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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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sich als solche gelten solle, und weil die Stände in der That, wenn sie eins
der einen Seite Zugeständnisse machten, darauf rechnen mußten, daß bei diese"
Zugeständnissen auch die Einschränkungen derselben berücksichtigt, jene nicht als
unbeschränkte aufgefaßt würden. Und kann denn der Bundesversammlung
eine Verfassung genügen, die, mit dem äußersten Widerstreben aufgenommen,
nach manchen mühsam und auf traurigen Wegen in sechs Jahren erlangten
Aenderungen noch in den meisten und wichtigsten Punkten weder den alten
Rechten, noch den beharrlichsten und allgemeinsten Wünschen des Landes ent¬
spricht, die dadurch wie durch ihre Fassung nur den Hader zwischen Regierung
und Unterthanen verewigen muß, die wie geschaffen ist, statt zu beruhigen, w>e
sie soll, Zwietracht und Haß noch hervorzurufen?

Als bedenklich müssen wir demnach den Weg bezeichnen, den der Bericht
des Bundestagsausschusses einschlägt, alles das, worin die Stände zugestimmt
haben, als erledigt anzusehn, die Abweichungen für sich, als ob sie nicht nut
den Zugeständnissen zusammenhingen, zu beurtheilen, und das Ganze und seM
Zustandekommen überhaupt nicht ins Auge zu fassen. Dieser Bericht macht
es sich aber nicht blos insofern, sondern auch in der Kritik des Einzelnen allzu
leicht: die wichtigsten Punkte werden mit wenigen Worten, ost nur mit
dischen Schlagworten, dem dürftigsten Apparat einer Kritik, abgefertigt, nichts
wird über den Wortlaut der Abweichungen hinaus in Erwägung gezogen
Und doch nöthigt schon der Mangel an Uebereinstimmung zwischen der
gierung und den nach ihrem eignen Versassungsprojcct berufenen Ständen, ans
die Verfassung von 1831 zurückzugehen. Dies wird sich aus dem Folgendem
wobei wir alles minder Wesentliche übergehen, nur zu klar ergeben.

§. 6 der Verfassung von 1852 gestattet dem Landesherrn, wenn er an der Aus¬
übung derNegierung verhindert ist, eine Regentschaft zu bestellen, während die Ver¬
fassung von 1831 in §. 7 dazu die Genehmigung der Landstände erfordert, und
während die Stände jetzt zwar darauf nicht bestehen, aber eine gesetzliche Ordnung
der Regentschaft auch für diesen Fall verlangen. Wer kann dies unbillig oder
bedenklich finden? Ist nicht eben das der Vorzug der Monarchie, daß die
landesherrliche Gewalt in allen Fällen fest geregelt, von einseitigem Belieben
unabhängig und darüber erhaben ist? Oder soll das Land nicht als >n>t-
betheiligt gelten bei der Einsetzung einer Regentschaft, bei der wichtigsten, aus
alle Zweige der Gesetzgebung einwirkenden Negierungshandlung? Müßte um
mindestens im Geiste strengster Conservativität -- und das hätte für Kurhessen
bekanntlich seine besondere Bedeutung -- bestimmt werden, daß die Regent
schast nur aus den successionsfähigen Agnciten gewählt werden könne?-- ^M
Ausschußbericht bezweifelt nicht, daß im kurhessischen Hause dem Landesherrn det
Dispositionsbefugniß in Verhinderungssüllen zugestanden hat, (natürlich, so lang/
keine Verfassung existirte!) setzt voraus, daß die Regentschaft nur aus jenen Agnaten


sich als solche gelten solle, und weil die Stände in der That, wenn sie eins
der einen Seite Zugeständnisse machten, darauf rechnen mußten, daß bei diese»
Zugeständnissen auch die Einschränkungen derselben berücksichtigt, jene nicht als
unbeschränkte aufgefaßt würden. Und kann denn der Bundesversammlung
eine Verfassung genügen, die, mit dem äußersten Widerstreben aufgenommen,
nach manchen mühsam und auf traurigen Wegen in sechs Jahren erlangten
Aenderungen noch in den meisten und wichtigsten Punkten weder den alten
Rechten, noch den beharrlichsten und allgemeinsten Wünschen des Landes ent¬
spricht, die dadurch wie durch ihre Fassung nur den Hader zwischen Regierung
und Unterthanen verewigen muß, die wie geschaffen ist, statt zu beruhigen, w>e
sie soll, Zwietracht und Haß noch hervorzurufen?

Als bedenklich müssen wir demnach den Weg bezeichnen, den der Bericht
des Bundestagsausschusses einschlägt, alles das, worin die Stände zugestimmt
haben, als erledigt anzusehn, die Abweichungen für sich, als ob sie nicht nut
den Zugeständnissen zusammenhingen, zu beurtheilen, und das Ganze und seM
Zustandekommen überhaupt nicht ins Auge zu fassen. Dieser Bericht macht
es sich aber nicht blos insofern, sondern auch in der Kritik des Einzelnen allzu
leicht: die wichtigsten Punkte werden mit wenigen Worten, ost nur mit
dischen Schlagworten, dem dürftigsten Apparat einer Kritik, abgefertigt, nichts
wird über den Wortlaut der Abweichungen hinaus in Erwägung gezogen
Und doch nöthigt schon der Mangel an Uebereinstimmung zwischen der
gierung und den nach ihrem eignen Versassungsprojcct berufenen Ständen, ans
die Verfassung von 1831 zurückzugehen. Dies wird sich aus dem Folgendem
wobei wir alles minder Wesentliche übergehen, nur zu klar ergeben.

§. 6 der Verfassung von 1852 gestattet dem Landesherrn, wenn er an der Aus¬
übung derNegierung verhindert ist, eine Regentschaft zu bestellen, während die Ver¬
fassung von 1831 in §. 7 dazu die Genehmigung der Landstände erfordert, und
während die Stände jetzt zwar darauf nicht bestehen, aber eine gesetzliche Ordnung
der Regentschaft auch für diesen Fall verlangen. Wer kann dies unbillig oder
bedenklich finden? Ist nicht eben das der Vorzug der Monarchie, daß die
landesherrliche Gewalt in allen Fällen fest geregelt, von einseitigem Belieben
unabhängig und darüber erhaben ist? Oder soll das Land nicht als >n>t-
betheiligt gelten bei der Einsetzung einer Regentschaft, bei der wichtigsten, aus
alle Zweige der Gesetzgebung einwirkenden Negierungshandlung? Müßte um
mindestens im Geiste strengster Conservativität — und das hätte für Kurhessen
bekanntlich seine besondere Bedeutung — bestimmt werden, daß die Regent
schast nur aus den successionsfähigen Agnciten gewählt werden könne?— ^M
Ausschußbericht bezweifelt nicht, daß im kurhessischen Hause dem Landesherrn det
Dispositionsbefugniß in Verhinderungssüllen zugestanden hat, (natürlich, so lang/
keine Verfassung existirte!) setzt voraus, daß die Regentschaft nur aus jenen Agnaten


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[0418] sich als solche gelten solle, und weil die Stände in der That, wenn sie eins der einen Seite Zugeständnisse machten, darauf rechnen mußten, daß bei diese» Zugeständnissen auch die Einschränkungen derselben berücksichtigt, jene nicht als unbeschränkte aufgefaßt würden. Und kann denn der Bundesversammlung eine Verfassung genügen, die, mit dem äußersten Widerstreben aufgenommen, nach manchen mühsam und auf traurigen Wegen in sechs Jahren erlangten Aenderungen noch in den meisten und wichtigsten Punkten weder den alten Rechten, noch den beharrlichsten und allgemeinsten Wünschen des Landes ent¬ spricht, die dadurch wie durch ihre Fassung nur den Hader zwischen Regierung und Unterthanen verewigen muß, die wie geschaffen ist, statt zu beruhigen, w>e sie soll, Zwietracht und Haß noch hervorzurufen? Als bedenklich müssen wir demnach den Weg bezeichnen, den der Bericht des Bundestagsausschusses einschlägt, alles das, worin die Stände zugestimmt haben, als erledigt anzusehn, die Abweichungen für sich, als ob sie nicht nut den Zugeständnissen zusammenhingen, zu beurtheilen, und das Ganze und seM Zustandekommen überhaupt nicht ins Auge zu fassen. Dieser Bericht macht es sich aber nicht blos insofern, sondern auch in der Kritik des Einzelnen allzu leicht: die wichtigsten Punkte werden mit wenigen Worten, ost nur mit dischen Schlagworten, dem dürftigsten Apparat einer Kritik, abgefertigt, nichts wird über den Wortlaut der Abweichungen hinaus in Erwägung gezogen Und doch nöthigt schon der Mangel an Uebereinstimmung zwischen der gierung und den nach ihrem eignen Versassungsprojcct berufenen Ständen, ans die Verfassung von 1831 zurückzugehen. Dies wird sich aus dem Folgendem wobei wir alles minder Wesentliche übergehen, nur zu klar ergeben. §. 6 der Verfassung von 1852 gestattet dem Landesherrn, wenn er an der Aus¬ übung derNegierung verhindert ist, eine Regentschaft zu bestellen, während die Ver¬ fassung von 1831 in §. 7 dazu die Genehmigung der Landstände erfordert, und während die Stände jetzt zwar darauf nicht bestehen, aber eine gesetzliche Ordnung der Regentschaft auch für diesen Fall verlangen. Wer kann dies unbillig oder bedenklich finden? Ist nicht eben das der Vorzug der Monarchie, daß die landesherrliche Gewalt in allen Fällen fest geregelt, von einseitigem Belieben unabhängig und darüber erhaben ist? Oder soll das Land nicht als >n>t- betheiligt gelten bei der Einsetzung einer Regentschaft, bei der wichtigsten, aus alle Zweige der Gesetzgebung einwirkenden Negierungshandlung? Müßte um mindestens im Geiste strengster Conservativität — und das hätte für Kurhessen bekanntlich seine besondere Bedeutung — bestimmt werden, daß die Regent schast nur aus den successionsfähigen Agnciten gewählt werden könne?— ^M Ausschußbericht bezweifelt nicht, daß im kurhessischen Hause dem Landesherrn det Dispositionsbefugniß in Verhinderungssüllen zugestanden hat, (natürlich, so lang/ keine Verfassung existirte!) setzt voraus, daß die Regentschaft nur aus jenen Agnaten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/418>, abgerufen am 23.07.2024.