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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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zwölf Ruderern liefern, dann erklärte sie, sich mit einem geringern behelfe"
zu wollen, doch bäte sie sich die Differenz in klingender Münze aus. Als
dies gewährt worden, mußte ihr die Pforte ein Hotel ausmöbliren, und kaum
war dieses eingerichtet, so veranstaltete sie eine Auction, versteigerte Hotel-
Möblement und Kalk und zog sich mit dem Erlös nach Paris zurück. Aehn-
liche Dreistigkeiten erzählt die elironique 8eg.n<Zg,lLuse von Stambul noch
viele. Die Türken aber merkten sich das und ahmten es. wo Gelegenheit
war, nach. Von Engländern. Preußen und Russen wird nichts der Art be¬
richtet; wol aber soll ein früherer östreichischer Jnternuntius sich von dem
Schauplatz seiner Thätigkeit am goldnen Horn reicher zurückgezogen haben, als
er es nach seinem Gehalt gesollt hätte.

Der englische Consul, ein Herr Finn. ist bereits charakterisirt. Doch ist
noch zu erwähnen, daß er seiner grillenhafter rechthaberischen Gemüthsart we¬
gen nicht blos mit dem Bischof, sondern auch mit seinen College" auf ge¬
spannte"' Fuß lebt. Er soll übrigens fast ebenso gelehrt als seine Frau sei"-
Wie viel an der von ihm gestifteten antiquarischen Gesellschaft ist. welche die
Alterthümer des Landes erforschen soll, habe ich nicht erfahren können. Zahl¬
reich ist sie auf keinen Fall, und besondere Entdeckungen sind von ihr auch
nicht bekannt. Indeß verdient das Unternehmen insofern Lob, als damit eine
nicht unansehnliche Bibliothek verbunden ist, aus der auch an NichtMitglieder
Bücher entliehen werden. Der Umgebung des Consulcits wird viel Ungebühr
nachgesagt, namentlich seinem Factotum, dem Juden Meschullam und dessen
Sohne.

Auch über den Vertreter Oestreichs ist das Wesentlichste schon bemerkt-
Er wohnt in einem schönen Hause auf dem Bezetha, nicht weit vom Dcunas-
tusthor und ist jetzt recht vornehm eingerichtet, wozu die Dankbarkeit reicher
europäischer Juden für die von ihm ihren Glaubensgenossen in Jerusalem
geleisteten Dienste beigetragen hat. In den letzten Jahren war seine Thätig¬
keit besonders von dem Pilgerhaus in Anspruch genommen, welches nicht
fern von seiner Wohnung steht. Von dem Architekten Endlicher in Wien
entworfen, wurde es von einem Maurerpolierer aus Prag vollendet. Es ist
ein stattliches Gebäude in einem der Stadt sehr wohl angepaßten Stil, doch
sollte es höher stehen und im Innern nicht mit solchen zopfigen Guirlanden
von Stuckarbeit verziert sein, wie sie der genannte Vollender des Ganzen,
ohne Zweifel nach Erinnerungen an frühere Arbeiten in kleinen böhmisch"'
Städten, den Decken und Wänden angeklebt hat. Auch sieht man dem Gan¬
zen eben nicht an. daß es 300,000 Gulden gekostet hat. Man sagt, der
Grund habe viele Schwierigkeiten gemacht, es seien große Massen von Schutt
und Erde vorher wegzuschaffen gewesen. Man deutet aber auch noch eine
andere Erklärung des Mißverhältnisses zwischen Kosten und Leistung an. Der


zwölf Ruderern liefern, dann erklärte sie, sich mit einem geringern behelfe"
zu wollen, doch bäte sie sich die Differenz in klingender Münze aus. Als
dies gewährt worden, mußte ihr die Pforte ein Hotel ausmöbliren, und kaum
war dieses eingerichtet, so veranstaltete sie eine Auction, versteigerte Hotel-
Möblement und Kalk und zog sich mit dem Erlös nach Paris zurück. Aehn-
liche Dreistigkeiten erzählt die elironique 8eg.n<Zg,lLuse von Stambul noch
viele. Die Türken aber merkten sich das und ahmten es. wo Gelegenheit
war, nach. Von Engländern. Preußen und Russen wird nichts der Art be¬
richtet; wol aber soll ein früherer östreichischer Jnternuntius sich von dem
Schauplatz seiner Thätigkeit am goldnen Horn reicher zurückgezogen haben, als
er es nach seinem Gehalt gesollt hätte.

Der englische Consul, ein Herr Finn. ist bereits charakterisirt. Doch ist
noch zu erwähnen, daß er seiner grillenhafter rechthaberischen Gemüthsart we¬
gen nicht blos mit dem Bischof, sondern auch mit seinen College» auf ge¬
spannte»' Fuß lebt. Er soll übrigens fast ebenso gelehrt als seine Frau sei"-
Wie viel an der von ihm gestifteten antiquarischen Gesellschaft ist. welche die
Alterthümer des Landes erforschen soll, habe ich nicht erfahren können. Zahl¬
reich ist sie auf keinen Fall, und besondere Entdeckungen sind von ihr auch
nicht bekannt. Indeß verdient das Unternehmen insofern Lob, als damit eine
nicht unansehnliche Bibliothek verbunden ist, aus der auch an NichtMitglieder
Bücher entliehen werden. Der Umgebung des Consulcits wird viel Ungebühr
nachgesagt, namentlich seinem Factotum, dem Juden Meschullam und dessen
Sohne.

Auch über den Vertreter Oestreichs ist das Wesentlichste schon bemerkt-
Er wohnt in einem schönen Hause auf dem Bezetha, nicht weit vom Dcunas-
tusthor und ist jetzt recht vornehm eingerichtet, wozu die Dankbarkeit reicher
europäischer Juden für die von ihm ihren Glaubensgenossen in Jerusalem
geleisteten Dienste beigetragen hat. In den letzten Jahren war seine Thätig¬
keit besonders von dem Pilgerhaus in Anspruch genommen, welches nicht
fern von seiner Wohnung steht. Von dem Architekten Endlicher in Wien
entworfen, wurde es von einem Maurerpolierer aus Prag vollendet. Es ist
ein stattliches Gebäude in einem der Stadt sehr wohl angepaßten Stil, doch
sollte es höher stehen und im Innern nicht mit solchen zopfigen Guirlanden
von Stuckarbeit verziert sein, wie sie der genannte Vollender des Ganzen,
ohne Zweifel nach Erinnerungen an frühere Arbeiten in kleinen böhmisch"'
Städten, den Decken und Wänden angeklebt hat. Auch sieht man dem Gan¬
zen eben nicht an. daß es 300,000 Gulden gekostet hat. Man sagt, der
Grund habe viele Schwierigkeiten gemacht, es seien große Massen von Schutt
und Erde vorher wegzuschaffen gewesen. Man deutet aber auch noch eine
andere Erklärung des Mißverhältnisses zwischen Kosten und Leistung an. Der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/388>, abgerufen am 23.07.2024.