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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Consulat hat in den kleinern Städten Palästinas Consularagentcn, meist wohl'
habende Araber, die bisweilen für ihre Bestallung, welche ihnen einen Tite,
das Recht Kawaschen zu halten, eine Flagge aufzustecken und andere Vorthue
gewährt, recht erkenntlich sein sollen. Auf der Straße zeigt sich einKonsul
nie anders als mit seinem Kawaschen, der, wenn sein Herr daheim ist, an
der Thür als Portier Wache hält. Von den consularischen Ehren in der ka¬
tholischen Kirche ist im Vorigen die Rede gewesen; die protestantische row
nichts davon.

Das Ansehen der Consuln wechselt mit dem Ansehen der betreffenden
Gesandten in Konstantinopel. Der beliebteste scheint der preußische zu se^'
der mächtigste war bis vor Kurzem der französische, aber weniger durch die
geschickte Politik, die er übte, als durch den Zwang, mit dem der Herr von
Thouvenel in Konstantinopel mit den 25,000 Franzosen, die damals bei Sku-
tari lagerten, seine Forderungen unterstützte, und die Angst vor Absetzung, in der
Kiamil Pascha den Franzosen allenthalben willfahrte, bis es der Pforte zu lo'
wurde, und sie den ängstlichen, nachgiebigen Vertreter ihrer hiesigen Interesse
durch den jetzigen Pascha ersetzte. Die letzte wichtige Errungenschaft der FrnN'
zoscn war die Abtretung der Annenkirche an sie. Da diese seit Jahrhundert
im Besitz einer mohammedanischen Gemeinde war, und an Christen nicht co'
mal gern Privathäuser, geschweige denn Moscheen überlassen werden, so ^
es schwer, dies durchzuführen, und als es erreicht war) erregte es nicht
den Zorn der Türken und Araber, sondern auch den Neid der christlichen Se'
ten. Die Franzosen hatten Kiamil Pascha versprochen, ihm, falls er behilf¬
lich, das Muschirat zu verschaffen. Dann hielt man in Stambul um d^
Kirche an. Die Pforte erkundigte sich bei Kiamil, was an derselben sei, un
dieser antwortete, ein Steinhausen, der einmal eine Kirche gewesen sein sol^'
Darauf folgte -- es war um die Zeit, als der Sultan mit Thränen in den
Augen dem Andringen Thouvenels folgte, seinen Ball zu besuchen ^
Bewilligung des Gesuchs. Als die Türken erfuhren, daß der Steinhause
Wahrheit ein noch wohlerhaltenes Gebäude sei und Thouvenel nicht we)
drücken konnte, wurde der ungetreue Pascha zuerst auf einen untergeordnete'
Posten in Amasia geschickt und bald darauf aus dem Staatsdienst entlasse"'

Sein Nachfolger aber hat sich daran ein Beispiel genommen. ^ de ^
zäh an den Rechten seiner Regierung fest, und der jetzige Consul, ein
Barere, wird keine derartigen Eroberungen machen. Er ist ein kleiner H
mit einem großen Bart, einem etwas verlebten Gesicht und einem se^^,
Verbeugungen geneigten Nacken. Als ich ihn in der einen Soiree beim
Schos traf, sah er sich fortwährend um, wie wenn er befürchtete, jemand v
gessen zu haben, dem er Verbindliches zu sagen hätte, und man mußte I
von Stuhl zu Stuhl retten, wenn man nicht unter sein Füllhorn von 9


Consulat hat in den kleinern Städten Palästinas Consularagentcn, meist wohl'
habende Araber, die bisweilen für ihre Bestallung, welche ihnen einen Tite,
das Recht Kawaschen zu halten, eine Flagge aufzustecken und andere Vorthue
gewährt, recht erkenntlich sein sollen. Auf der Straße zeigt sich einKonsul
nie anders als mit seinem Kawaschen, der, wenn sein Herr daheim ist, an
der Thür als Portier Wache hält. Von den consularischen Ehren in der ka¬
tholischen Kirche ist im Vorigen die Rede gewesen; die protestantische row
nichts davon.

Das Ansehen der Consuln wechselt mit dem Ansehen der betreffenden
Gesandten in Konstantinopel. Der beliebteste scheint der preußische zu se^'
der mächtigste war bis vor Kurzem der französische, aber weniger durch die
geschickte Politik, die er übte, als durch den Zwang, mit dem der Herr von
Thouvenel in Konstantinopel mit den 25,000 Franzosen, die damals bei Sku-
tari lagerten, seine Forderungen unterstützte, und die Angst vor Absetzung, in der
Kiamil Pascha den Franzosen allenthalben willfahrte, bis es der Pforte zu lo'
wurde, und sie den ängstlichen, nachgiebigen Vertreter ihrer hiesigen Interesse
durch den jetzigen Pascha ersetzte. Die letzte wichtige Errungenschaft der FrnN'
zoscn war die Abtretung der Annenkirche an sie. Da diese seit Jahrhundert
im Besitz einer mohammedanischen Gemeinde war, und an Christen nicht co'
mal gern Privathäuser, geschweige denn Moscheen überlassen werden, so ^
es schwer, dies durchzuführen, und als es erreicht war) erregte es nicht
den Zorn der Türken und Araber, sondern auch den Neid der christlichen Se'
ten. Die Franzosen hatten Kiamil Pascha versprochen, ihm, falls er behilf¬
lich, das Muschirat zu verschaffen. Dann hielt man in Stambul um d^
Kirche an. Die Pforte erkundigte sich bei Kiamil, was an derselben sei, un
dieser antwortete, ein Steinhausen, der einmal eine Kirche gewesen sein sol^'
Darauf folgte — es war um die Zeit, als der Sultan mit Thränen in den
Augen dem Andringen Thouvenels folgte, seinen Ball zu besuchen ^
Bewilligung des Gesuchs. Als die Türken erfuhren, daß der Steinhause
Wahrheit ein noch wohlerhaltenes Gebäude sei und Thouvenel nicht we)
drücken konnte, wurde der ungetreue Pascha zuerst auf einen untergeordnete'
Posten in Amasia geschickt und bald darauf aus dem Staatsdienst entlasse"'

Sein Nachfolger aber hat sich daran ein Beispiel genommen. ^ de ^
zäh an den Rechten seiner Regierung fest, und der jetzige Consul, ein
Barere, wird keine derartigen Eroberungen machen. Er ist ein kleiner H
mit einem großen Bart, einem etwas verlebten Gesicht und einem se^^,
Verbeugungen geneigten Nacken. Als ich ihn in der einen Soiree beim
Schos traf, sah er sich fortwährend um, wie wenn er befürchtete, jemand v
gessen zu haben, dem er Verbindliches zu sagen hätte, und man mußte I
von Stuhl zu Stuhl retten, wenn man nicht unter sein Füllhorn von 9


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/386>, abgerufen am 23.07.2024.