, als der eine der beiden Beduinen uns wieder entgegen kam und die Nachricht brachte, der Hadschi. welcher zu Fuß reise, liege unter der Straße in einer Kluft und sei krank; wir möchten ihm zu trinken schicken. Wir stiegen ab und kletterte» zu ihm hinab. Er lag auf den Steinen und bat kläglich um Wasser. W>r hatten ihm keines zu geben, da der Mukkari mit den Maulthieren, welche das Jordanwasser trugen, unbekümmert um ihn und uns vorausgezogen war. Alles übrige Naß war mit Ausnahme einer Flasche Marsala. die sich aber ebenfalls in der Gewalt des Maulthiertreibers befand, am todten Meer ver¬ tilgt worden. Wir besaßen absolut' nichts als jeder eine Orange. Von diesen gaben wir eine dem Kranken, die andere theilten wir zwischen uns beiden und den Beduinen. Wohlweislich bewahrte ich mir von meinem Stück die Schale auf. Wir ließen nun den Brandenburger auf Löwenthals Pferd steigen und setzten die Reise noch eine halbe Stunde weit fort. Aber die Gluth war zu furchtbar, und so beschlossen wir. vor einer kleinen Höhle angelangt, eine Weile zu ruhen. Die Beduinen drängten indeß bald wieder zum Auf¬ bruch, da Mar Saba noch fünf Stunden entfernt sei und wir nach Sonnen¬ untergang keinen Einlaß ins Kloster finden würden. So trat ich dem Weber¬ gesellen mein Pferd auf eine halbe Stunde ab und ging so rasch ichs vermochte voraus, um die Andern noch ausruhen zu lassen und nach Verlauf der ge¬ nannten Frist auf sie, die mich bald einholen konnten, zu warten. Sie kamen, aber der Handwerksbursch hatte sich noch nicht genug erholt, und so ließ ich ihm meinen Gaul noch eine halbe Stunde. Er ritt mit Löwenthal weiter, ich folgte mit dem Schech langsam nach. Es währte nicht lange,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/448>, abgerufen am 23.07.2024.