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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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zunächst ins Auge faßte, die ihn sicher am meisten interessirten, waren sehr
gewöhnlicher Art. Er sprach vom Preis der Kohlen, von den Kosten deS
Bauholzes, von den Fortschritten seines Baues, von der Zahl der Pilger, die
er jetzt unterbringen sonne. Interessanter wurde er, als der Consul ihn eins
seine indische Reise brachte, welche er. von seinem Standpunkt mit Recht, si"
eine halbe Wunderthat zu halten schien, und über die er mit einer Naivetät
wie etwa ein deutscher Handwerksbursche über einen Ausflug nach der Türkei
oder ein mittelalterlicher Tourist über seine Fahrten im Morgenland berichtete.
So hatte er von Schlangen gehört mit Köpfe" so groß "wie dort die jUstt
im Gemach". So hatte er ferner Bäume gesehen "so dick, um Kähne daraus
zu machen, in die sich ein ausgewachsener Mann hätte der Quer legen kS"'
nen". andere, "die man durch kein Thor Jerusalems hätte bringen können".
Wunderbar war. was er von der Menge der Tiger/der wilden und zahme"
Elephanten und von den Zuständen und Sitten des Volkes in Indien erzählte.
Doch sprach er offenbar als Gläubiger. Er hatte seine Reise in syrischer
Sprache beschrieben -- sicher ein Opus, welches eine Uebersetzung verdiente^
ja er hatte sie auch abmalen wollen, doch hatte ihm -- Gott sei Dank! feste
er hinzu -- ein "ndrer die Mühe abgenommen. Auf einen Wink von ihw
brachte der Diakon ein Rolle herbei, auf welcher ein indischer Maler den
Paradezug des Bischofs vom Hafen nach der Kirche eines malabarische"
Christenstädtchcns dargestellt hatte. Es war ein sehr kindliches Gemälde, höchst
genau in den Farben und der Zahl der bei der Prozesston betheiligt gcwck'
nen Personen, ohne Ahnung von Perspective, hin und wieder mit einem A"-
flug von Portrütirung. Dann wurden uns indische Kirchenbücher aufPalmc"'
blätter geschrieben, das Instrument, womit sie eingeritzt worden, ferner ein kleines-
hübsch geschnitztes Elephautenbild. "woraus wir erkennen sollten, wie Ele¬
phanten aussähen", und zum Schluß ein außerordentlich fein geschriebenes
syrisches neues Testament gezeigt, das in seiner Silberkapsel auf den erste"
Blick einer Schnupftabaksdose glich.

Ehe wir uns verabschiedeten, führte uns der Bischof in die Kirche. ">"
uns den Ort zu zeigen, wo der heilige Jakobus, "nach dem Tode des Hei'
landes zum Vorsteher der Apostel erwählt", zum ersten Mal der Communio"
präsidire hatte. "Petrus but dabei das Brod", sagte unser Führer. Die
Kirche ist im Vergleich mit andern dürstig. ihre zahlreichen Bilder noch grell"
und plumper als die der Grabeskirche. Besondere Verehrung erweist me>"
einem heiligen Georg mit einem grasgrünen Drachen und einer sehr dunkel"
Mutter Gottes, die der Evangelist Lucas gemalt hat. Beide haben um de"
Kopf Heiligenscheine aus Silber in der Form von Halbmonden, oder richtiger,
da sie über die Fläche der Leinwand beträchtlich herausschwellen, von halleschen
Martinshörnchen.


zunächst ins Auge faßte, die ihn sicher am meisten interessirten, waren sehr
gewöhnlicher Art. Er sprach vom Preis der Kohlen, von den Kosten deS
Bauholzes, von den Fortschritten seines Baues, von der Zahl der Pilger, die
er jetzt unterbringen sonne. Interessanter wurde er, als der Consul ihn eins
seine indische Reise brachte, welche er. von seinem Standpunkt mit Recht, si"
eine halbe Wunderthat zu halten schien, und über die er mit einer Naivetät
wie etwa ein deutscher Handwerksbursche über einen Ausflug nach der Türkei
oder ein mittelalterlicher Tourist über seine Fahrten im Morgenland berichtete.
So hatte er von Schlangen gehört mit Köpfe» so groß „wie dort die jUstt
im Gemach". So hatte er ferner Bäume gesehen „so dick, um Kähne daraus
zu machen, in die sich ein ausgewachsener Mann hätte der Quer legen kS"'
nen". andere, „die man durch kein Thor Jerusalems hätte bringen können".
Wunderbar war. was er von der Menge der Tiger/der wilden und zahme"
Elephanten und von den Zuständen und Sitten des Volkes in Indien erzählte.
Doch sprach er offenbar als Gläubiger. Er hatte seine Reise in syrischer
Sprache beschrieben — sicher ein Opus, welches eine Uebersetzung verdiente^
ja er hatte sie auch abmalen wollen, doch hatte ihm — Gott sei Dank! feste
er hinzu — ein «ndrer die Mühe abgenommen. Auf einen Wink von ihw
brachte der Diakon ein Rolle herbei, auf welcher ein indischer Maler den
Paradezug des Bischofs vom Hafen nach der Kirche eines malabarische»
Christenstädtchcns dargestellt hatte. Es war ein sehr kindliches Gemälde, höchst
genau in den Farben und der Zahl der bei der Prozesston betheiligt gcwck'
nen Personen, ohne Ahnung von Perspective, hin und wieder mit einem A"-
flug von Portrütirung. Dann wurden uns indische Kirchenbücher aufPalmc»'
blätter geschrieben, das Instrument, womit sie eingeritzt worden, ferner ein kleines-
hübsch geschnitztes Elephautenbild. „woraus wir erkennen sollten, wie Ele¬
phanten aussähen", und zum Schluß ein außerordentlich fein geschriebenes
syrisches neues Testament gezeigt, das in seiner Silberkapsel auf den erste"
Blick einer Schnupftabaksdose glich.

Ehe wir uns verabschiedeten, führte uns der Bischof in die Kirche. ">"
uns den Ort zu zeigen, wo der heilige Jakobus, „nach dem Tode des Hei'
landes zum Vorsteher der Apostel erwählt", zum ersten Mal der Communio"
präsidire hatte. „Petrus but dabei das Brod", sagte unser Führer. Die
Kirche ist im Vergleich mit andern dürstig. ihre zahlreichen Bilder noch grell"
und plumper als die der Grabeskirche. Besondere Verehrung erweist me>"
einem heiligen Georg mit einem grasgrünen Drachen und einer sehr dunkel"
Mutter Gottes, die der Evangelist Lucas gemalt hat. Beide haben um de"
Kopf Heiligenscheine aus Silber in der Form von Halbmonden, oder richtiger,
da sie über die Fläche der Leinwand beträchtlich herausschwellen, von halleschen
Martinshörnchen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/350>, abgerufen am 23.07.2024.