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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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ersten Kammer schließt sich Bestimmungen der alten Verfassung an. die
^'Aich von zwei Kammern nichts wußte. In die erste kommen außerdem
"lie volljährigen, nachgebornen Prinzen des regierenden Kurhauses, sodann
°we Anzahl vom Landesherrn erblich ernannter Mitglieder mit fideicommissa-
Mem Einkommen von wenigstens 6000 Thalern, ferner der Vicekanzler der
Landesuniversität, der katholische Bischof, die drei protestantischen Superindenten-
icn von Kassel. Marburg und Hanau. Die Regierung sucht hier gegen die An¬
sicht der Stände die Stellvertretung für den Vicekanzler und für den katho¬
lischen Bischof in ihre eigne Auswahl zu legen, und es ist überhaupt charak¬
teristisch, wie sie. während sie doch das corporative Element zur Grundlage
ersten Kärrner nimmt, die Bildung der Corporationen von sich abhängig
machen sucht. Der Regierung selbst aber ist es schon bange geworden vor
dieser "Rittercurie", ihrer eignen Schöpfung, und in der That hat sich schon
letzt bei manchen Bestimmungen, z. B. bei K. 33 und 35. die Einseitigkeit
dieser ersten Kammer gezeigt. Sie verlangt Hereinziehung der beiden Ober¬
bürgermeister von Kassel und Hanau. -- welche der landesherrlichen Bestätigung
unterliegen und wodurch sie zwei Fliegen mit einer Klappe s^igt. wie wir nach¬
her sehen werden -- und die Befugniß für den Landesherrn, sechs Personen von
Auszeichnung in die erste Standekammer auf Lebenszeit berufen zu können,
'se auch sehr entrüstet darüber, daß man auf die Unselbständigkeit solcher aus¬
zeichneten Männer hinzuweisen gewagt hat. "Nur freilich" sagt ihre Denl-
lchnft "werden die Formen, in denen solche Männer der Regie¬
rung gegenüber ihre Selbststündigkeit behaupten, manchem
Abgeordneten des Adels für Schwäche gelten und jene sechs von
Auszeichnung selbst beim Widerspruch als Freunde der Regie¬
rung erscheinen lassen, und mag darin der Vorwurf seine Erläuterung
s'uden. daß jene Maßnahme dazu dienen solle, der Negierung in der ersten
Kammer die Majorität zu sichern, denn daß die Sechs von Auszeichnung
°hre sogenannte Selbststündigkeit (Sie!) die vierzehn bis zwanzig
Kammermitglieder von unbezweifelter Selbstständigkeit -- (von denen oft ge-
"Ug einige fehlen werden!) -- überstimmen würden, kann im Ernst nicht be¬
fürchtet werden." Ixsissiwkr, poro! Man sieht, was diese sechs Ausgezeichneten
f°lieu! Warum hat man es nicht lieber bei der frühern Einrichtung nur einer
Kammer gelassen, wo es keine "Rittercurie" gab und der nachtheilige Einfluß
inseitiger'Interessen durch die Gegenwirkung von Abgeordneten der Städte
"Ub des Landes beseitigt wurde? Warum so viele erfinderische Anstrengung,
^"n das Neue sich so wenig bewährt? Warum erschwert man sich das
^en so sehr und so ganz ohne Grund, während man doch we,ß. wie schwer
^ schon mancher, namentlich mancher kurhessischcn Regierung geworden ist.
"Ach nur mit einer Kammer fertig zu werden?


ersten Kammer schließt sich Bestimmungen der alten Verfassung an. die
^'Aich von zwei Kammern nichts wußte. In die erste kommen außerdem
"lie volljährigen, nachgebornen Prinzen des regierenden Kurhauses, sodann
°we Anzahl vom Landesherrn erblich ernannter Mitglieder mit fideicommissa-
Mem Einkommen von wenigstens 6000 Thalern, ferner der Vicekanzler der
Landesuniversität, der katholische Bischof, die drei protestantischen Superindenten-
icn von Kassel. Marburg und Hanau. Die Regierung sucht hier gegen die An¬
sicht der Stände die Stellvertretung für den Vicekanzler und für den katho¬
lischen Bischof in ihre eigne Auswahl zu legen, und es ist überhaupt charak¬
teristisch, wie sie. während sie doch das corporative Element zur Grundlage
ersten Kärrner nimmt, die Bildung der Corporationen von sich abhängig
machen sucht. Der Regierung selbst aber ist es schon bange geworden vor
dieser „Rittercurie", ihrer eignen Schöpfung, und in der That hat sich schon
letzt bei manchen Bestimmungen, z. B. bei K. 33 und 35. die Einseitigkeit
dieser ersten Kammer gezeigt. Sie verlangt Hereinziehung der beiden Ober¬
bürgermeister von Kassel und Hanau. — welche der landesherrlichen Bestätigung
unterliegen und wodurch sie zwei Fliegen mit einer Klappe s^igt. wie wir nach¬
her sehen werden — und die Befugniß für den Landesherrn, sechs Personen von
Auszeichnung in die erste Standekammer auf Lebenszeit berufen zu können,
'se auch sehr entrüstet darüber, daß man auf die Unselbständigkeit solcher aus¬
zeichneten Männer hinzuweisen gewagt hat. „Nur freilich" sagt ihre Denl-
lchnft „werden die Formen, in denen solche Männer der Regie¬
rung gegenüber ihre Selbststündigkeit behaupten, manchem
Abgeordneten des Adels für Schwäche gelten und jene sechs von
Auszeichnung selbst beim Widerspruch als Freunde der Regie¬
rung erscheinen lassen, und mag darin der Vorwurf seine Erläuterung
s'uden. daß jene Maßnahme dazu dienen solle, der Negierung in der ersten
Kammer die Majorität zu sichern, denn daß die Sechs von Auszeichnung
°hre sogenannte Selbststündigkeit (Sie!) die vierzehn bis zwanzig
Kammermitglieder von unbezweifelter Selbstständigkeit — (von denen oft ge-
"Ug einige fehlen werden!) — überstimmen würden, kann im Ernst nicht be¬
fürchtet werden." Ixsissiwkr, poro! Man sieht, was diese sechs Ausgezeichneten
f°lieu! Warum hat man es nicht lieber bei der frühern Einrichtung nur einer
Kammer gelassen, wo es keine „Rittercurie" gab und der nachtheilige Einfluß
inseitiger'Interessen durch die Gegenwirkung von Abgeordneten der Städte
"Ub des Landes beseitigt wurde? Warum so viele erfinderische Anstrengung,
^"n das Neue sich so wenig bewährt? Warum erschwert man sich das
^en so sehr und so ganz ohne Grund, während man doch we,ß. wie schwer
^ schon mancher, namentlich mancher kurhessischcn Regierung geworden ist.
"Ach nur mit einer Kammer fertig zu werden?


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/421>, abgerufen am 23.07.2024.