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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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^icht erzählt uns Fräulein Friederike Bremer, der es möglich war. sich in den
Soireen beider Parteien zu bewegen, Genaueres; indeß ist bei der Art dieser
Dame, Herbheiten zu vermeiden und sich durch Dankbarkeit in ihrem Urtheil
bestimmen zu lassen, nicht viel Brauchbares zu erwarten.

Nach dem, was ich erfuhr, war der Zank im Wesentlichen ein Etiketten-
^eit. seine Hauptursache der Ehrgeiz einer Frau. Die Frau Consulin, Tochter
unes Pfarrers Mac All, der eine Widerlegung des Talmud geschrieben, selbst
e>ne Gelehrte, wollte eine Rolle spielen, die Erste in der Gemeinde sein, in
die Geschäfte des Bischofs hineinreden, die alte Vergötterung der Juden fort¬
setzt sehen, das auserwählte Volk andern Proselyten vorgezogen haben u. s. w.
Der Bischof ging darauf nicht ein. Seine Gemahlin, deutsch ehrlich, ein
^eilig derb und geradezu, verhielt nicht immer, was die Etikette zu verhalten
gebot. Der Consul, ein Engländer, wie man sie sich bei uns alle vorzustellen
^egt, sonderlich und wunderlich, steif und starr, im Uebrigen vom Willen
^>ner "Misfis" abhängig, stellte sich in Bullenbeißerposition, umgab sich mit
^niger anrüchtigen Subjecten aus der von der Frau Consulin protegirten
kauften Judenheit, intriguirte in Zeitungen gegen "tue xrussiun bislrox"
und gerieth, als die Gegner nicht nachgaben und seinem groben Geschütz gegen¬
über ebenfalls Batterien aufführten, in solchen Aerger, daß er den Bischof
Ares Ankündigung von Stadtarreft zu seinem Willen zu nöthigen suchte. Nach
angem unerquicklichen Hin- und Hcrschreiben bekam er in London wie in
Berlin Unrecht, und daß er wirklich im Unrecht war, geht für mich mit Evi-
daraus hervor, daß der preußische Consul auf Seiten des Bischofs steht.

Ich erzählte im vorigen Capitel, wie sich ein Spanier erkundigt, ob man
^ Jerusalem angenehm leben könnte, und will nun ausführlich darauf ant¬
worten, so weit die Antwort nicht schon im Bisherigen liegt. Von selbst ver-
^k>t sich^ daß es hier kein Theater gibt, daß ein Ball von den Frommen als
^e mindestens ebenso verdammenswerthe EntHeiligung Zions angesehen werden
^urbe, als die Prügeleien am heiligen Grabe, daß die Crinolinen sich der
^gen Straßen wegen auf sehr bescheidene Maße beschränken müssen. Eine
Ausnahme auf dem Bezetha ist eine doppelte Kühnheit, da sie, allerdings
^gcmtisch, nicht nur gegen die Mauern der Gassen, sondern auch gegen die
^vielleicht zu prüden) Schicklichkeitsbegriffe des weiblichen Zion anstößt. Indeß
Meßt der Mangel dieser Dinge eine behagliche Existenz nicht aus. Leider
f/^>" "ber auch manche andere, vielleicht wesentlichere Erfordernisse. Zunächst
^ sür Musik nur dürftig gesorgt. Fortepianos gibt es in Jerusalem, so viel
" bekannt, fünf, gute nur zwei, Personen, die mehr als zu klimpern ver-
. gleichfalls nicht mehr als zwei. Die Engländerinnen interessirt nur
U'cherimufik und Walzer. Von den deutschen Damen spielt, wie ich glaube,
v. Pizzamano, wenigstens steht in ihrem Salon ein Pianino, und


^icht erzählt uns Fräulein Friederike Bremer, der es möglich war. sich in den
Soireen beider Parteien zu bewegen, Genaueres; indeß ist bei der Art dieser
Dame, Herbheiten zu vermeiden und sich durch Dankbarkeit in ihrem Urtheil
bestimmen zu lassen, nicht viel Brauchbares zu erwarten.

Nach dem, was ich erfuhr, war der Zank im Wesentlichen ein Etiketten-
^eit. seine Hauptursache der Ehrgeiz einer Frau. Die Frau Consulin, Tochter
unes Pfarrers Mac All, der eine Widerlegung des Talmud geschrieben, selbst
e>ne Gelehrte, wollte eine Rolle spielen, die Erste in der Gemeinde sein, in
die Geschäfte des Bischofs hineinreden, die alte Vergötterung der Juden fort¬
setzt sehen, das auserwählte Volk andern Proselyten vorgezogen haben u. s. w.
Der Bischof ging darauf nicht ein. Seine Gemahlin, deutsch ehrlich, ein
^eilig derb und geradezu, verhielt nicht immer, was die Etikette zu verhalten
gebot. Der Consul, ein Engländer, wie man sie sich bei uns alle vorzustellen
^egt, sonderlich und wunderlich, steif und starr, im Uebrigen vom Willen
^>ner „Misfis" abhängig, stellte sich in Bullenbeißerposition, umgab sich mit
^niger anrüchtigen Subjecten aus der von der Frau Consulin protegirten
kauften Judenheit, intriguirte in Zeitungen gegen „tue xrussiun bislrox"
und gerieth, als die Gegner nicht nachgaben und seinem groben Geschütz gegen¬
über ebenfalls Batterien aufführten, in solchen Aerger, daß er den Bischof
Ares Ankündigung von Stadtarreft zu seinem Willen zu nöthigen suchte. Nach
angem unerquicklichen Hin- und Hcrschreiben bekam er in London wie in
Berlin Unrecht, und daß er wirklich im Unrecht war, geht für mich mit Evi-
daraus hervor, daß der preußische Consul auf Seiten des Bischofs steht.

Ich erzählte im vorigen Capitel, wie sich ein Spanier erkundigt, ob man
^ Jerusalem angenehm leben könnte, und will nun ausführlich darauf ant¬
worten, so weit die Antwort nicht schon im Bisherigen liegt. Von selbst ver-
^k>t sich^ daß es hier kein Theater gibt, daß ein Ball von den Frommen als
^e mindestens ebenso verdammenswerthe EntHeiligung Zions angesehen werden
^urbe, als die Prügeleien am heiligen Grabe, daß die Crinolinen sich der
^gen Straßen wegen auf sehr bescheidene Maße beschränken müssen. Eine
Ausnahme auf dem Bezetha ist eine doppelte Kühnheit, da sie, allerdings
^gcmtisch, nicht nur gegen die Mauern der Gassen, sondern auch gegen die
^vielleicht zu prüden) Schicklichkeitsbegriffe des weiblichen Zion anstößt. Indeß
Meßt der Mangel dieser Dinge eine behagliche Existenz nicht aus. Leider
f/^>" "ber auch manche andere, vielleicht wesentlichere Erfordernisse. Zunächst
^ sür Musik nur dürftig gesorgt. Fortepianos gibt es in Jerusalem, so viel
" bekannt, fünf, gute nur zwei, Personen, die mehr als zu klimpern ver-
. gleichfalls nicht mehr als zwei. Die Engländerinnen interessirt nur
U'cherimufik und Walzer. Von den deutschen Damen spielt, wie ich glaube,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/381>, abgerufen am 23.07.2024.