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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Wenig zwar lassen solche einzelne Züge aus dem Leben eines Fürsten
erkennen. Daß er redlich sei, gewissenhaft, pflichtgetreu, das weiß in"">
Aber uns scheint, daß eine andere Eigenthümlichkeit seltener sei. Er ist grade
im reifern Mannesulter. wo sonst der Horizont des Mannes sich begrenzt,
das Neue leicht unhold erscheint, fortdauernd sicherer, innerlich freier, im
besten Sinne des Worts liberaler geworden. Es muß edler Wein sein, der
sich so vergeistigt. Ungewöhnlich war der Gang seines Lebens, alle großen Er¬
fahrungen seiner politischen Laufbahn kamen ihm erst in einer Lebenszeit, wo sie
eher beschränken als erheben. Die meisten von uns Deutschen auf Thronen, im
Arbeitslust und auf der Holzbank sind in den letzten zehn Jahren nicht stärker,
sicherer, entschlossener geworden. Ihm aber ist die Kraft und der Wille ge¬
wachsen mit der Schwere der Aufgaben. Selbst der würde sehr irren, welcher
meint, seine Natur sei mehr empfänglich und anerkennend, als productiv.
Er gilt bei denen, welche ihn näher kennen, nicht nur für einen Fürsten, der
gut zu hören weiß, sondern auch für einen Herrn, der zu wollen und zu be¬
fehlen versteht, und für einen Politiker, der auch deshalb innerlich größer ist,
als die meisten seiner Umgebung, weil er in Kopf und Herzen sichre Stütz¬
punkte findet für große Entschlüsse. Daß er als Regent in den Fragen,
welche ihm vertraut sind, selbstständige schöpferische Kraft besitzt, wird er seinen
Preußen, wie seinen Gegnern noch beweisen.

Er gilt nur da für rcdefcrtig und wortreich, wo ihm von Herzen wohl ist-
Dann aber dringt, so hören wir, seine einfache, klare Rede, die männ¬
liche Haltung, die große Wahrhaftigkeit und Innigkeit seines Ausdrucks
mächtig zum Herzen. Und solche milde Humanität ist wol der Kern seines
Wesens.

Ein Fürst so organisirt, eine tief innerliche Natur, mit dem sichern Taft,
den nur ein reines und wohlwollendes Gemüth verleiht, dnrch und durch
human, nach so herben Erfahrungen doch voll festen Glauben an den Adel
menschlicher Natur, voll Vertrauen zu der Tüchtigkeit und voll Achtung vor
dem Verstand seines Volkes, und dabei von einer stillen aber dauerhaften
Willenskraft und in den Jahren seiner Reife voll von Erhebung und stark
zu rücksichtslosem Entschluß, ein solcher Fürst scheint uns doch keine ganz
gewöhnliche Erscheinung auf einem Königsthron zu sein. Und solche Persön¬
lichkeit scheint uns vorzugsweise geeignet, das innere Leben des neuen Ver¬
fassungsstaates zu kräftiger Entwicklung zu führen und Preußen nach außen
allmälig zu einer Bedeutung zu führen, die der innern Tüchtigkeit des Volkes
entspricht.

Der diese Zeilen schreibt, steht ganz fern von Neigung und Gunst einer
preußischen Regierung und ist nur berechtigt und gewillt, das Interesse an
der Person des Prinzregenten zu nehmen, welches jeder Deutsche für ihn


Wenig zwar lassen solche einzelne Züge aus dem Leben eines Fürsten
erkennen. Daß er redlich sei, gewissenhaft, pflichtgetreu, das weiß in"">
Aber uns scheint, daß eine andere Eigenthümlichkeit seltener sei. Er ist grade
im reifern Mannesulter. wo sonst der Horizont des Mannes sich begrenzt,
das Neue leicht unhold erscheint, fortdauernd sicherer, innerlich freier, im
besten Sinne des Worts liberaler geworden. Es muß edler Wein sein, der
sich so vergeistigt. Ungewöhnlich war der Gang seines Lebens, alle großen Er¬
fahrungen seiner politischen Laufbahn kamen ihm erst in einer Lebenszeit, wo sie
eher beschränken als erheben. Die meisten von uns Deutschen auf Thronen, im
Arbeitslust und auf der Holzbank sind in den letzten zehn Jahren nicht stärker,
sicherer, entschlossener geworden. Ihm aber ist die Kraft und der Wille ge¬
wachsen mit der Schwere der Aufgaben. Selbst der würde sehr irren, welcher
meint, seine Natur sei mehr empfänglich und anerkennend, als productiv.
Er gilt bei denen, welche ihn näher kennen, nicht nur für einen Fürsten, der
gut zu hören weiß, sondern auch für einen Herrn, der zu wollen und zu be¬
fehlen versteht, und für einen Politiker, der auch deshalb innerlich größer ist,
als die meisten seiner Umgebung, weil er in Kopf und Herzen sichre Stütz¬
punkte findet für große Entschlüsse. Daß er als Regent in den Fragen,
welche ihm vertraut sind, selbstständige schöpferische Kraft besitzt, wird er seinen
Preußen, wie seinen Gegnern noch beweisen.

Er gilt nur da für rcdefcrtig und wortreich, wo ihm von Herzen wohl ist-
Dann aber dringt, so hören wir, seine einfache, klare Rede, die männ¬
liche Haltung, die große Wahrhaftigkeit und Innigkeit seines Ausdrucks
mächtig zum Herzen. Und solche milde Humanität ist wol der Kern seines
Wesens.

Ein Fürst so organisirt, eine tief innerliche Natur, mit dem sichern Taft,
den nur ein reines und wohlwollendes Gemüth verleiht, dnrch und durch
human, nach so herben Erfahrungen doch voll festen Glauben an den Adel
menschlicher Natur, voll Vertrauen zu der Tüchtigkeit und voll Achtung vor
dem Verstand seines Volkes, und dabei von einer stillen aber dauerhaften
Willenskraft und in den Jahren seiner Reife voll von Erhebung und stark
zu rücksichtslosem Entschluß, ein solcher Fürst scheint uns doch keine ganz
gewöhnliche Erscheinung auf einem Königsthron zu sein. Und solche Persön¬
lichkeit scheint uns vorzugsweise geeignet, das innere Leben des neuen Ver¬
fassungsstaates zu kräftiger Entwicklung zu führen und Preußen nach außen
allmälig zu einer Bedeutung zu führen, die der innern Tüchtigkeit des Volkes
entspricht.

Der diese Zeilen schreibt, steht ganz fern von Neigung und Gunst einer
preußischen Regierung und ist nur berechtigt und gewillt, das Interesse an
der Person des Prinzregenten zu nehmen, welches jeder Deutsche für ihn


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[0330] Wenig zwar lassen solche einzelne Züge aus dem Leben eines Fürsten erkennen. Daß er redlich sei, gewissenhaft, pflichtgetreu, das weiß in""> Aber uns scheint, daß eine andere Eigenthümlichkeit seltener sei. Er ist grade im reifern Mannesulter. wo sonst der Horizont des Mannes sich begrenzt, das Neue leicht unhold erscheint, fortdauernd sicherer, innerlich freier, im besten Sinne des Worts liberaler geworden. Es muß edler Wein sein, der sich so vergeistigt. Ungewöhnlich war der Gang seines Lebens, alle großen Er¬ fahrungen seiner politischen Laufbahn kamen ihm erst in einer Lebenszeit, wo sie eher beschränken als erheben. Die meisten von uns Deutschen auf Thronen, im Arbeitslust und auf der Holzbank sind in den letzten zehn Jahren nicht stärker, sicherer, entschlossener geworden. Ihm aber ist die Kraft und der Wille ge¬ wachsen mit der Schwere der Aufgaben. Selbst der würde sehr irren, welcher meint, seine Natur sei mehr empfänglich und anerkennend, als productiv. Er gilt bei denen, welche ihn näher kennen, nicht nur für einen Fürsten, der gut zu hören weiß, sondern auch für einen Herrn, der zu wollen und zu be¬ fehlen versteht, und für einen Politiker, der auch deshalb innerlich größer ist, als die meisten seiner Umgebung, weil er in Kopf und Herzen sichre Stütz¬ punkte findet für große Entschlüsse. Daß er als Regent in den Fragen, welche ihm vertraut sind, selbstständige schöpferische Kraft besitzt, wird er seinen Preußen, wie seinen Gegnern noch beweisen. Er gilt nur da für rcdefcrtig und wortreich, wo ihm von Herzen wohl ist- Dann aber dringt, so hören wir, seine einfache, klare Rede, die männ¬ liche Haltung, die große Wahrhaftigkeit und Innigkeit seines Ausdrucks mächtig zum Herzen. Und solche milde Humanität ist wol der Kern seines Wesens. Ein Fürst so organisirt, eine tief innerliche Natur, mit dem sichern Taft, den nur ein reines und wohlwollendes Gemüth verleiht, dnrch und durch human, nach so herben Erfahrungen doch voll festen Glauben an den Adel menschlicher Natur, voll Vertrauen zu der Tüchtigkeit und voll Achtung vor dem Verstand seines Volkes, und dabei von einer stillen aber dauerhaften Willenskraft und in den Jahren seiner Reife voll von Erhebung und stark zu rücksichtslosem Entschluß, ein solcher Fürst scheint uns doch keine ganz gewöhnliche Erscheinung auf einem Königsthron zu sein. Und solche Persön¬ lichkeit scheint uns vorzugsweise geeignet, das innere Leben des neuen Ver¬ fassungsstaates zu kräftiger Entwicklung zu führen und Preußen nach außen allmälig zu einer Bedeutung zu führen, die der innern Tüchtigkeit des Volkes entspricht. Der diese Zeilen schreibt, steht ganz fern von Neigung und Gunst einer preußischen Regierung und ist nur berechtigt und gewillt, das Interesse an der Person des Prinzregenten zu nehmen, welches jeder Deutsche für ihn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/330>, abgerufen am 28.12.2024.